Samstag, 30. November 2024

Gern gespielt im November 2024

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: Ich mag die Tiefe.

FISCHEN: Legacykartenspiel mit Stichen als schwerem Erbe.

AGENT AVENUE: Agent, Agent, ein Spielstein rennt.

PUERTO BANANA: Wenn du für 31 Bananen 74 Bananen bietest, obwohl du nur 26 Bananen besitzt.

FARAWAY: Da muss man erst mal den Rückwärtsgang reinkriegen.






UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM NOVEMBER:

MEDICAL MYSTERIES – NEW YORK EMERGENCY ROOM: Es fühlt sich unmoralisch an: Trotzdem bin ich froh über die Gewissheit, dass es auch in MIAMI noch ein paar hilfsbedürftige Kranke gibt.




Montag, 25. November 2024

Shake That City

Shake That City: Cover

Ich kann auch nicht jedes Mal eine Einleitung aus dem Ärmel schütteln.

Wie geht SHAKE THAT CITY? Wir bauen auf sechs mal sechs Felder großen Tableaus Städte mit Wohnvierteln, Geschäften, Parks, Fabriken und Straßen. Jede Plättchensorte punktet auf andere Weise. Parks sollten neben Wohnvierteln oder Fabriken liegen, Geschäfte möglichst im Stadtzentrum, aber sie benötigen einen Straßenanschluss, Wohnhäuser sollen keinesfalls an Fabriken angrenzen ...
Ein mechanischer Pappapparat (der „Shaker“) spuckt jede Runde zufällige neun Holzsteine aus, fein geordnet als Raster der Größe drei mal drei. Steine gibt es in fünf unterschiedlichen Farben, manche häufiger, andere seltener. Jede Farbe steht für einen der fünf Bebauungstypen.

Shake That City: Shaker

Die Startperson wählt zuerst eine der Farben und muss entsprechend viele zugehörige Gebäudeplättchen in die eigene Stadt legen – und zwar in exakt derselben Anordnung, wie die Klötze aus dem Shaker herausgekommen sind. Wählte ich im Bildbeispiel Blau, müsste ich vier blaue Geschäfte in jeweils zwei parallelen Zweiergruppen bauen. Wählte ich Grau, dürfte ich ein graues Straßenplättchen auf irgendein freies Feld meiner Stadt legen.
Alle anderen Spieler:innen wählen nun ebenfalls eine Farbe und legen die Plättchen. Die Wahl der Startperson ist für alle Nachfolgenden tabu.
Das spielen wir 15 Runden lang und rechnen am Ende die Punkte aus. Neben den fünf Gebäudearten punkte ich auch für korrekt gefüllte Reihen und Spalten. Welche Vorgaben da jeweils gelten, losen wir zu Spielbeginn aus. Beispielsweise sollen in die erste Spalte sechs beliebige Gebäude, in die zweite sollen mindestens vier schwarze Fabriken. Und so weiter.

Was passiert? SHAKE THAT CITY ist ein Mehrpersonen-Solitärspiel. Bin ich nicht selber Startspieler, warte ich ab, welche Farbe zuerst genommen wird, und analysiere dann, welche der übrigen mir am besten in den Kram passt. Wir spielen gleichzeitig, und was die anderen tun, beeinflusst mich nicht.

Shake That City: Stadt

Auf welche Gebäudesorten ich abziele, ist teilweise Geschmackssache. Man kann mit jeder Farbe ordentlich punkten. Je weiter das Spiel fortschreitet, desto mehr Zwänge und Notwendigkeiten ergeben sich allerdings: Geschäften fehlt noch eine Straßenanbindung, Wohnblocks laufen Gefahr, dass nebenan Fabriken entstehen.
Solche Legeunfälle passieren, weil ich gezwungen bin, eine Farbe zu wählen, und zwar eine, von der ich sämtliche Plättchen wie vorgegeben verbauen kann. Und weil mein Tableau immer voller wird, passt von den hingeschüttelten Farben vielleicht nur noch eine einzige – die muss ich nun nehmen. Und womöglich an einen idiotischen Ort legen.
Diese Zuspitzung macht das Spiel im Finale spannend. Wer will, kann Risiko vermeiden und – um am Ende flexibler zu sein – anfangs lieber Farben mit wenig Plättchen wählen. Weil man aber nicht weiß, was der Automat ausspuckt, kann Vorsicht auch nach hinten losgehen. Womöglich kriege ich im Finale wenig Material und meine Stadt bleibt zu leer.

Was taugt es? SHAKE THAT CITY ist ein strukturiertes Spiel mit sehr klaren Abläufen. Die Übersichtstafeln klären alle Fragen. Die Punktwertungen und Wechselbeziehungen der Plättchen sind thematisch schlüssig.

Shake That City: Übersicht

Wie gut der Shaker funktioniert, hat mich überrascht. Klar, es bleibt auch mal ein Klötzchen stecken, und dann muss man die Maschine noch einmal bedienen. Aber im Regelfall bekommt man neun zufällige und sehr akkurat aufgereihte Holzsteine. Müsste man die Farbvorgabe mit gemischten Karten herstellen oder indem man Würfel aus einem Beutel zieht: Man verlöre bald die Lust.
Im Grunde trägt der Shaker das komplette Spiel. Er ist sogar faszinierender als die Legeaufgabe – die völlig in Ordnung ist, vor allem dank ihrer Reduziertheit aufs Nötigste. Aber sie folgt Ideen, die auch schon in anderen Stadtbauspielen beackert wurden.
Mechanisch originell finde ich, dass man anders als in anderen Legespielen nicht nur jeweils ein Plättchen bekommt, sondern oft gleich mehrere und die in einer vorgegebenen Anordnung. Das verleiht SHAKE THAT CITY auch Puzzle-Charakter. Die Idee ist interessant, aber trotzdem nicht so umwerfend, dass SHAKE THAT CITY im Vergleich zu den vielen anderen Legespielen herausragt.
Daran ändern auch das alternative Tableau (Stadt am Meer) und das enthaltene Modul nichts, obwohl ich es natürlich sehr begrüße, dass die Autoren Varianten mitliefern. SHAKE THAT CITY ist für mich ein typisch solides Spiel. Mit einem tollen mechanischen Gerät.


**** solide

SHAKE THAT CITY von Mads Fløe und Kåre Torndahl Kjær für eine:n bis vier Spieler:innen, Board Game Circus / AEG.

Donnerstag, 21. November 2024

Rebel Princess

Rebel Princess: Cover

Schade, in der Einleitung habe ich diesmal nichts Stichhaltiges zu bieten.

Wie geht REBEL PRINCESS? Es ist ein Stichspiel, bei dem wir Stiche meistens vermeiden wollen, denn alle blauen Karten im Stich (die Prinzen) zählen Minuspunkte. Und noch mehr Minuspunkte zählt die grüne Acht (der Frosch).
Eingekleidet ist das in eine schöne und auch sehr einleuchtende Geschichte. Wir sind Prinzessinnen, wollen in Ruhe eine Tanzparty veranstalten, aber typisch Typ: Die übergriffigen Prinzen schleichen sich ein und nerven mit ihren Heiratsanträgen.
Eigentlich folgt das Spiel sehr einfachen Regeln, nämlich die höchste Karte der angespielten Farbe gewinnt den Stich. Allerdings wird diese Einfachheit doppelt durchbrochen. Erstens besitzen wir jeweils eine Sonderfähigkeit, die einmal pro Runde auf irgendeinen Stich angewendet werden darf. Zweitens gilt für jede Runde eine andere zufällig bestimmte Zusatzregel.

Rebel Princess: Regelkarten

Beispielsweise müssen wir unsere Blätter vorab in zwei Hälften teilen und spielen erst die eine und dann die andere. Oder die roten Karten sind Trumpf. Oder nach jedem Stich wird eine Karte nach rechts weitergegeben. Oder jede gespielte Sechs kehrt die Reihenfolge der Zahlen im Stich um. Und so weiter.

Was passiert? Die raschen Regeländerungen bewirken einerseits, dass REBEL PRINCESS nicht so ganz einfach ist. Man muss sich ständig auf etwas Neues einstellen. Bei manchen Regeln geht erst hinterher ein Licht auf, wie man cleverer damit umgegangen wäre. Und bei manchen Regeln verstehen ohnehin nicht alle auf Anhieb, was gemeint ist, und man muss gemeinsam den Wortlaut deuten.
Gleichzeitig machen die garantierte Abwechslung und das Erfordernis, die Spielweise stets flexibel anzupassen, REBEL PRINCESS sehr unterhaltsam. Man freut sich darauf, dass die nächste Runde anders sein wird. Man ist gespannt darauf.


Rebel Princess: Karten

Was taugt es? Manchmal sind die Gestaltungsmöglichkeiten gering. Denn zweifellos gibt es – trotz Kartenweitergabe zu Beginn – bessere und schlechtere Blätter. Wer Stichspiele gut beherrscht und die Karten mitzählt, wird zwar auch bei REBEL PRINCESS erfolgreicher abschneiden, ist aber nicht unverwundbar. Die Sonderfähigkeiten lassen sich teilweise bestens nutzen, um jemand eins auszuwischen oder den Spielverlauf erheblich zu verändern.
Die Sonderfähigkeiten halte ich übrigens für nicht gleichermaßen stark. Oder zumindest haben sich in meinen Runden manche als deutlich leichter nutzbar erwiesen als andere. Bei einem ohnehin auf Chaos und Witz angelegten Spiel fällt das vielleicht nicht ganz so sehr ins Gewicht.
Das Konzept, immer wieder anders sein zu wollen, löst Spielreiz aus, begrenzt ihn in gewisser Weise aber auch. Angesichts der vielen Stichspiele auf dem Markt würde ich dauerhaft dann doch lieber eins spielen wollen, das verlässlich durchkomponiert ist, und eher keins, bei dem manche Regelmodifikationen gelungener und manche weniger gelungen sind.
Ab und zu oder wenn’s speziell gewünscht ist, wäre ich aber auch bei REBEL PRINCESS dabei. REBEL PRINCESS ist eine sichere Bank, um eine Stichspielrunde gut zu unterhalten, Aufmachung und Spielgeschichte sind sympathisch.


**** solide

REBEL PRINCESS von Daniel Byrne, Gerardo Guerrero, Kevin Peláez und Tirso Virgós für drei bis sechs Spieler:innen, Wonderbow / Zombi Paella.

Sonntag, 17. November 2024

Lumicora

Lumicora Cover

Meinen Einleitungen geht es wie den Korallenriffen: Einst strahlten sie in Farben, mittlerweile herrscht nur noch graue Tristesse.

Wie geht LUMICORA? LUMICORA ist ein Legespiel, bei dem die Legeteile auch gestapelt werden. Mit Dominos bauen wir Korallenriffe. Alle Dominos zeigen eine Zahl zwischen eins und sechs. Auf ihrer anderen Hälfte zeigen die Einser-, Zweier- und Dreier-Dominos ein Tier, die höheren Dominos nichts.
Wenn ich in die Höhe baue, komme ich nicht umhin, Dominos teilweise zu überdecken. Tendenziell möchte ich, dass große Zahlen und Tiere sichtbar bleiben. Um kleine Zahlen ist es meistens nicht schade. Oft stören sie sogar. Jede der vier Korallenfarben darf ich einmal während der Partie werten. Dann zählt in jeder Ebene diejenige sichtbare Zahl mit dem niedrigsten Wert.

Lumicora Korallen

Je höher mein Riff wächst, desto mehr Ebenen kann ich also werten. Im Widerspruch dazu belohnt die Schlusswertung Ausbreitung in der Fläche. (Und die Tiere zählen am Ende auch noch Punkte.)
Ungewöhnlich sind die Regeln, nach denen wir unsere Bauteile bekommen. Bin ich am Zug, spiele ich eins meiner Teile in die Mitte (wo schon andere Teile liegen) und wähle dann (üblicherweise) von dort bis zu drei Teile einer anderen Farbe. Diese muss ich nun verbauen. Ich baue also (üblicherweise) kein Teil aus meinem Vorrat, sondern hoffe auf ein schönes Angebot in der Mitte.

Was passiert? Ich muss mein Riff genau planen, damit ich nichts überbaue, was nicht überbaut werden soll. Ich muss gut haushalten, denn ab einer gewissen Riffgröße muss ich jede weitere Ausbreitung mit Kalksteinen bezahlen. Ich muss abwägen, was ich in die Mitte spiele. Ein Geschenk für die Konkurrenz soll es möglichst nicht sein. Und ich muss meine Wertungen gut timen und abschätzen, wann ich eine Farbe als abgeschlossen betrachte, um mich in meinen restlichen Zügen auf anderen Farben zu konzentrieren.

Lumicora Legeteile

Es gibt also einiges zu bedenken, allerdings verheddern sich viele meiner Mitspieler:innen schon an anderer Stelle. Sowohl das Nehmen als auch das Legen der Teile folgt gekünstelten Regeln, was während der Partie immer wieder zu Nachfragen führt. Und auch mehrmals zu denselben Fragen, obwohl sie schon beantwortet waren. LUMICORA geht nicht in Fleisch und Blut über. Vielfach musste ich korrigierend eingreifen.
Normalerweise müssen gleiche Korallenfarben zueinander benachbart oder aufeinander gelegt werden. Manchmal geht das aber nicht, und dann muss man es auch nicht. Und wiederholt wird dabei vergessen, dass nur Plättchen auf derselben Ebene als benachbart gelten. Intuitiv wird Sichtbarkeit als Kriterium für Nachbarschaft angenommen und eine gelbe Koralle in Ebene eins neben eine gelbe Koralle in Ebene zwei gelegt. Manche Spieler:innen verwirrt auch, dass man trotz der Pflicht, ein Teil in die Mitte zu legen, keins von dort nehmen muss, sondern durchaus auch eins aus dem eigenen Vorrat verbauen darf.
Dass ich meine Bauteile (üblicherweise) aus der Mitte bekomme, führt zu einer hohen Abhängigkeit von Mitspieler:innen und Nachfüllsack. Mit Glück bekomme ich eine Vorlage serviert und kann drei Plättchen auf einmal ergattern. Oder ich sehe schon vorher: Oh, da liegt mal wieder nichts Brauchbares für mich. Ab und zu gibt es die Möglichkeit, den Vorrat auszutauschen. Trotzdem fühlt sich der Erwerb der Spielsteine bei LUMICORA oft ungerecht an.

Lumicora Wertungsplan

Im Finale steigt die Schicksalshaftigkeit noch, weil ich zwei oder drei Farben schon gewertet habe und dringend auf Teile der anderen Sorten hoffe. Perfekt ist es dann, wenn ich es so gedeichselt habe oder es sich so ergeben hat, dass ich nun Farben brauche, die die anderen Spieler:innen nicht mehr brauchen.

Was taugt es? Die grundlegende Bau- und Puzzleaufgabe in LUMICORA empfinde ich als reizvoll. Sie ist jedoch mit weiteren Mechanismen verknüpft, die erstens unintuitiv sind und zweitens nichts Wesentliches zum Spielreiz beitragen.
Das sehr schön gestaltete und sehr schön ausgestattete LUMICORA will gewiss kein Spiel für Einsteiger:innen sein; es richtet sich an ein geübteres Publikum. Insofern darf es ein paar Regeln mehr haben – wenn sie das Spiel verbessern. Bei LUMICORA habe ich jedoch den Eindruck, die Regularien ergeben sich nicht aus einer Folgerichtigkeit, sondern aus der Hoffnung, ein paar Ecken und Kanten erhöhten den Spielreiz.


*** mäßig

LUMICORA von Rita Modl für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games / Pegasus Spiele.

Samstag, 9. November 2024

Kutná Hora: Stadt des Silbers

Kutna Hora: Cover

Schweigen ist Gold. Wortkargheit ist Silber.

Wie geht KUTNÁ HORA? Wir bauen Gewerbegebäude in der schönen Stadt Kutná Hora. Die zählen Punkte für jedes ihrer Wappen, das dem Wappen eines der Nachbargebäude entspricht.
Um zu bauen, benötige ich Grundstücke und Baurechte. Grundstücke kosten Geld, Baurechte kosten auch Geld. Ich brauche also Geld. Geld bekomme ich, wenn ich die Aktion „Einkommen“ wähle. Was ich aber möglichst selten tun möchte, weil es ein ansonsten weitgehend verlorener Zug ist. Damit ich die Einkommen-Aktionen selten wählen muss, möchte ich mein Einkommen maximieren.
Das wiederum ist in KUTNÁ HORA kniffliger als in anderen Spielen. Baue ich ein Gebäude, das etwa Nahrung produziert, sinken wegen des gestiegenen Angebots sofort die Nahrungspreise. Allgemeiner gesagt: Wann immer ich von einer Ware mehr produziere als vorher, sinkt zunächst deren Erlös. Die Ware wird erst dann wieder wertvoller, wenn auch andere Waren häufiger hergestellt werden.

Kutna Hora: Anzeiger

KUTNÁ HORA schafft also ein Abbild von Angebot und Nachfrage. Und das auf mechanisch einfache Weise: Es genügen zwei Kartendecks in Papphaltern mit Schiebern und Sichtfenstern darin sowie einfache Symbole auf den Gebäuden, wann in Folge ihres Baus Schieber verschoben oder Karten herausgezogen werden müssen.

Was passiert? Spielerisch mit dieser „dynamischen Wirtschaft“ umzugehen, ist gar nicht so einfach. Ich kann versuchen, anderen die Baurechte wegzuschnappen, damit ich es wenigstens selbst in der Hand habe, wie oft ein Gewerbe in die Stadt kommt. Durch Nichtbauen könnte ich das Warenangebot dann verknappen. Andererseits will ich ja generell durchaus bauen, schließlich bringt das Punkte.

Kutna Hora: Spielplanausschnitt

Timing ist in KUTNÁ HORA fast immer wichtig: wann ich ein Baurecht nehme (sobald es möglichst billig ist natürlich; aber warte ich zu lange, nimmt es wohl jemand anderes), wann ich mir ein Grundstück sichere (dito), wann ich Einkommen nehme (sobald es mir besonders viel bringt), wann ich am Dom mitbaue (dito).
Genau wie die Stadt bauen wir auch den Dom und übrigens auch das Bergwerk gemeinsam. KUTNÁ HORA ist durchzogen von Wechselspielen aus Kooperation und Konkurrenz: Die Bautätigkeit aller hat Einfluss auf die Preise. Die Wappen eines fremden Nachbargebäudes können meinem Gebäude Punkte bringen, gleichzeitig zählen dann auch meine Wappen fürs Nachbargebäude. Öffentliche Gebäude werden von einer Person gebaut, können aber allen helfen. Ich darf Patrizier in den Stadtrat einsetzen, um mir genehme Wertungen zu initiieren – aber andere profitieren davon möglicherweise ebenso.
Alle Aktionen wähle ich durch das Ausspielen zweigeteilter Karten. Sie zeigen eine Kombination aus zwei Aktionen. Eine der Aktionen führe ich durch, die andere muss ich verfallen lassen. Jede Aktion ist insgesamt nur zweimal auf meinen Karten abgebildet, so dass ich nicht dauernd dasselbe machen kann, sondern variieren muss.


Kutna Hora: Karten

Was taugt es? Der Kartenmechanismus ist einfach und einleuchtend, schwere Dilemmata löst er aber nicht aus. In meinen Partien musste sich selten jemand ärgern, die falsche Karte abgelegt zu haben und nun nicht die Wunschaktion ausführen zu können. Zumal man sowieso nicht darum herumkommt, für jeden Bau den dreigeteilten Ablauf aus „Grundstück reservieren“, „Baurecht sichern“ und „Gebäude bauen“ zu durchlaufen. Weshalb sich die Aktionsschritte auch erstens wie vorgegeben und zweitens langatmig anfühlen.
KUTNÁ HORA punktet mit der engen und auch thematischen Verflechtung seiner Spielelemente. Es ist überdies schön gestaltet mit Gold- und Silberdruck, filigran modellierten Spielsteinen aus Recyclingmaterial und praktischen Double-Layer-Boards. Und trotzdem verlockt es nicht zu vielen Partien.
Dass sich auf diffizile und manchmal auch chaotische Weise die Aktionen einzelner Spieler:innen auf alle und alles auswirken, ist auf einer Meta-Ebene originell, fühlt sich im Spiel aber nicht so reizvoll an. Es entsteht eher das Gefühl, in diesem fremdbestimmten System eingeengt zu sein. Die Neugierde auf kommende Partien hält sich deshalb in Grenzen.


**** solide

KUTNÁ HORA: STADT DES SILBERS von Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch für zwei bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition / Heidelbär Games.

Eine ausführlichere Rezension zu KUTNÁ HORA habe ich für die spielbox 5/24 geschrieben.

Dienstag, 5. November 2024

Vor 20 Jahren (143): Sole Mio!

Sole Mio: Cover

MAMMA MIA! gehört zu den Spielen mit meiner schlechtesten Siegbilanz. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich trotz zahlreicher Versuche überhaupt je gewonnen habe. Als dann sechs Jahre später (und vor 20 Jahren) die MAMMA MIA!-Variante SOLE MIO! (beide Spiele von Uwe Rosenberg) erschien, war eigentlich klar: Es kann nur besser werden!

Eigentlich. Doch wie sich herausstellte, ist das eine doofe Floskel. Nur weil etwas schlecht ist, muss es gar nicht besser werden. Es kann zum Beispiel einfach genauso schlecht bleiben. Und potztausend: So war es! Auch an einen Sieg bei SOLE MIO! kann ich mich nicht erinnern. Und ich würde mich erinnern. Denn ich hätte das besondere Ereignis doch sicherlich mit einem unvergesslichen Tänzchen um den Tisch zelebriert.

Aber ich bin weiterhin an der Sache dran, und sobald ich’s geschafft habe, werde ich es hier natürlich sofort melden. Bei MAMMA MIA! wird das allerdings auf längere Sicht nicht klappen können. Wenn wir eines der beiden Spiele spielen, dann SOLE MIO!

Warum? Weil wir es mehr mögen. Dass man anderen beim Erfüllen ihrer Rezepte helfen darf (und dann als Belohnung selbst ein Rezept loswird) empfinden meine Spielerunde und ich als klare Verbesserung. Es bringt auch noch mal eine andere Taktik ins Spiel. Und Interaktion: Wann helfe ich? Wann nicht? Und wie viel lasse ich mich das kosten? Spendiere ich tatsächlich drei Zutaten? Absolut ungern. Aber vielleicht dann doch, bevor es wer anders tut.

Und wenn ich selbst derjenige bin, der Hilfe braucht: Nach wie vielen Zutaten frage ich? Nur nach der einen, der mir fehlt? Oder dreist nach zweien, damit ich heimlich eine Karte spare? Vielleicht verzocke ich mich dann, weil niemand das Gewünschte geben kann. Oder will.

Sehr angenehm finde ich auch, dass die Pizzarezepte in SOLE MIO! von der eigenen Spielfarbe entkoppelt sind. In MAMMA MIA! wäre es für mich als Gelbspieler sehr nachteilig, wenig Ananas zu bekommen. Denn bei sieben von acht Rezepten läuft ohne Pflichtananas gar nichts.

Andererseits hat MAMMA MIA! auch einen großen Vorteil: Die Rezepte sind intuitiv verständlich, während wir in SOLE MIO!, wenn wir es nach etwa einem Jahr Spielpause mal wieder hervorholen, so manche Kartenbedeutung zum x-ten Mal nachschlagen müssen. Vielleicht ist die größere Kompliziertheit der Grund, warum sich SOLE MIO! im Gegensatz zu MAMMA MIA! nicht durchgesetzt hat.

Dass es bei Abacusspiele nicht mehr im Programm ist, empfinde ich sogar als doppelten Verlust. 1. Neue Fans können nicht SOLE MIO! spielen. 2. Und sie können nicht beide Spiele mischen und MAMMA MIA! GRANDE spielen.

Welches ich übrigens auch noch nie gewonnen habe. Aber das hätte ich sicherlich gar nicht extra sagen müssen.


Samstag, 2. November 2024

Die Blumenstraße

Die Blumenstraße: Cover

Blumen sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte.

Wie geht DIE BLUMENSTRASSE? Wir pflanzen Tulpenzwiebeln und bekommen Punkte dafür. Und weil das zu wenig verschachtelt wäre, machen wir auch noch viele andere Dinge und kriegen auch dafür Punkte.
Der mechanisch auffälligste Bestandteil von DIE BLUMENSTRASSE ist ein Windmühlentableau, mit dem ich meine Aktionen bestimme. Es besteht aus zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, eins größer mit sechs Segmenten, eins kleiner mit fünf. In jedem Zug muss ich das Rad um mindestens eine Position weiterdrehen. Je ein Segment des großen und eins des kleinen Rades treffen sich nun an einer hervorgehobenen Stelle. Auf jedem Segment ist eine mögliche Aktion abgebildet. Eine der beiden Aktionen wähle ich und führe sie aus. Man kann sagen: Es handelt sich um ein verschlungenes Duo-Aktionsrondell.

Die Blumenstraße: Windmühlentableau

Mein Rondell kann ich im Laufe der Partie verändern, und das ist auch eine der möglichen Aktionen: Ich erwerbe ein Plättchen und platziere es auf einem Radsegment. Damit überdecke ich die bisherige Aktion, das Plättchen zeigt die neue Aktion. Plättchen sind üblicherweise verbesserte Versionen der Grundaktionen, Plättchen machen meine Mühlräder also stärker. Zweitens kann ich mich auch spezialisieren und bestimmte Aktionen mehrfach bei mir einbauen, andere dafür überbauen.
Bei Spielbeginn zeigen die Räder sieben verschiedene Aktion. Neben dem Rad-Upgrade gibt es eine Kartenaktion, die mir entweder einen Dauereffekt (mache ich fortan X, erhalte ich Y) oder eine Schlusswertung bringt. Und es gibt Aktionen, die zwar unterschiedlichen Regeln folgen, aber im Großen und Ganzen darauf hinauslaufen, dass ich Tulpenzwiebeln bekomme und / oder einpflanze und / oder Geld und / oder Punkte erhalte. Oder Plättchen oder Karten. Manche Aktionen sind mehrteilig. Dauereffekte können zusätzlich Kettenzüge auslösen.


Die Blumenstraße: noch ein Tableau

Was passiert? Weil die Räder unterschiedlich groß sind, ergeben sich beim Drehen nicht immer dieselben, sondern immer neue Aktionspaare. Das ist spielerisch interessant, weil man nicht so leicht in ein Schema verfällt, wie weit man dreht und welche Segmente man überspringt. Das Aktionsrad finden ohnehin alle Mitspieler:innen faszinierend. Es macht einfach Spaß, sich da eine eigene Maschine zu konstruieren, die hoffentlich viel effektiver ist als die der Konkurrenz.
Allerdings haben sich in meinen Partien manche Spieler:innen erstaunlich schnell in Sackgassen manövriert. Das Problem ist Geld. Anfänger:innen können noch nicht einschätzen, wie nachteilig es ist, blank zu sein. Manche Aktionen kosten Geld, und auch das Einlagern von Tulpenzwiebeln muss ab der sechsten Zwiebel bezahlt werden. Und wenn man da am Limit ist, will man natürlich keine Aktion wählen, die Tulpenzwiebeln brächte, zusätzlich scheidet jede Aktion aus, die Geld kostet – und so ist man sehr am Herumrechnen, was überhaupt geht und was einen Ausweg aus der Misere darstellt.
Diese Beobachtung spricht nicht generell gegen DIE BLUMENSTRASSE. Es ist ein Spiel im Kenner:innen- / Expert:innenbereich; da muss man eben durch Erfahrungen lernen. In meinen Partien habe ich zudem wahrgenommen, dass Führende schwer einzuholen waren. Aber auch das mag die Folge suboptimalen Spielens der Konkurrenz gewesen sein. Denn auch die richtige Einschätzung, welche Ausbauten und Wertungskarten wie stark sind, beruht auf Erfahrung. (Allerdings ist es natürlich auch Glück, an diese Dinge heranzukommen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt ins Angebot rutschen.)

Was taugt es? Das Windmühlentableau mitsamt seiner Mechanik empfinde ich als sehr faszinierende Idee. Allerdings ist die Idee meiner Meinung nach in DIE BLUMENSTRASSE nicht optimal ausgearbeitet. Zu viele mittelmäßige und teilweise auch unnötige Mechanismen entfernen das Spiel von seinem zentralen Element. Das Aktionsrad steht weniger im Zentrum, als es sollte.

Die Blumenstraße: Spielplan

Insbesondere wenn Spieler:innen auf Tempo spielen (sobald jemand sein großes Rad viermal komplett gedreht hat, endet die Partie), macht man auf seinem hochgezüchteten Rondell gar nicht so viele Aktionen, wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Und selbst wenn langsam gespielt wird, passiert für mein Empfinden zu viel abseits des Rades. Das liegt an den Kettenzügen. Je mehr ich durch eine einzige Aktion bekomme, desto weniger Züge dauert das Spiel insgesamt und desto seltener muss während der Partie das Rad zum Einsatz kommen.
Es ist auch nicht gelungen, allen sieben Aktionen ein klares Profil zu geben. Ich jedenfalls habe nicht das Gefühl, es gibt genau diese sieben Aktionen, weil sie sich logisch aus dem Spiel herleiten. Sondern es gibt sie, weil das große Rad sechs Segmente hat und für jedes eine andere Aktion gefunden werden sollte. (Plus eine für alle Segmente des kleinen Rades.)
Alles ist stark verwoben. Es gibt die Aktion „Tulpenzwiebeln pflanzen“. Aber Tulpenzwiebeln kann ich auch als Folgewirkung beim Windmühlenbau pflanzen, auch beim Marktbesuch sowie (per Dauereffekt) nach dem Fernhandel, dem Schleusen oder dem Erwerb einer Karte.
Es ist also nicht so eindeutig, für welche Effekte eine Aktion am Ende steht, weshalb ich beim Bestücken meines Rades auch gar nicht alle Folgewirkungen und Verquickungen vorhersehen kann. Das macht das Planen des Rades diffuser, als es meines Erachtens sein müsste. Das Potenzial des Radmechanismus wird teilweise verschenkt.


**** solide

DIE BLUMENSTRASSE von Dani Garcia für eine:n bis vier Spieler:innen, Giant Roc.