Samstag, 9. November 2024

Kutná Hora: Stadt des Silbers

Kutna Hora: Cover

Schweigen ist Gold. Wortkargheit ist Silber.

Wie geht KUTNÁ HORA? Wir bauen Gewerbegebäude in der schönen Stadt Kutná Hora. Die zählen Punkte für jedes ihrer Wappen, das dem Wappen eines der Nachbargebäude entspricht.
Um zu bauen, benötige ich Grundstücke und Baurechte. Grundstücke kosten Geld, Baurechte kosten auch Geld. Ich brauche also Geld. Geld bekomme ich, wenn ich die Aktion „Einkommen“ wähle. Was ich aber möglichst selten tun möchte, weil es ein ansonsten weitgehend verlorener Zug ist. Damit ich die Einkommen-Aktionen selten wählen muss, möchte ich mein Einkommen maximieren.
Das wiederum ist in KUTNÁ HORA kniffliger als in anderen Spielen. Baue ich ein Gebäude, das etwa Nahrung produziert, sinken wegen des gestiegenen Angebots sofort die Nahrungspreise. Allgemeiner gesagt: Wann immer ich von einer Ware mehr produziere als vorher, sinkt zunächst deren Erlös. Die Ware wird erst dann wieder wertvoller, wenn auch andere Waren häufiger hergestellt werden.

Kutna Hora: Anzeiger

KUTNÁ HORA schafft also ein Abbild von Angebot und Nachfrage. Und das auf mechanisch einfache Weise: Es genügen zwei Kartendecks in Papphaltern mit Schiebern und Sichtfenstern darin sowie einfache Symbole auf den Gebäuden, wann in Folge ihres Baus Schieber verschoben oder Karten herausgezogen werden müssen.

Was passiert? Spielerisch mit dieser „dynamischen Wirtschaft“ umzugehen, ist gar nicht so einfach. Ich kann versuchen, anderen die Baurechte wegzuschnappen, damit ich es wenigstens selbst in der Hand habe, wie oft ein Gewerbe in die Stadt kommt. Durch Nichtbauen könnte ich das Warenangebot dann verknappen. Andererseits will ich ja generell durchaus bauen, schließlich bringt das Punkte.

Kutna Hora: Spielplanausschnitt

Timing ist in KUTNÁ HORA fast immer wichtig: wann ich ein Baurecht nehme (sobald es möglichst billig ist natürlich; aber warte ich zu lange, nimmt es wohl jemand anderes), wann ich mir ein Grundstück sichere (dito), wann ich Einkommen nehme (sobald es mir besonders viel bringt), wann ich am Dom mitbaue (dito).
Genau wie die Stadt bauen wir auch den Dom und übrigens auch das Bergwerk gemeinsam. KUTNÁ HORA ist durchzogen von Wechselspielen aus Kooperation und Konkurrenz: Die Bautätigkeit aller hat Einfluss auf die Preise. Die Wappen eines fremden Nachbargebäudes können meinem Gebäude Punkte bringen, gleichzeitig zählen dann auch meine Wappen fürs Nachbargebäude. Öffentliche Gebäude werden von einer Person gebaut, können aber allen helfen. Ich darf Patrizier in den Stadtrat einsetzen, um mir genehme Wertungen zu initiieren – aber andere profitieren davon möglicherweise ebenso.
Alle Aktionen wähle ich durch das Ausspielen zweigeteilter Karten. Sie zeigen eine Kombination aus zwei Aktionen. Eine der Aktionen führe ich durch, die andere muss ich verfallen lassen. Jede Aktion ist insgesamt nur zweimal auf meinen Karten abgebildet, so dass ich nicht dauernd dasselbe machen kann, sondern variieren muss.


Kutna Hora: Karten

Was taugt es? Der Kartenmechanismus ist einfach und einleuchtend, schwere Dilemmata löst er aber nicht aus. In meinen Partien musste sich selten jemand ärgern, die falsche Karte abgelegt zu haben und nun nicht die Wunschaktion ausführen zu können. Zumal man sowieso nicht darum herumkommt, für jeden Bau den dreigeteilten Ablauf aus „Grundstück reservieren“, „Baurecht sichern“ und „Gebäude bauen“ zu durchlaufen. Weshalb sich die Aktionsschritte auch erstens wie vorgegeben und zweitens langatmig anfühlen.
KUTNÁ HORA punktet mit der engen und auch thematischen Verflechtung seiner Spielelemente. Es ist überdies schön gestaltet mit Gold- und Silberdruck, filigran modellierten Spielsteinen aus Recyclingmaterial und praktischen Double-Layer-Boards. Und trotzdem verlockt es nicht zu vielen Partien.
Dass sich auf diffizile und manchmal auch chaotische Weise die Aktionen einzelner Spieler:innen auf alle und alles auswirken, ist auf einer Meta-Ebene originell, fühlt sich im Spiel aber nicht so reizvoll an. Es entsteht eher das Gefühl, in diesem fremdbestimmten System eingeengt zu sein. Die Neugierde auf kommende Partien hält sich deshalb in Grenzen.


**** solide

KUTNÁ HORA: STADT DES SILBERS von Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch für zwei bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition / Heidelbär Games.

Dienstag, 5. November 2024

Vor 20 Jahren (143): Sole Mio!

Sole Mio: Cover

MAMMA MIA! gehört zu den Spielen mit meiner schlechtesten Siegbilanz. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich trotz zahlreicher Versuche überhaupt je gewonnen habe. Als dann sechs Jahre später (und vor 20 Jahren) die MAMMA MIA!-Variante SOLE MIO! (beide Spiele von Uwe Rosenberg) erschien, war eigentlich klar: Es kann nur besser werden!

Eigentlich. Doch wie sich herausstellte, ist das eine doofe Floskel. Nur weil etwas schlecht ist, muss es gar nicht besser werden. Es kann zum Beispiel einfach genauso schlecht bleiben. Und potztausend: So war es! Auch an einen Sieg bei SOLE MIO! kann ich mich nicht erinnern. Und ich würde mich erinnern. Denn ich hätte das besondere Ereignis doch sicherlich mit einem unvergesslichen Tänzchen um den Tisch zelebriert.

Aber ich bin weiterhin an der Sache dran, und sobald ich’s geschafft habe, werde ich es hier natürlich sofort melden. Bei MAMMA MIA! wird das allerdings auf längere Sicht nicht klappen können. Wenn wir eines der beiden Spiele spielen, dann SOLE MIO!

Warum? Weil wir es mehr mögen. Dass man anderen beim Erfüllen ihrer Rezepte helfen darf (und dann als Belohnung selbst ein Rezept loswird) empfinden meine Spielerunde und ich als klare Verbesserung. Es bringt auch noch mal eine andere Taktik ins Spiel. Und Interaktion: Wann helfe ich? Wann nicht? Und wie viel lasse ich mich das kosten? Spendiere ich tatsächlich drei Zutaten? Absolut ungern. Aber vielleicht dann doch, bevor es wer anders tut.

Und wenn ich selbst derjenige bin, der Hilfe braucht: Nach wie vielen Zutaten frage ich? Nur nach der einen, der mir fehlt? Oder dreist nach zweien, damit ich heimlich eine Karte spare? Vielleicht verzocke ich mich dann, weil niemand das Gewünschte geben kann. Oder will.

Sehr angenehm finde ich auch, dass die Pizzarezepte in SOLE MIO! von der eigenen Spielfarbe entkoppelt sind. In MAMMA MIA! wäre es für mich als Gelbspieler sehr nachteilig, wenig Ananas zu bekommen. Denn bei sieben von acht Rezepten läuft ohne Pflichtananas gar nichts.

Andererseits hat MAMMA MIA! auch einen großen Vorteil: Die Rezepte sind intuitiv verständlich, während wir in SOLE MIO!, wenn wir es nach etwa einem Jahr Spielpause mal wieder hervorholen, so manche Kartenbedeutung zum x-ten Mal nachschlagen müssen. Vielleicht ist die größere Kompliziertheit der Grund, warum sich SOLE MIO! im Gegensatz zu MAMMA MIA! nicht durchgesetzt hat.

Dass es bei Abacusspiele nicht mehr im Programm ist, empfinde ich sogar als doppelten Verlust. 1. Neue Fans können nicht SOLE MIO! spielen. 2. Und sie können nicht beide Spiele mischen und MAMMA MIA! GRANDE spielen.

Welches ich übrigens auch noch nie gewonnen habe. Aber das hätte ich sicherlich gar nicht extra sagen müssen.


Samstag, 2. November 2024

Die Blumenstraße

Die Blumenstraße: Cover

Blumen sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte.

Wie geht DIE BLUMENSTRASSE? Wir pflanzen Tulpenzwiebeln und bekommen Punkte dafür. Und weil das zu wenig verschachtelt wäre, machen wir auch noch viele andere Dinge und kriegen auch dafür Punkte.
Der mechanisch auffälligste Bestandteil von DIE BLUMENSTRASSE ist ein Windmühlentableau, mit dem ich meine Aktionen bestimme. Es besteht aus zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, eins größer mit sechs Segmenten, eins kleiner mit fünf. In jedem Zug muss ich das Rad um mindestens eine Position weiterdrehen. Je ein Segment des großen und eins des kleinen Rades treffen sich nun an einer hervorgehobenen Stelle. Auf jedem Segment ist eine mögliche Aktion abgebildet. Eine der beiden Aktionen wähle ich und führe sie aus. Man kann sagen: Es handelt sich um ein verschlungenes Duo-Aktionsrondell.

Die Blumenstraße: Windmühlentableau

Mein Rondell kann ich im Laufe der Partie verändern, und das ist auch eine der möglichen Aktionen: Ich erwerbe ein Plättchen und platziere es auf einem Radsegment. Damit überdecke ich die bisherige Aktion, das Plättchen zeigt die neue Aktion. Plättchen sind üblicherweise verbesserte Versionen der Grundaktionen, Plättchen machen meine Mühlräder also stärker. Zweitens kann ich mich auch spezialisieren und bestimmte Aktionen mehrfach bei mir einbauen, andere dafür überbauen.
Bei Spielbeginn zeigen die Räder sieben verschiedene Aktion. Neben dem Rad-Upgrade gibt es eine Kartenaktion, die mir entweder einen Dauereffekt (mache ich fortan X, erhalte ich Y) oder eine Schlusswertung bringt. Und es gibt Aktionen, die zwar unterschiedlichen Regeln folgen, aber im Großen und Ganzen darauf hinauslaufen, dass ich Tulpenzwiebeln bekomme und / oder einpflanze und / oder Geld und / oder Punkte erhalte. Oder Plättchen oder Karten. Manche Aktionen sind mehrteilig. Dauereffekte können zusätzlich Kettenzüge auslösen.


Die Blumenstraße: noch ein Tableau

Was passiert? Weil die Räder unterschiedlich groß sind, ergeben sich beim Drehen nicht immer dieselben, sondern immer neue Aktionspaare. Das ist spielerisch interessant, weil man nicht so leicht in ein Schema verfällt, wie weit man dreht und welche Segmente man überspringt. Das Aktionsrad finden ohnehin alle Mitspieler:innen faszinierend. Es macht einfach Spaß, sich da eine eigene Maschine zu konstruieren, die hoffentlich viel effektiver ist als die der Konkurrenz.
Allerdings haben sich in meinen Partien manche Spieler:innen erstaunlich schnell in Sackgassen manövriert. Das Problem ist Geld. Anfänger:innen können noch nicht einschätzen, wie nachteilig es ist, blank zu sein. Manche Aktionen kosten Geld, und auch das Einlagern von Tulpenzwiebeln muss ab der sechsten Zwiebel bezahlt werden. Und wenn man da am Limit ist, will man natürlich keine Aktion wählen, die Tulpenzwiebeln brächte, zusätzlich scheidet jede Aktion aus, die Geld kostet – und so ist man sehr am Herumrechnen, was überhaupt geht und was einen Ausweg aus der Misere darstellt.
Diese Beobachtung spricht nicht generell gegen DIE BLUMENSTRASSE. Es ist ein Spiel im Kenner:innen- / Expert:innenbereich; da muss man eben durch Erfahrungen lernen. In meinen Partien habe ich zudem wahrgenommen, dass Führende schwer einzuholen waren. Aber auch das mag die Folge suboptimalen Spielens der Konkurrenz gewesen sein. Denn auch die richtige Einschätzung, welche Ausbauten und Wertungskarten wie stark sind, beruht auf Erfahrung. (Allerdings ist es natürlich auch Glück, an diese Dinge heranzukommen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt ins Angebot rutschen.)

Was taugt es? Das Windmühlentableau mitsamt seiner Mechanik empfinde ich als sehr faszinierende Idee. Allerdings ist die Idee meiner Meinung nach in DIE BLUMENSTRASSE nicht optimal ausgearbeitet. Zu viele mittelmäßige und teilweise auch unnötige Mechanismen entfernen das Spiel von seinem zentralen Element. Das Aktionsrad steht weniger im Zentrum, als es sollte.

Die Blumenstraße: Spielplan

Insbesondere wenn Spieler:innen auf Tempo spielen (sobald jemand sein großes Rad viermal komplett gedreht hat, endet die Partie), macht man auf seinem hochgezüchteten Rondell gar nicht so viele Aktionen, wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Und selbst wenn langsam gespielt wird, passiert für mein Empfinden zu viel abseits des Rades. Das liegt an den Kettenzügen. Je mehr ich durch eine einzige Aktion bekomme, desto weniger Züge dauert das Spiel insgesamt und desto seltener muss während der Partie das Rad zum Einsatz kommen.
Es ist auch nicht gelungen, allen sieben Aktionen ein klares Profil zu geben. Ich jedenfalls habe nicht das Gefühl, es gibt genau diese sieben Aktionen, weil sie sich logisch aus dem Spiel herleiten. Sondern es gibt sie, weil das große Rad sechs Segmente hat und für jedes eine andere Aktion gefunden werden sollte. (Plus eine für alle Segmente des kleinen Rades.)
Alles ist stark verwoben. Es gibt die Aktion „Tulpenzwiebeln pflanzen“. Aber Tulpenzwiebeln kann ich auch als Folgewirkung beim Windmühlenbau pflanzen, auch beim Marktbesuch sowie (per Dauereffekt) nach dem Fernhandel, dem Schleusen oder dem Erwerb einer Karte.
Es ist also nicht so eindeutig, für welche Effekte eine Aktion am Ende steht, weshalb ich beim Bestücken meines Rades auch gar nicht alle Folgewirkungen und Verquickungen vorhersehen kann. Das macht das Planen des Rades diffuser, als es meines Erachtens sein müsste. Das Potenzial des Radmechanismus wird teilweise verschenkt.


**** solide

DIE BLUMENSTRASSE von Dani Garcia für eine:n bis vier Spieler:innen, Giant Roc.