Samstag, 30. Juni 2018

Gern gespielt im Juni 2018

GAIA PROJECT: Bevor ich’s rezensiere, möchte ich mich noch dem Solo-Spiel widmen. Bloß wann?


GANZ SCHÖN CLEVER: … zumal ich ja dummerweise immer noch dieses hier solo spiele.


THE MIND: Eine Besucherin: „Ich glaube, ich habe mich ein bisschen in das Spiel verliebt.“


CODENAMES DUETT: An Shanghai auch endlich vorbei.


DIE BURGEN VON BURGUND: … und es war Sommer.


PULSAR 2849: Wenn man so will: Der Juni war ein Monat der Würfelspiele.





Dienstag, 26. Juni 2018

Luxor

Spiele sind Spiegel der vorherrschenden Kultur. Das klingt hochtrabend, bestätigt sich aber immer wieder. Grabraub beispielsweise finden wir offenbar so normal, geradezu abenteuerlich, dass er wiederholt als Spielthema herhalten darf.
Damit es sich besser anfühlt, gehe ich davon aus, dass wir in LUXOR selbstverständlich mit behördlichen Grabungslizenzen ausgestattet sind.

Wie geht LUXOR? Es ist ein Sammel- und Rennspiel. Mit unseren Figuren laufen wir den spiralförmigen Gang zur Grabkammer entlang. Unterwegs sacken wir Schätze ein (bzw. bergen sie für wissenschaftliche Zwecke), was immer dann erlaubt ist, wenn eine bestimmte Menge eigener Figuren auf demselben Feld steht. Meistens müssen es zwei sein, manchmal drei, selten genügt eine.
Sobald zwei Figuren in der Grabkammer angekommen sind, endet das Spiel. Nun punkten unter anderem noch Dreier-Sets verschiedener Schätze sowie alle Figuren entsprechend ihrem Standort. Je weiter man gekommen ist, desto besser … meistens.
Bewegt werden die Figuren mit Zahlenkarten. Jeder hat fünf. Sie werden nie umsortiert. Man spielt entweder seine ganz linke oder ganz rechte Karte, zieht anschließend eine nach, die exakt mittig in die Kartenhand geschoben werden muss. Blatt-Management ist also vonnöten; mit seinem Ausspiel bestimmt man auch immer die Möglichkeiten für den nächsten und übernächsten Zug.
Außer Zahlenkarten können auch (stärkere) Sonderkarten ins Blatt gelangen. Dazu muss eine Figur eins der sechs Felder betreten, die die Aufnahme solcher Karten erlauben. Perfide: Steht man hier bei Spielende, zählt die Figur nichts. Also: rechtzeitig wieder weg!


Was passiert? Der verwöhnte Vielspieler mag denken, all dies schon gesehen zu haben. Und gewiss: LUXOR ist eine Mixtur bekannter Elemente, aber – wie sich mit zunehmender Spielhäufigkeit zeigt – eine immer wieder interessante Mixtur, die sich nicht so schnell verbraucht.
Grund dafür ist die gelungene Balance aus Glück, Vorausplanung und zügigen Abläufen. Sich zwischen zwei Karten und maximal fünf Figuren zu entscheiden, überfordert fast niemanden, lässt aber gleichzeitig Raum für Taktik oder Spekulation: Ziehe ich zum Schatz, auf dem schon jemand steht? Gut möglich, dass dies ein Tempoverlust wäre, weil der Gegner sofort seine zweite Figur hinzieht. Aber ich könnte es im nächsten Zug auch, und wenn der andere es nicht kann, gehört der Schatz mir.
Figuren auf etwa gleicher Höhe zu haben, ist vorteilhaft, denn nur gemeinsam räumen sie die Beutestücke ab. Andererseits kann es lohnenswert sein, Figuren absichtlich am Start herumlungern zu lassen. Erbeutete Schatzplättchen werden teilweise durch neue Wege-Plättchen ersetzt. Mit Glück tut sich vorn auf der Piste ein Geheimgang auf und deutlich weiter hinten dessen Ende. Wer noch nicht am Eingang vorbeigelaufen ist, kann ohne großen Aufwand viel Strecke machen.
Und dann: die Sonderkarten. Natürlich will ich welche haben; es ist einfach cooler. Eine ermöglicht beispielsweise die letzte zur vorletzten Figur zu ziehen. Also versuche ich, meine letzte weit abreißen zu lassen und mit der vorletzten auf einem Schatzfeld zu warten, das genau zwei Figuren erfordert. Oder: die Sonderkarte, um mit sämtlichen Figuren zwei Felder zu gehen. Auch hier will ich es natürlich so drehen, dass ich gleich im Zweier- oder Dreierpack aufs Beutefeld marschiere.
Was die anderen Spieler tun, ist nicht unerheblich. Durch Wegnahme eines Schatzplättchens kann sich der Parcours plötzlich um ein Feld verkürzen, und meine Zahlenkarte führt mich eins weiter als gedacht. Und immer aufpassen, ob das Spielende droht! Auf Null-Punkte-Feldern überrascht zu werden, bedeutet im Regelfall die Niederlage.


Was taugt es? Nur zwei Kleinigkeiten gefallen mir nicht so: 1. Ich bin sehr erfolgreich damit, lieber schnell zu laufen als möglichst viel zu sammeln. Was absolut nicht bedeuten soll, Schätze seien überflüssig. Man muss schon mitnehmen, was man kriegen kann. Doch größere Umstände dafür lohnen sich eher nicht.
2. Ich habe erlebt, dass sich Spieler eigenhändig kaputtgespielt haben: Unmittelbar vor Spielende hatten sie sowohl links als auch rechts eine Karte, die sie zwang, eine oder gar mehrere Figuren auf Null-Punkte-Felder zu ziehen. Das passiert, wenn man zu viele Sonderkarten hortet und noch nicht weiß, wie gefährlich das sein kann. Es passiert also im Regelfall nur einmal, ist dann aber ziemlich frustrierend.
Wesentlicher ist: Das schön gestaltete LUXOR hat einen sehr angenehmen Flow, erlaubt trotzdem genügend Planungen und Entscheidungen und gefällt deshalb Drauflosspielern und Taktikern. Gewiss kann man beim Kartenziehen einfach Pech haben. Doch Erfolgserlebnisse hat trotzdem jeder mal. Und falls nicht mal das: Eine Partie geht schnell genug, um sein Schicksal zu verschmerzen.


***** reizvoll

LUXOR von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Queen Games.

Montag, 18. Juni 2018

Mercado

Auch wenn man alles hat, was man braucht, gibt es trotzdem Gründe, noch Neues kaufen. Erstens zur Stützung des kapitalistischen Systems. Zweitens weil es die Nachbarn beeindruckt. Und genau das ist die Geschichte von MERCADO: Wir kaufen Zeug, alle staunen, wir kassieren Ruhm, der Ruhmreichste gewinnt.

Wie geht MERCADO? Gekauft wird mit Münzen. Die Schnallenschuhe beispielsweise bekommt man für zwei goldene und zwei silberne Münzen, die Voliere kostet drei beliebige gleiche. Wer am Zug ist, zieht drei Münzen aus seinem Beutel und ordnet sie beliebigen der acht ausliegenden Markttafeln zu mit dem Ziel, irgendwo die erforderliche Kaufkombination anzusammeln.

Das klappt nicht immer in einem Zug, sollte aber trotzdem nicht zu lange dauern. Denn wer als Erster die Kombination beisammen hat, greift die Punkte und eventuell weitere Boni ab. Die Unterlegenen dürfen wenigstens ihre eingesetzten Chips in den Beutel zurückwerfen, der Zweitplatzierte erhält eine zusätzliche Kompensation.
MERCADO ist ein Wettrennen. Wer als Erster eine komplette Runde auf der Siegpunktskala dreht, gewinnt. Deshalb ist das Zurückwerfen der Chips ein kleiner Trost: Solange Verwertbares im Sack ist, muss man keinen Zug dafür opfern, um den Behälter mit den verbrauchten Münzen wieder aufzufüllen.
Die Siegpunktskala zeigt nicht nur den Punktestand an. Einige Felder belohnen, andere bestrafen den Spieler, der auf ihnen landet. Das macht den Münzeinsatz kniffliger: Die erforderliche Kombination zu erreichen, ist schon mal gut. Richtig toll wird es aber erst, wenn das eroberte Objekt so viele Punkte zählt, dass man auf das perfekte Feld springt.


Was passiert? Man zieht, man guckt, man legt. Wer etwas Grips investiert und berücksichtigt, was er noch im Beutel hat und was nicht, erspielt sich Vorteile. Ebenso wer sich planvoll und nicht etwa blindlings in Duelle verstrickt. Außerdem ist es schlichtweg hilfreich, die passenden Münzen zu ziehen.
MERCADO hat ziemlich viel mit Glück zu tun, aber nicht das werfe ich dem Spiel vor. Andere Spiele haben ebenfalls mit Glück zu tun, ohne dass ich es als Manko empfinde. Ein aktuelles Beispiel, sogar ebenfalls mit Chip-aus-dem-Sack, ist DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG.
Der Grund, warum MERCADO sich in keiner Partie spannend angefühlt hat, auch nicht mit Spielern aus der mutmaßlichen Zielgruppe, muss anderswo liegen: Ziemlich viel Zeit verstreicht dabei, anderen Spielern zuzugucken oder Verwaltungsakte auszuführen. Die Zeit, in der man Dinge entscheiden und sein Spiel gestalten könnte, in der man also die Freiheit des Spielens genießt, ist kurz.

Obendrein liegen einige Entscheidungen auf der Hand, andere hingegen bleiben unwägbar. Auf langfristige Pläne, Bagbuilding etwa, ist MERCADO nicht ausgelegt. Man spielt für den Augenblick. Obwohl es Stellschrauben gibt, entsteht so kein Gefühl von Spieltiefe, keine Neugierde auf mehr. Die Glücksfaktoren wiederum kreieren kein Mitfiebern und keine Überraschungen. MERCADO fühlt sich lauwarm an. Es ist sauber komponiert und sieht schön aus – doch man reibt sich nicht daran. Keiner meiner Mitspieler wollte eine zweite Partie spielen.

Was taugt es? MERCADO hat keinen Fehler im Design, kein Element, das das Spiel zu Fall bringt. Die Wertung „misslungen“ beruht nicht auf einer klar zu benennenden Schwachstelle. Sondern auf dem Gesamteindruck. Spiele sollen unterhalten oder herausfordern, MERCADO aber ist langweilig.


** misslungen

MERCADO von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Kosmos.

Donnerstag, 14. Juni 2018

Vor 20 Jahren (63): Elfenland

Wie neulich so treffend prognostiziert, ist tatsächlich ELFENLAND das „Spiel des Jahres 1998“ geworden. Und meinen Segen hatte das. Ich fand damals nicht nur das Spiel gut, sondern auch die Spielgestaltung. Das Riesenschwein: super! Der Trollwagen: großartig! Und selbst heute, während man bei Spielegrafiken deutlich verwöhnter sein darf, wirkt die ELFENLAND-Optik noch immer sehr stimmig. Das Riesenschwein: echt ganz nett. Und der Trollwagen: auch sehr okay.

Ich würde ELFENLAND sogar gerne spielen, was man über die meisten Spiele von 1998 sicher nicht sagen kann. 1999 allerdings hatte ich irgendwann nicht mehr so viel Bock auf ELFENLAND. Mein Motivationstief lag weniger am Spiel (genau genommen: gar nicht), sondern mehr an einem Mitspieler, der sich eine rein erfolgsorientierte Spielweise angewöhnt hatte.

Ich bin übrigens nicht grundsätzlich gegen erfolgsorientierte Spielweisen eingestellt; meistens versuche ich sogar selber, einigermaßen erfolgreich zu spielen. Und ich bin auch nicht gegen das Jammern. Fast jeder jammert beim Spielen. Ich auch. Es gibt einfach viel zu oft Gründe dafür. Was ich allerdings gar nicht mag, ist Manipulation.


ELFENLAND hat konstruktive und destruktive Elemente. Überwiegend werde ich versuchen, die Transportmittel so zu platzieren, dass es mir hilft. Aber irgendwann geht das nicht mehr oder ich brauche irgendein Plättchen nicht, und nun versuche ich, wenigstens andere Spieler zu behindern. Bevorzugt natürlich jemanden, der gut dasteht … soweit man einschätzen kann.

Und an dieser Stelle setzte die Kampagne unseres Mitspielers an. Er schrie, er stöhnte, er schimpfte auf seine Karten, er jaulte auf, wenn jemand ein Plättchen vor seiner Figur ablegte, so als bereite es ihm körperliche Schmerzen, er wand sich, er lamentierte, er schäumte, er brach fast in Tränen aus. Und beim anschließenden Reisen zeigte sich dann: Alles, aber auch wirklich ALLES passte perfekt für ihn. Das ganze Geschrei war von Anfang an nur eine kalkulierte Lügen-Show gewesen.

Und es funktionierte. Man hatte dann irgendwann einfach Mitleid mit ihm und dachte: Der arme Kerl steht wohl ganz schlecht da, so wie der hier abdreht. Um den muss ich mich nicht mehr kümmern. – Tja, von wegen. Und diese Masche zog er tatsächlich in zwei aufeinander folgenden Partien durch.

Wie ich auf der Website von Spiel des Jahres schon mal ausführlicher geschrieben habe, ist gutes Spielen für mich auch immer ehrenwertes Spielen. Der Ehrgeiz sollte Grenzen haben.

Ich finde es beispielsweise nicht ehrenwert, das Gruppenwohl dem eigenen Perfektionsdrang unterzuordnen und für sich die doppelte oder dreifache Grübelzeit in Anspruch zu nehmen, nur um bloß keine möglichen Zehntelpunkte liegenzulassen. Und ich finde es auch nicht ehrenwert, das eigene Ego wie hier in den Mittelpunkt zu stellen und der Gruppe ein lautstarkes Schauspiel über die (vermeintlichen) eigenen Befindlichkeiten aufzuzwingen, nur um mit List einen zusätzlichen Ort im ELFENLAND zu erreichen.

Fühlt sich ein so errungener Sieg tatsächlich gut an? Oder bin ich nur aus der Zeit gefallen? Falls ich aus der Zeit gefallen sein sollte, war ich es aber schon vor 20 Jahren.


Samstag, 9. Juni 2018

Decrypto

Ich habe festgestellt, dass eine kleine Einführung erfolgt. Kurz gesagt, wollen sie nicht eine andere, denen es irgendein Leid zu verstehen. [Verschlüsselt.]

Wie geht DECRYPTO? Zwei Teams spielen gegeneinander. Jedes sieht vier Begriffe in seinem Sichtschirm vor sich, beispielsweise 1. „Geist“ / 2. „Flasche“ / 3. „Parkplatz“ / 4. „Kalender“.
Der reihum wechselnde Verschlüssler zieht eine Codekarte, die er den anderen nicht zeigt. Nun bildet er seinen Hinweis-Code, der „Cola“ – „Dezember“ – „Auto“ lauten könnte. Und die Teammitglieder erraten nun hoffentlich die Zahlenfolge 2 – 4 – 3.
In der kommenden Runde zieht der nächste Verschlüssler eine Karte und bildet einen neuen Code: „Blatt“ – „leer“ – „Genie“. Gemeint ist 4 – 2 – 1. Da die Gegner alles fein mitnotieren, wissen sie jetzt, dass zu Begriff 2 die Umschreibungen „Cola“ und „leer“ gehören und zu Begriff 4 „Dezember“ und „Blatt“.
Es geht nun gar nicht darum, die Gegnerbegriffe exakt zu erraten. Um zu gewinnen, genügt es, zweimal den Zahlencode richtig vorherzusagen, nachdem der Verschlüssler seine Codewörter bekannt gegeben hat.
Die Informationen verdichten sich von Runde zu Runde. In fortgeschrittenen Gruppen muss man schon etwas kryptischer verschlüsseln als in diesem Beispiel. Aber auch nicht zu kryptisch. Tippt das eigene Team zweimal daneben, ist die Partie verloren.
Und um zu wissen, wie DECRYPTO abläuft, muss man sich jetzt nur noch vorstellen, dass beide Teams parallel verschlüsseln und raten.


Was passiert? Es fällt auf, dass DECRYPTO nicht so leicht zu erklären ist. Genau wie in diesem Artikel mache ich das immer mit Vorführ-Beispielen.
DECRYPTO ist auch nicht so leicht zu spielen. Die Runde muss große Disziplin aufbringen. Während das eigene Team die Umschreibungen den Begriffen zuordnet, darf der Verschlüssler keinen Mucks tun. Kurz darauf ist er aber voll mit dabei, wenn es darum geht, den Gegnercode zu knacken. Anders als von der Anleitung vorgesehen, gehen diese Phasen in den Teams oft durcheinander. Und so habe ich mehrfach erlebt, dass der Verschlüssler schon kommuniziert hat, bevor es erlaubt gewesen wäre.
Das zweite Problem ist die Gültigkeit der Umschreibungen. Mitunter entfernen sich die gewählten Wörter von den Ursprungsbegriffen und beziehen sich stattdessen auf vorherige Umschreibungen. Um regelkonform zu spielen, hilft Spielerfahrung. Ich sehe DECRYPTO deshalb als Kennerspiel.
Anfängerpartien enden oft nach drei, vier Runden. Man macht es den Gegnern zu leicht. Aber die Lernkurve ist enorm. Bald gehen Partien über die volle Distanz (und können sogar ein bisschen langatmig werden). Die Spieler werden kreativer, die Umschreibungen abgedrehter - und irgendwann ... tja, überdreht. Schon zweimal war ich Mitglied eines Teams, das sich in kürzestmöglicher Zeit selber eliminiert hat, weil zweimal hintereinander nicht mal die eigenen Begriffe erraten werden konnten. (Und ich verkneife mir an dieser Stelle eine Bewertung, ob „klein“ wirklich eine geeignete Umschreibung für „Drache“ ist.)


Was taugt es? Bei aller Denkanstrengung macht es Spaß, sich die x-te Umschreibung für immer dasselbe auszudenken. Man freut sich, wenn die Gegner wunderbar im Nebel tappen, weil man sie genau dorthin geführt hat. Und man grübelt und spekuliert, was sich wohl hinter den Begriffen der Konkurrenz verbirgt – mit philosophisch durchaus interessanten Erkenntnissen. Einmal gingen unsere Vermutungen in Richtung „Partnerbörse“. Richtig aber war „Facebook“.
DECRYPTO ist eine gelungene Alternative zu CODENAMES. Wieder werden Wörter geraten. Wieder spielt man in Teams (berät sich, flüstert, fiebert gemeinsam mit, ärgert und freut sich gemeinsam). Dennoch fühlt es sich anders an. Verschwörerischer. Detektivischer. Kriminalistischer. Wie Räuber und Gendarm mit Wörtern. Tatsächlich transportiert DECRYPTO sogar mehr Spionage-Atmosphäre als das nur angeblich von Agenten handelnde CODENAMES.
Allerdings ist die Alternative auch nicht durch und durch gelungen: DECRYPTO spielt sich strenger und fehleranfälliger, es hat nicht die Eleganz von CODENAMES, basiert nicht auf einem ähnlich überragenden, logischen und intuitiven Spielsystem. Dass das Spiel schwer zu erklären ist, schlägt sich auch in der Anleitung nieder. Ihr gelingt das Vorhaben eher schlecht als recht. Und noch schlechter ist das Material. In meinem Spiel sind bereits zwei von vier Sichtschirm-Standfüßen auseinandergebrochen und nicht mehr zu benutzen.


***** reizvoll

DECRYPTO von Thomas Dagenais-Lespérance für drei bis acht Spieler, Scorpion Masqué.

Samstag, 2. Juni 2018

Iquazú

Manche Rezensionen müssen sein, weil man sie dem Spiel schuldig ist. Und nach diesem Satz dämmert rund eine Million Lesern: Ähm … ist dies wohl so eine?
Ja, genau. Und warum? Weil IQUAZÚ in meinen Spielegruppen zu den bestbewerteten Spielen der Saison gehört. Sicher nicht unter denjenigen, die Kenner- oder Expertenspiele spielen wollen. Aber es gibt ja tatsächlich noch sehr viele andere Spieler.

Wie geht IQUAZÚ? Es ist ein Mehrheitenspiel. Wir platzieren Edelsteine unserer Farbe in fünf Spalten. Ist die linke gefüllt, wird sie ausgewertet, und die Mehrheitenbesitzer punkten. Anschließend werden auch die fünf Zeilen gewertet. Hier gewinnen die Mehrheitenbesitzer Plättchen mit unterschiedlichen Funktionen.
Das Spielfeld verändert sich nun: Die linke Spalte wird abgedeckt und ist aus dem Spiel, rechts kommt eine neue Spalte hinzu. Edelsteine, die man weiter rechts platziert, nehmen also an mehreren Wertungen teil. Allerdings kosten sie auch mehr. Einen Edelstein auf einem Feld der ersten Spalte abzulegen, kostet eine Karte in der Farbe des Feldes. In der fünften Spalte kostet es fünf.


Was passiert? Anfänger unterschätzen den Wert der Spalten weiter rechts und die Bedeutung von Tempo. Wer am Zug ist, platziert entweder einen Stein. Oder er zieht vier Handkarten. Ballert man seine Karten raus, muss man oft nachziehen und verliert Züge. Spart man seine Karten, erreicht man keine attraktiven Plätze.
Der Königsweg ist deshalb, außer der Reihe nachzuziehen, wofür man diejenigen Plättchen erobern muss, die genau das erlauben. Und wenn es erst mal läuft, dann läuft es: Wer viele Hartkarten hat, kann weiter in die zweite, dritte, vierte Spalte spielen, erobert deshalb erneut die Plättchen (bei Gleichstand gewinnt der am weitesten rechts liegende Edelstein), hat wieder mehr Handkarten und so weiter.
Aber man spielt ja nicht nur gegen Anfänger. Und jetzt ergeben sich interessantere Dynamiken. Wird die linke Spalte längere Zeit links liegen gelassen, wird es in den anderen Spalten umso voller. Und so können sich wahre Wertungs-Kettenreaktionen ergeben, bei denen ein Spieler zwischen mehreren Wertungen nicht ein einziges Mal an die Reihe kommt. Timing wird nun umso wichtiger, um im entscheidenden Moment handlungsfähig zu sein.


Was taugt es? Mehrheiten … na ja, nicht gerade hip. Und wohl deswegen fliegt IQUAZÚ unter dem Radar. Mit schnörkellosen Regeln und in kompakter Spieldauer bietet es einige taktische Möglichkeiten; das dynamische Spielfeld empfinde ich als neuartig. IQUAZÚ sieht außerdem hübsch aus, der Spielaufbau ist mechanisch gut umgesetzt.
Ein Thema ist allerdings nicht vorhanden. Und die Raumaufteilung auf dem großen Spielbrett erweist sich als unpraktisch. Es gibt keinen Platz für Nachzieh- und Ablegestapel, und so landen Karten immer wieder auf der umlaufenden Siegpunktskala und verschieben die schlecht sichtbaren Anzeigersteine.
Ich kann würdigen, dass andere Menschen sehr gerne IQUAZÚ spielen und ich bin auch freiwillig mit dabei. Neugierig auf weitere Partien bin ich allerdings nicht. Dazu habe ich so etwas schon zu oft gespielt. Die Muster wiederholen sich.


**** solide

IQUAZÚ von Michael Feldkötter für zwei bis vier Spieler, Haba.