Samstag, 31. August 2013

Gern gespielt im August 2013

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

OLYMPUS: Seit ich das Raubrittertum zu meinem Hauptwirtschaftszweig ausgebaut habe, hat die Motivation einiger Mitspieler etwas nachgelassen.

GUILDHALL: Nicht gerade das ideale Spiel, um die Begriffe „mein“ und „dein“ einzuüben.

DOMINION – DARK AGES: Macht da weiter, wo OLYMPUS und GUILDHALL aufhören. – Vielleicht habe ich doch eine dunkle Seite?

HANABI: Es gibt tatsächlich immer noch Menschen, die HANABI gerade neu für sich entdecken. Da bin ich natürlich gerne behilflich.

ORA ET LABORA: Es stand geschrieben: „Lüsterne werdet ihr sein, erschöpft und doch ruhelos nach jeder Partie, Dürstende in alle Ewigkeit.“ – Und verdammt noch mal: Das Geschwurbel stimmt!

SANKT PETERSBURG: Von wegen: Geld stinkt nicht... Man muss kein Kenner sein, um zu ermitteln, welche meiner Spiele besonders häufig im Einsatz waren. Hartgesottenen genügt ihr Riechorgan.




Montag, 26. August 2013

Olympus

In 17 Jahren werde ich in meiner Serie „Vor 20 Jahren“ berichten können, wie ich vor drei Jahren OLYMPUS kennen lernte. Es war in einer Windmühle, ich litt noch unter meiner typischen Nach-Essen-Erkältung und schnupfte so vor mich hin. Aber Gnade konnte ich von meinen Mitspielern natürlich nicht erwarten.
Trotz Niederlage gefiel mir OLYMPUS aber gut und ich freute mich darauf, dass es – Verlautbarungen zufolge – bald auf Deutsch erscheinen würde. Tja, Mensch, und jetzt ist es tatsächlich schon soweit. Manchmal läuft’s einfach.

Wie geht OLYMPUS? OLYMPUS ist vordergründig Worker Placement. Jeder besitzt drei Priester. Reihum besucht man damit einen der zehn Götter und erhält eine so genannte Alpha-Aktion. Alle anderen Spieler dürfen mit einer ihrer Figuren folgen, erhalten dann aber nur die schwächere Beta-Aktion. Der Gott ist für den Rest des Durchgangs gesperrt.
OLYMPUS erinnert an PUERTO RICO: Der Besuch eines Gottes initiiert eine Spielphase. Die Reihenfolge, in der das geschieht, kann entscheidend sein. Wer keine Rohstoffe besitzt, sieht es vielleicht ungern, wenn schon die Bau-Aktion an die Reihe kommt. Denn – ja, tatsächlich – es geht schon wieder ums Bauen. Wir sammeln Rohstoffe und errichten damit Häuser. Sie bringen Sonderfähigkeiten und Punkte.
Hinzu kommt aber noch: 1. OLYMPUS ist ein Entwicklungsspiel. Ich will in verschiedenen Bereichen vorwärts kommen, a) weil ich mir dadurch weitere Priester freischalte, b) weil manche Phasen für mich dann umso lukrativer werden, c) weil derjenige einen Punktebonus erhält, der einen Bereich als Erster bis zum Maximum entwickelt. 2. OLYMPUS ist ein aggressives Spiel. Ein Gott verursacht Seuchen, was andere Spieler auf der wichtigsten, nämlich der Bevölkerungs-Skala, zurückwirft – und bei zu geringer Bevölkerung als Folgeeffekt sogar noch auf weiteren Skalen. Ein anderer Gott findet Kriege toll. Wer seine Militärstärke ausbaut, überfällt andere Mitspieler und nimmt ihnen Rohstoffe weg. Auch hier zeigt sich die Wichtigkeit der Reihenfolge. Habe ich meine Vorräte soeben in der Bauphase verbraten, bereitet mir der Militaristengott vorerst wenig Kopfzerbrechen.

Was passiert? Der Einstieg verläuft holprig. Grafisch wäre noch viel Potenzial gewesen, um das Spiel zu unterstützen und Regeln, Abläufe, Wertungen zu visualisieren. Hinzu kommt: Jeder Spieler besitzt in seinem Vorrat 33 Gebäudekarten (mit verschiedenen Bedingungen und Funktionen). Und es gibt weitere zwölf Spezialgebäude, die nur der jeweils schnellste Spieler bauen darf. Das sind eine Menge Informationen auf einen Schlag. Anfänger überblicken das nicht. Sie spielen oft unbedarft drauflos, fokussieren sich auf irgendein Teilziel, und denken beispielsweise nicht daran, eine Figur zurückzuhalten, um eventuell eine Seuche zu kontern. Frühe Spielfehler sind selten zu reparieren. Es gibt keine Ausgleichsmechanismen. Anfänger werden bei OLYMPUS regelmäßig untergepflügt.
In einer erfahrenen Runde ergibt sich ein spannender Schlagabtausch, bei dem man nicht immer denselben Weg gehen muss. Die Strategie kann auf hochwertige Gebäude abgestellt sein, auf den frühen Erwerb eines vierten und fünften Priesters, auf den schnellen Bau eines der Spezialgebäude samt gezieltem Ausnutzen der Sonderfunktion oder auf Militär und Überfälle.
OLYMPUS ist vor allem ein Optimierspiel. Man muss möglichst viel aus seinen Priestern herausholen. Alpha-Aktionen sind besser als Beta-Aktionen. Aber man weiß leider nicht, welche Alpha-Aktion im nächsten Zug noch frei sein wird. Außerdem sind manche Phasen so dringend, dass man sich lieber mit der Beta-Aktion begnügt als eine Teilnahme komplett zu verpassen. Ärgerlich, weil schlecht optimiert, ist jeder Rohstoff, der geraubt wird oder mangels Lagerkapazität verfällt. Ärgerlich ist es auch, auf einer Skala wieder zurückzufallen. Oder auf einer der Skalen gegen eine der Barrieren zu prallen. Das Recht, sie zu überschreiten, muss man sich mit bestimmten Gebäuden erst erkaufen.

Was taugt es? OLYMPUS kommt ohne Zufallsfaktoren aus und ist in einer geübten Runde in unter 90 Minuten durchgespielt. Die Möglichkeit von Seuchen und Kriegen führt zu einem ständigen Gefühl von Bedrohtheit. Trotz der destruktiven Elemente wird OLYMPUS erstaunlicherweise nicht zäh.
Die Spieler sind ständig involviert: Man spart auf ein tolles Gebäude, sorgt sich darum, dass die Konkurrenz einem zuvorkommt, hofft, dass sich mal jemand verantwortlich fühlt, dem Führenden eins draufzugeben, und hängt gleichzeitig seit zwei Runden ganz doof an einer Barriere fest, weil man einfach nicht dazu kommt, endlich mal das Überquerungsgebäude zu bauen.
Wegen der fehlenden Story und der schlanken Mechanismen ein etwas nüchternes, aber ein gutes Spiel!

OLYMPUS von Andrea Chiarvesio und Luca Iennaco für drei bis fünf Spieler, Heidelberger Spieleverlag.

Donnerstag, 22. August 2013

Kakerlakak

Spieler sind Suchende. Immer. Selbst wenn sie den heiligen Gral längst besitzen, forschen sie weiter. Vielleicht finden sie noch einen besseren heiligen Gral. Ein neues LOOPING LOUIE zum Beispiel...!?

Wie geht KAKERLAKAK? Im Mittelpunkt des Spiels steht ein kleiner, batteriebetriebener Roboter in Kakerlakenform, der unkontrolliert loskrabbelt, sobald man den Anschaltknopf betätigt. Die Kakerlake wird in einem Labyrinth mit verstellbaren Wänden (in Form von Besteck) losgelassen. Pro Spieler hat das Labyrinth einen Ausgang. Ziel ist es, das Tier durch den eigenen Ausgang zu schicken. Wer das fünf Mal schafft, gewinnt.
Reihum wird gewürfelt. Der Würfel zeigt Löffel, Gabel oder Messer. Der Spieler darf eines der entsprechenden Besteckteile um 90 Grad drehen, um so dem Tier einen Weg in die gewünschte Richtung zu bahnen oder zumindest die Wege der Mitspieler zu blockieren. Drei Würfelseiten zeigen ein Fragezeichen. Das bedeutet freie Besteck-Wahl.

Was passiert? Es wird hektisch, es wird turbulent, es wird dramatisch. Typische Szenen: Die doofe Kakerlake hat freie Bahn, macht aber keinerlei Anstalten, mal nennenswert in die richtige Richtung zu laufen. Oder sie kommt scheinbar zielstrebig angewackelt, überlegt es sich im letzten Moment jedoch anders und dreht direkt vor dem Ziel wieder ab. Die Spieler beginnen, die Kakerlake anzufeuern, sie reden ihr gut zu oder machen Versprechungen (die sie hinterher übrigens nur selten halten; ich habe das beobachtet).
KAKERLAKAK macht Laune, auch wenn in dem Chaos immer wieder Grenzwertiges geschieht: Sperren werden mitsamt der Kakerlake gedreht oder Spieler warten mit der Ausübung ihres Zuges solange, bis eine für sie vorteilhafte Situation entsteht. Die Spielregel besagt, man dürfe andere zur Eile auffordern. Über Konsequenzen steht da nichts. Eine gewisse Grauzone bleibt also – was bei einem Spiel dieser Art wohl auch nicht ganz so schlimm ist.
Zu dritt ist der Spieler, der allein auf einer Seite sitzt, im Nachteil. Das Geschehen spielt sich meist vor den Toren der beiden anderen ab. Und für am wenigsten gelungen halte ich, dass sich die Bestecke leicht verwechseln lassen. Das provoziert Spielfehler.

Was taugt es? Setzt man KAKERLAKAK Neulingen vor, sorgt es fast immer für Begeisterung. Auf Veranstaltungen sammeln sich Zuschauer, viele wollen es sofort probieren. Wer ein Spiel mit Eisbrecher-Qualitäten sucht, macht bei KAKERLAKAK einen guten Griff.
Mehr ist es allerdings nicht. Nach ein paar Partien hat man erlebt, was es zu erleben gab. KAKERLAKAK funktioniert als Gag. Der Reiz, Menschen damit zu überraschen, ist klar größer als der Reiz, es innerhalb derselben Gruppe zu vertiefen. Kinder mögen das anders sehen. Aber dieses Blog ist erst ab 18, Pech gehabt.
Bleibt zum Schluss die Frage, was am unerreichten Referenzspiel LOOPING LOUIE so viel toller ist: LOOPING LOUIE besitzt die durchgeknalltere Story, die interessantere Mechanik und eine direktere Interaktion. Vor allem gibt LOOPING LOUIE den erwachsenen Spielern mehr das Gefühl, aktiv eingreifen zu können und das Schicksal selbst in der Hand zu haben. Und außerdem ist es LOOPING LOUIE.

KAKERLAKAK von Peter-Paul Joopen für zwei bis vier Spieler, Ravensburger.

Sonntag, 18. August 2013

Sheepland

Spieler sind wie Kolonialisten. Deshalb wird Sheepland nach unserem Auftauchen mit Sicherheit nicht mehr jene – wie es die Schachtelrückseite beschreibt – wunderschöne Insel sein, auf der die Bewohner im Einklang mit der Natur und den Schafen leben. Für Inseln haben wir viel bessere Pläne: Rohstoffe abbauen, Städte errichten, Touristen ankarren... Im Grunde können die Sheepländer sehr froh sein, dass wir diesmal nur ein paar Schafe schubsen.

Wie geht SHEEPLAND? Angesichts der niedlichen Schafe hätte man anderes erwartet, aber SHEEPLAND ist ein taktisches Aktienspiel. Anteilsscheine der sechs Landschaften zählen am Schluss so viel Geld, wie Schafe auf den entsprechenden Gebieten stehen. Das schwarze Schaf zählt dabei wie zwei.
Pro Landschaft gibt es drei Felder, jedes zu Beginn mit einem Schaf. Alle Aktien sind somit zunächst drei Geld wert. Null bis sieben sind für das Spielende durchaus realistische Werte.
Die Spielerfiguren bewegen sich auf den Grenzen der Landschaften. Pro Zug sind drei Aktionen erlaubt: Bewegung, Aktienkauf (einer angrenzenden Landschaft), Schaf versetzen (über die Spielerfigur hinweg von dem einen zum anderen Nachbarfeld). Dieselbe Aktion darf auch zweimal durchgeführt werden, dann aber nicht am selben Ort.

Was passiert? Drei Aktionen pro Zug sind knapp. Zu knapp jedenfalls, um alles zu tun: Schafe wertsteigernd umsiedeln, eigene Aktienmehrheiten ausbauen, sich anderswo einklinken. So geht es immer um den besten Kompromiss. Wenn ich mir merke, wer welche Aktien gekauft hat, kann ich sowohl gezielter agieren als auch gezielter abwarten und stille Teilhaber zwingen, auch mal was zu tun. SHEEPLAND ist überraschend schnell und in unter 30 Minuten vorbei und bietet für diesen kurzen Zeitraum hinreichend Tiefe. Besonders gelungen ist die Idee des schwarzen Schafes. Dieses lässt sich vertreiben wie jedes andere auch, dennoch besitzt es einen Rest eigenen Willens. Vor jedem Spielerzug entscheidet ein Würfelwurf, ob das schwarze Schaf aufs Nachbarfeld türmt.
In meinen Runden hat sich allerdings gezeigt, dass es am Anfang der Partie ökonomischer ist, Aktien zu kaufen statt Schafe zu verschieben (auch wenn jeder schon zu Beginn eine geheime Aktie besitzt). Aktien kosten aufsteigend zwischen null und vier Geld. Bei Kosten von null oder eins macht man selten etwas falsch, also wird gekauft. Dieses zunehmend schematische Spielverhalten nimmt der Anfangsphase ihren Reiz. Der Erfolg gibt den Raffhälsen aber Recht. Sich das Ganze in einer Viererpartie auch noch von der letzten Position aus angucken zu müssen, macht wenig Freude. Man hat früh das Gefühl, die Beute sei schon verteilt.

Was taugt es? Ich habe nicht allzu viele Spieler gefunden, die SHEEPLAND gleich noch einmal spielen wollten. Und noch weniger Spieler blieben übrig, die es auch beim nächsten Mal noch mitgespielt hätten. Das Problem ist gar nicht, dass SHEEPLAND schlecht wäre. Es ist nur nicht gut genug. Und: Es hat anscheinend keine Zielgruppe. Den Freaks ist es zu wenig, den Lockerspielern zu seltsam, als Absacker nicht lustig genug. Der größte Reiz geht tatsächlich von den putzigen Schafen aus. Der sehr reduzierte Rest könnte auch gut ein Spiel im Heft sein.

SHEEPLAND von Simone Luciani und Daniele Tascini für zwei bis vier Spieler, Cranio Creations / Heidelberger Spieleverlag.

Dienstag, 13. August 2013

Vor 20 Jahren (8): Papua

1992/93 stand ich in näherem Kontakt zu zwei jungen Damen, die sich gerade in einem Loslösungsprozess aus dem Elternhaus befanden und zu diesem Zweck eine Wohngemeinschaft gründeten. Traditionell locken freie Lebensformen Künstler, Schnorrer und Sonderlinge an. Folglich war auch ich mit meinen Spielen regelmäßig vor Ort. Wir spielten die damaligen Standards ADEL VERPFLICHTET und CAFÉ INTERNATIONAL. Aber auch ein drittes Spiel kam zu Ehren, das später nie wieder diese Bedeutung erlangte und das ich deshalb wohl auch aussortiert habe und nun leider nicht fotografieren kann, ich Dummerchen. Die Rede ist von PAPUA.

Wenn ich schon nicht das Spiel von damals fotografieren kann, dann wenigsten den zugehörigen Soundtrack.

PAPUA ist ein einfaches, aber nicht witzloses Laufspiel von Thilo Hutzler, welches das Pech gehabt hatte, in seiner ersten Version (als CONFLIX bei ASS) in einer abstoßenden Aufmachung erschienen zu sein. Verglichen mit CONFLIX wirkte PAPUA (bei Bandai Huki, später Parker) optisch schon gekonnter und war auch redaktionell verbessert worden, zielte mit seinem Thema „Flucht vor den Menschenfressern“ aber offenbar genauso am Massenmarkt vorbei.

Bei PAPUA geht es darum, mit einer seiner vier Figuren als Erster das rettende Ruderboot zu erreichen. Unterwegs wird brutal herausgeschmissen, trotzdem gibt es eine kooperative Komponente: Außer auf den ersten und letzten Feldern des Weges dürfen Pöppel immer nur in zusammenhängenden Gruppen ziehen und auch nur, wenn sich in der Gruppe Pöppel mehrerer Spieler befinden. Mit seinem Würfelergebnis bewegt man also oft eine ganze Kolonne.
Zwei Sorten Felder sorgen für Dramatik und Stunk: Die Masken dürfen nicht übersprungen werden, sondern zwingen zu einem Zwischenhalt. Das bremst vor allem Zweierteams, die bisweilen lange auf einen passenden Würfelwurf warten müssen. Und wer auf dem Besteck landet, muss zurück zum Start. Diese Felder eignen sich prima, um Gruppen zu verkleinern und einzelne Leute abzutrennen, die dann bewegungsunfähig herumstehen, bis eine andere Gruppe sie aufsammelt... oder rauswirft, haha.


PAPUA war in dieser WG das ideale Spiel, wenn überraschend noch mehr Künstler / Schnorrer / Sonderlinge zu Besuch kamen und man plötzlich zu fünft oder zu sechst herumlungerte. PAPUA war genügend einfach, so dass man es jedem erklären konnte. Und wegen des Glücksfaktors gewannen nicht immer dieselben.
Damals hatten einige von uns natürlich noch nicht ganz die Millionen wie heute auf dem Konto, deshalb bauten sich die Mädels das Spiel nach. Aber mit anderem Thema. Sie kamen auf – na klar – „Loslösung vom Elternhaus“. So erklärte sich auch, warum man als Gruppe lief: Ohne Freunde hätte man den Start ins eigene Leben nie geschafft. Statt im Kochtopf der Kannibalen starteten die Figuren im trauten Heim bei Mama und Papa. Auf Taschengeld-Feldern musste man anhalten. Und auf dem Fernseher ging’s wieder zurück.

So eine Loslösung war wirklich nicht leicht. Nur einer von vielen kam durch. Und dafür stand auch sinnbildlich diese Frauenkommune: Sie befand sich nämlich in einem steinernen Gartenhaus auf dem elterlichen Anwesen. So waren zwar erste wichtige 20 Meter Distanz geschafft, andererseits konnte man sich bei kritischer Versorgungslage schnell mal zu Hause am Kühlschrank bedienen. Jede Revolution fängt klein an.

Teil 7: Bluff
Teil 9: Illuminati

Samstag, 10. August 2013

Auf Teufel komm raus

Dass der Teufel den Schnaps gemacht hat, wissen wir, seit Enthüllungsbarde Udo Jürgens den Fall musikalisch ans Tageslicht brachte. Dass der Teufel selber trinkt, wäre dagegen neu. Doch die Indizienlage spricht eine klare Sprache: Mit seiner Körperhaltung, der Physiognomie, dem Gesichtsausdruck und nicht zuletzt seiner Bekleidung wirkt der Coverteufel von AUF TEUFEL KOMM RAUS wie ein Spiegelbild derjenigen Bewohner meines Stadtteils, die schon am frühen Vormittag im Radius der Trinkhallen herumlungern. Nur Hörner und Gebissreihen markieren noch einen Unterschied.

Wie geht AUF TEUFEL KOMM RAUS? AUF TEUFEL KOMM RAUS ist ein Zockerspiel auf zwei Ebenen: Reihum deckt jeder Spieler solange Kohlestücke auf, bis er freiwillig stoppt oder bis ein Teufelssymbol erscheint und den Zug unfreiwillig und als Misserfolg beendet. Ziel dieses klassischen Can’t stop-Spielchens ist es, a) möglichst viele und b) möglichst wertvolle Kohlen aufzudecken. Beides bringt als Belohnung Wettchips im Wert von je 50.
Noch mehr Profit verspricht jedoch die zweite Spielebene: Vor dem Aufdeckreigen geben alle Spieler Wetten ab, welchen Kohlenwert der beste Spieler aufdeckt, ohne dass der Teufel ihm auf die Finger klopft. Wer zu hoch pokert, verliert seinen Einsatz. Alle anderen bekommen ihn verdoppelt. Und wer die höchste Wette abgegeben hat, kassiert im Erfolgsfall sogar das Dreifache. Wer die meisten, aber mindestens 1600 Chippunkte besitzt, gewinnt das Spiel.

Was passiert? Die Wetten sorgen für ein etwas anderes Spielgefühl als bei Can’t stop-Spielen üblich. Lautet meine Wette 150 und die eines anderen Spielers 230, höre ich mit dem Aufdecken natürlich auf, sobald die 150 erreicht sind. Soll sich der andere für seine 230 doch selber abrackern!
Was in der Theorie einleuchtet, kann in der Praxis an der fiesen Wertestückelung der Kohlen scheitern. Sie gehen von 10 bis 100. Weil auch 25er und 75er dabei sind, wäre denkbar, dass ich bereits 145 aufdeckt habe, noch eine Kohle nehme, die 100 erwische und meinen Mitspieler laut jubeln lasse. Oder dass ich 145 habe, einen Teufel aufdecke und nun zittern muss, dass jemand anderes meine 150er-Wette ins Trockene bringt.
Je nach Spieleranzahl, Sitzposition und Menge der noch im Spielplanfeuer vorhandenen Kohlen geht man bei seinen Wetten höheres oder geringeres Risiko. Wer bankrott geht (was gar nicht so selten passiert), kann dank einer gelungenen Sozialregel wieder auf die Beine kommen.

Was taugt es? AUF TEUFEL KOMM RAUS ist ein gut funktionierendes Zockerspiel, das genügend Abwechslung gegenüber anderen Spielen dieser Art bietet. Der Ablauf stockt lediglich durch die Pflicht, jede Runde seine Chips zählen und ihren Wert auf der Punkteskala markieren zu müssen.
Probleme kann auch das (eigentlich) absolut hochwertig gewählte Material hervorrufen. Einige markante Holzmaserungen machen manche Kohlen unterscheidbar, und wenn dies einen der 100er betrifft, leidet das Spiel. In meinem Exemplar sind auf der Rückseite eines Teufels getrocknete Farbreste zu sehen, wodurch dieser Spielstein komplett unbrauchbar ist.
Das Aufdecken der Kohlen verläuft jedes Mal spannend. Ich habe keine einzige emotionslose Partie erlebt. Die Spieler gehen mit. Und die Hoffnung auf eine Verdreifachung des Einsatzes treibt die Wetten immer höher. Spätestens bei Partie Nummer zehn, eher aber sogar schon vorher, gerät AUF TEUFEL KOMM RAUS allerdings doch zur Routine. Man kennt die Beträge, die üblicherweise aus dem Feuer geholt werden. Man zockt weniger aus dem Bauch heraus, sondern kalkuliert mit Erfahrungswerten und erlebt nicht mehr ganz denselben Reiz wie noch am Anfang.

AUF TEUFEL KOMM RAUS von Tanja Engel und Sara Engel für zwei bis sechs Spieler, Zoch.

Freitag, 2. August 2013

Der Heidelbär – Wilde Wasser Edition und Wald & Wiesen Edition

„Dieser Aal findet eine Wunderlampe.“
„Dieser Hai ist eine Prophezeiung.“
„Dieser Wal bewahrte vor den Westfaschisten.“
„Dieses Reh wächst unter den Armen.“
„Diese Kuh schaut im Theater zu.“
„Diese Sau isst man zum Eisbein.“

Wie geht DER HEIDELBÄR? Reihum ist einer der Erklärer; die anderen raten. Ein Mitspieler sagt „oben“, „Mitte“ oder „unten“ an. Entsprechend muss der Erklärer einen der beiden oberen, mittleren oder unteren Begriffe auf seiner Karte auswählen und umschreiben.
Sämtliche Begriffe enthalten Tiere in verballhornter Form. Beispielsweise SAU Paulo, REHsultat, MusicAAL. Fürs Umschreiben gelten strenge Vorgaben: Es darf nur ein einziger Satz mit maximal sechs Wörtern benutzt werden, und der muss obendrein mit „Diese Sau...“, „Dieses Reh...“ etc. beginnen. Bei korrekter Lösung erhalten Erklärer und Rater je einen Punkt.

Was passiert? Das Konzept „Erklären und Raten“ ist zwar nicht neu, doch der spezielle Witz entsteht hier aus den Begriffen. Ein Quiz um Wörter, die es so eigentlich gar nicht gibt, ist schon eine sehr skurrile Idee. „Richtig“ ist hier streng genommen gar nichts, nicht einmal die Lösung: Denn SAU Paulo ist ebenso wenig eine Stadt in Brasilien wie das Endergebnis beim Sport REHsultat heißt. Und mit Säuen oder Rehen hat das auch nichts zu tun.
Statt mit Wissen spielt dieses Quiz mit Sprache. DER HEIDELBÄR ist kein Hektikspiel, bei dem in kürzester Zeit möglichst viel gesabbelt werden muss. Im Gegenteil ist beim Erklärer eine gewisse Formulierungskunst gefragt, um in den Kurzsatz möglichst viel Information hineinzupacken. Oft erlebe ich, dass Spieler dies überfordert. Sie benutzen mehr Wörter als erlaubt oder variieren die Satzanfänge. Ich habe gelernt, dies im Sinne des Spielspaßes zu akzeptieren; ansonsten kann die Formulierungsfindung nämlich lange dauern und für manchen Betroffenen unangenehm werden.

Was taugen die Erweiterungen? Für Herbst 2010 waren die zwei neuen Editionen angekündigt, im Frühjahr 2013 sind sie erschienen. Und ich habe gewartet, gewartet, gewartet. Was bin ich doch für eine treudoofe Seele! Aber wenigstens war es mal nicht vergebens.
Mit seinen gerade mal 59 Karten hatte DER HEIDELBÄR das Problem, dass es, oft gespielt, zu einfach wurde. Dank der Erweiterungen (je 60 Karten) gibt es nun nicht mehr so schnell Wiederholungen; außerdem sorgen die sechs neuen Tierarten Hai, Aal, Wal, Kuh, Sau und Reh für gewisse Variation.
Wie schon beim Ursprungsspiel meine ich, dass man einige Begriffe hätte geschickter wählen können. Teils mag dies auch Geschmackssache sein: Ich finde es besser, nur Substantive raten zu müssen, nicht gelegentlich auch Adjektive (fatAAL) oder gar Verben (verSAUfen). Manche Begriffe erscheinen mir zu speziell (WetterHAIni) oder sie provozieren Unklarkeiten (gilt statt der gefragten SeeREHttung auch nur REHttung?). Einige Begriffe werden nie für die Erklärung ausgewählt, sind also offenbar zu schwer. Und am meisten stört mich, wenn Begriffe mal keine Verballhornungen sind (PistenSAU, SeeKUH).
Das aber sind Klagen auf hohem Niveau. DER HEIDELBÄR gehört in seiner Kategorie zur Spitzenklasse. Fragt sich nur noch, welche Kategorie das ist: Quizspiel? Partyspiel? Wortspiel? Quatschspiel? Ich schlage vor: Falschlernspiel. Also: DER HEIDELBÄR ist eins der besten, witzigsten, intelligentesten und pädagogisch wertvollsten Falschlernspiele überhaupt.

DER HEIDELBÄR – WALD & WIESEN EDITION von Frank Stark für drei bis sechs Spieler, Heidelberger Spieleverlag.
DER HEIDELBÄR – WILDE WASSER EDITION von Frank Stark für drei bis sechs Spieler, Heidelberger Spieleverlag.