Sonntag, 30. April 2023

Gern gespielt im April 2023

FEDERATION: Fehde-Ration.

MANTIS: Fangschreckenkrebse – nicht meine Lieblingstiere. Was aber nicht heißt, dass man sie mir wegnehmen darf!

TURING MACHINE: Löchrige Logik.

DER HERR DER RINGE – GEMEINSAM ZUM SCHICKSALSBERG: Merkwürdig, dass Tolkien den Würfel in seinen Büchern kaum erwähnt. Oft ist er viel gemeiner als Sauron.

PLANET UNKNOWN:
Planet entdeckt? Cool. Versiegle die Oberfläche!







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM APRIL:

NEXT STATION LONDON: Das Einzige, was sich in diesem Spiel abnutzt, sind die Buntstifte.






Freitag, 28. April 2023

Planet Unknown

„Die Ressourcen der Erde sind erschöpft,“ heißt es in PLANET UNKNOWN, und das entspricht genau meinem Gefühl beim Schreiben von Einleitungen.

Wie geht PLANET UNKNOWN? Wir puzzeln mit Polyomino-Legeteilen. Meine Planetenoberfläche soll möglichst voll werden, denn komplettierte Reihen und Spalten zählen Punkte. Außerdem bringt jedes Legeteil (im Regelfall) zwei Marker auf meinem Konzern-Tableau voran. Jedes Legeteil ist zweifarbig, und in den entsprechenden Farbskalen gehe ich vorwärts.
Diese Fortschritte wiederum bringen Punkte. Außerdem schalten sie Errungenschaften frei. Fortschritte auf Grün beispielsweise bringen mir Einer-Legeteile, mit denen ich lästige Lücken füllen kann. Fortschritte auf Rot aktivieren meine Rover, mit denen ich über den Planeten fahre und erstens „Rettungskapseln“ einsammle, die dann Punkte zählen. Sowie zweitens „Meteoriten“, die beim Bau auf einige der Teile gelegt werden müssen und dort stören. Denn sie verhindern, dass ich für die zugehörige Reihe oder Spalte Punkte bekomme. Dazu muss die Reihe nicht nur komplett zugepuzzelt, sondern auch frei von Meteoriten sein.
In der Wahl meines Legeteils bin ich nur alle paar Runden frei: als Startspieler. Dann drehe ich den großen Teilespender so, dass das gewünschte Teil direkt vor mir liegt (und nehme es). Alle anderen müssen eins von den beiden Teilen wählen, die nun vor ihrer Nase liegen.


Was passiert? Kompromisse. Generell möchte ich raumgreifend bauen. Bauteile mit Meteoriten aber möchte ich nicht so gerne. Rettungskapseln möchte ich lieber bergen, statt sie zu überbauen. Auf den Farbskalen möchte ich bestimmte Punkte erreichen. Und natürlich: Mit den mir zur Verfügung stehenden Polyominos geht das bestenfalls teilweise.
Zu meinen internen Problemen gesellen sich noch externe: Mit meinen beiden Nachbar:innen befinde ich mich im Wettstreit, wer ein zufällig bestimmtes Ziel besser erfüllt. Beispielsweise geht es darum, wer das größere rote Gebiet oder weniger graue Symbole auf seinem Planeten baut.
PLANET UNKNOWN ist von Anfang bis Ende spannend. Man hat kurzfristige und langfristige Ziele. Alle am Tisch sind immer gleichermaßen involviert. Und weil man sich mit seinen Nachbar:innen vergleichen muss, spielt man nicht komplett solistisch vor sich hin.


Was taugt es? Hindernisse und bewegliche Elemente auf dem Bauplatz machen die Puzzleaufgabe anspruchsvoll. Aber nicht sie sehe ich als das stärkste Element von PLANET UNKNOWN, sondern die Kombination der Puzzleaufgabe mit einem Tech-Tree.
Ist es normalerweise das Wesen von Puzzlespielen, dass man erst am Schluss weiß, ob es aufgeht und wie gut man steht, ist in PLANET UNKNOWN jeder Bauschritt mit einer belohnenden Rückmeldung und einem Aufstieg auf dem Konzern-Tableau verbunden. Das hebt die Spannungskurve über die gesamte Spieldauer merklich an.
Beim Puzzeln hoffe ich darauf, bestimmte Lücken zu füllen oder bestimmte Farben oder Symbole an gewünschte Stellen zu legen; auf den Farbskalen will ich bestimmte Felder erreichen und manche davon schneller als die Konkurrenz. PLANET UNKNOWN hat eine Dimension über das übliche Legespiel hinaus, und diese Dimension wirkt nicht etwa aufgesetzt, sondern leitet sich sehr harmonisch aus dem Legespiel ab. Deshalb bewahrt sich PLANET UNKNOWN bei aller Komplexität auch eine gewisse Einfachheit. Vieles lässt sich logisch herleiten.
Trotzdem ist PLANET UNKNOWN nicht rundum gelungen. Aus der Spielidee hätte man für mein Empfinden noch mehr herausholen können. Meiner Meinung nach bietet es sich im Basisspiel zu eindeutig an, vorrangig die schwarze und die graue Skala voranzutreiben. Die Belohnungen bei Schwarz sind einerseits sehr stark, andererseits ist dies die einzige Skala, bei der man durch Tempo anderen Spieler:innen Belohnungen wegschnappen kann. Und die graue Skala verbessert Aktionen auf Grün, Rot und Blau, weshalb es sich auszahlt, mit der Entwicklung dieser Skalen etwas zu warten.
Gewiss werde ich diese Strategie nicht immer durchsetzen können, weil ich natürlich nicht immer nur schwarze und graue Teile bekomme, schon gar nicht, wenn andere Spieler:innen die auch haben wollen. Und gewiss können die Vorgaben der Nachbarschaftsziele dazwischenfunken. Aber das ändert nichts daran, dass das Basisspiel strategisch monoton angelegt ist, und dies wiederum halte ich für die größte Schwäche von PLANET UNKNOWN.

Kleinere gibt es auch: Statt des Auslosens der Nachbarschaftsziele hätte ich mir einen besseren Kniff gewünscht. Zu oft schon hat irgendjemand zwei widersprüchliche Ziele erwischt und ging deshalb mit dem Nachteil an den Start, nicht beides erreichen zu können. Auch einige Regeln müssten klarer formuliert werden, und der Drehteller könnte sehr gut einen Deckel gebrauchen. Ach, und auf das Ereignis-Modul, dessen Idee einzig und allein darin besteht, einem planerischen Spiel platte Willkürelemente hinzuzufügen, werde ich nach einmaligem Versuch fortan verzichten.
Menschen, die PLANET UNKNOWN häufiger spielen, bekommen Angebote für Variation. Das Spiel enthält sechs verschiedene Planetenpläne und sechs verschiedene Konzern-Tableaus, die teilweise gravierende und unterhaltsame Regeländerungen mit sich bringen. Weil jeder Planet mit jedem Konzern kombiniert werden kann, gibt es viel auszuprobieren.
Sicherlich ist nicht jede Kombination gleichstark, sicherlich ist nicht alles austariert. Weil ich die Spezialpläne als Spielwiese für Fortgeschrittene sehe, finde ich das aber okay, gerade auch um mal kuriosere Partien zu erleben, um die Herausforderung zu erhöhen oder um gegen Anfänger:innen bewusst mit einem Handicap zu starten.


***** reizvoll

PLANET UNKNOWN von Ryan Lambert und Adam Rehberg für eine:n bis sechs Spieler:innen, Strohmann Games / Adam’s Apple Games.

Dienstag, 25. April 2023

kosmopoli:t

Weiter Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Stein des Anstoßes sind jetzt aber nicht mehr die Spiele, sondern die fehlenden Einleitungen. Grrr!

Wie geht KOSMOPOLI:T? Wir betreiben kooperativ ein Restaurant. Und wir machen es uns nicht leicht. Denn offenbar gibt es bei uns keine Speisekarte. Die sehr internationalen Gäste bestellen, was immer sie wollen, einfach in ihrer Landessprache oder in ihrem Dialekt.
Die „Kellnerin“ nimmt alle Bestellungen entgegen. Dazu benötigt sie Smartphone, Kopfhörer und die zugehörige App. Sie klickt auf ein Gast-Icon und hört nun in Originalsprache, wie jemand etwas sagt, das beispielsweise klingt wie „Sölat Dörsle“. Die Kellnerin spricht das dem „Oberkellner“ vor, eventuell auch mehrfach, der notiert es auf seinem Block.

Im Bestfall haben die „Köche“ auch zugehört. Falls nein oder um später auf eine Bestellung zurückkommen zu können, dient die Mitschrift des Oberkellners. Er kann den Köchen alles beliebig oft wiederholen und vorsprechen, führt Buch über Fehlendes und Erledigtes und koordiniert die Gruppe, während die Kellnerin schon wieder neue Bestellungen aufnimmt oder fertige Gerichte der Köche serviert und in der App überprüft, ob das Richtige auf dem Teller ist.
Damit ein Gericht serviert werden kann, durchsuchen die Köche schnellstmöglich ihre je sechs Karten, auf denen in „Laien-Transkription“ jeweils sechs Gerichte stehen. Wer meint, das Gesuchte gefunden zu haben (in diesem Fall wäre es „ßüella tudoßö), benötigt noch die abgebildete Zutat (hier eine Chili), die sich im Stapel der Gemüsekarten findet, allerdings hat vielleicht ein anderer Koch diese Kartensorte, und leicht entsteht Chaos und Geschrei. In sechs Minuten müssen wir mit allem fertig sein.


Was passiert? Vor allem eine große Runde wird bei KOSMOPOLI:T schnell laut – obwohl sie sich damit ja selber schadet! Schließlich kommt es in diesem Hektikspiel auf genaues Hören an. Und auf das gedankliche Übertragen von Sprachlauten in eine mögliche Lautschrift. Je weiter das Gehörte und Geschriebene auseinanderklaffen, desto größer hinterher die Verwunderung.
Natürlich gibt es Gruppen, die strukturierter arbeiten, und solche, in denen die Küche ins Chaos abgleitet. Und es gibt Spieler:innen, die für ihre Posten im Spiel eher geeignet oder eher ungeeignet sind. Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen ist KOSMOPOLI:T dennoch in so ziemlich jeder Gruppe eine sichere Bank, um Spielspaß, Gemeinschaftsgefühl und Erfolgserlebnisse zu erzeugen. Nur zu klein sollte die Gruppe nicht sein. Je weniger Köche parallel arbeiten, desto einfacher ist es.
Bald wird die Gruppe weiteres Material freischalten. Jetzt kommen noch mehr Karten ins Spiel; noch mehr Tische sind gleichzeitig zu bedienen. Am Grundmuster ändert sich allerdings nichts. Im Grunde zeigt KOSMOPOLI:T schon in der ersten Partie, was es spielerisch kann. Und wesentlich mehr kann es dann auch später nicht. Zumal wir hier keine Rollen ausüben, in denen wir etwas gestalten, sondern lediglich Rollen, in denen wir auf die Impulse der App reagieren. So bewegt sich das, was wir hier tun, bei aller Spaßigkeit in einem immer wieder engen und ähnlichen Rahmen.


Was taugt es? KOSMOPOLI:T ist ein ungewöhnliches und sehr sympathisches Spiel, das Neulingen fast immer Spaß macht. Allerdings habe ich auch beobachtet, dass es den Teilnehmer:innen nach zwei oder drei Partien genug war und dass wenig Neugierde da war, das Spiel ein anderes Mal wieder auszupacken. Das liegt auch am technischen Aufwand, der vorab betrieben werden muss. KOSMOPOLI:T ist nicht so schnell losgespielt.
Als spielerisches Projekt finde ich KOSMOPOLI:T toll. Ich kann nur grob erahnen, wie viel Recherche, wie viel wissenschaftliche Unterstützung und wie viel Arbeit in dieses ungewöhnliche Sprachspiel geflossen sein müssen. Die Bestellungen in 60 verschiedenen Sprachen wurden (nach Verlagsangaben) fast ausschließlich von Muttersprachler:innen eingesprochen, nur selten handelte es sich um die Zweitsprache. Ein 32-seitiges Begleitheft informiert über Sprachen der Welt. Das Gesamtpaket ist mehr als nur ein Spiel.


**** solide

KOSMOPOLI:T von Florent Toscano und Julien Prothière für vier bis acht Spieler:innen, Huch / Jeux Opla.

Freitag, 21. April 2023

Encyclopedia

Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Teil 3, grrr!

Wie geht ENCYCLOPEDIA? Wir sammeln Tierkarten, um die Arten zu erforschen und anschließend unsere Ergebnisse zu publizieren. Jedes Tier hat fünf Merkmale, beispielsweise ist es Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfresser und lebt in heißem, gemäßigtem oder kaltem Klima. Das Spiel belohnt, möglichst häufig zu gleichen Merkmalen zu publizieren, weshalb es sich lohnt, möglichst häufig dieselben Merkmale zu erforschen und Tierkarten mit denselben Merkmalen zu sammeln.
Der Hauptmechanismus ist Würfeleinsatz. Alle würfeln zu Rundenbeginn ihre vier Würfel, die sie zuvor zufällig aus einem Beutel gezogen haben, wodurch auch die Würfelfarben zufällig sind. Alle diese Würfel bilden nun einen Pool, aus dem sich reihum jede:r bedient, um einen der Würfel einzusetzen. Allerdings: Wählt jemand anderes einen meiner Würfel, bekomme ich Geld oder Punkte oder Ansehen dafür. Jedem meiner Würfel habe ich zuvor eine der möglichen Belohnungen zugewiesen; dem vermeintlich stärksten Würfel die vermeintlich beste Belohnung.
Die Aktionen sind dazu da, um sich Geld oder Siegel oder Tierkarten zu nehmen, um zu forschen und zu publizieren oder um eine „Expertenkarte“ zu wählen, die (meist) einen dauerhaften Vorteil bringt. Hohe Augenzahlen sind dabei grundsätzlich besser als niedrige. Für einige Aktionen ist auch eine passende Würfelfarbe erforderlich. Mit Geld darf man Würfelaugen hinzukaufen, mit Siegeln die Farbe ändern.


Was passiert? Die Vorgaben in ENCYCLOPEDIA legen eine Spezialisierung auf gleiche Merkmale nahe, also wird man, wenn es irgend geht, Tierkarten mit gleichen Merkmalen wählen und erforschen. Und wenn man seine Forschungsrichtung erst mal festgelegt hat, wäre es unsinnig, davon wieder abzuweichen.
Auch die Aktionen sind klar. Ich brauche Tiere. Ich muss erforschen. Und weil beim Forschen hohe Kosten anfallen, muss ich auch Geld ranholen. Hin und wieder spare ich eine Aktion, weil ich durch Nebeneffekte Geldeinnahmen habe oder ein Tier geschenkt bekomme oder weil ich (sofern sie vom selben Kontinent stammen) mehrere Tiere gleichzeitig erforschen darf. Aber grundsätzlich wiederholen wir alle immer dieselben Schritte.
Das Erforschen ist obendrein mit viel Rechnerei verbunden. Um die Ernährungsweise eines Tieres zu erforschen, benötige ich vier Würfelaugen, für den Lebensraum sieben, für die Klimazone zehn. Will ich bei mehreren Tieren desselben Kontinents einmal die Ernährung, zweimal den Lebensraum, einmal das Klima erforschen, macht das 28. Fünf habe ich auf dem Würfel, einen kriege ich als Bonus meines Einsatzfeldes, zwei über eine Expertenkarte, vier über Siegel und die restlichen 16 zahle ich mit Münzen.

Und dafür kriege ich nun Siegpunkte, nämlich einen für die Ernährung, zweimal drei für Lebensraum und sechs für das Klima sowie weitere drei Punkte plus vier Geld über meine Expertenkarten. Und beim Veröffentlichen bekomme ich schon wieder Siegpunkte, allerdings nach einer anderen Tabelle. Und bei der Schlusswertung gilt eine noch andere Tabelle.
ENCYCLOPEDIA setzt seine Vorgänge mechanisch unnötig kompliziert und obendrein langweilig um. Vieles im Spiel fühlt sich nur nach Verwaltung und Abarbeiten und Zusammenrechnen an. Der Würfelmechanismus ist nach meinem Empfinden Blendwerk. Gewiss kann ich überlegen, ob ich für meine gelbe Fünf lieber drei Punkte, zwei Geld oder zwei Ansehen haben möchte. Weil aber am Ende sowieso alle Würfel genommen werden, bekomme ich am Ende auch alle drei Belohnungen, außer ich nehme Würfel bei mir selbst. Oft ist es nur ein Ringtausch.


Was taugt es? ENCYCLOPEDIA behauptet, dass es um Expeditionen zu anderen Kontinenten und das Erforschen der faszinierendsten Geschöpfe unserer Erde gehe. Aber gar nichts davon spürt man in den Mechanismen. Die tollen Illustrationen: verschenkt! Das spannende Thema: verschenkt!
Ich bin gewiss kein Fan der vielen seelenlosen Renaissance-, Bauwerk- oder Städtenamenspiele, die fast beliebig um ein Thema kreisen, um irgendwie den abstrakten Mechanismus zu ummänteln, weil man das ja nun mal so tut. Doch diesen ganzen Standardthemen möchte ich wenigstens zugutehalten, dass sie unter Eigeweihten eine Art Code sind, der andeutet, mit welcher Art Spiel man es vermutlich zu tun haben wird. Wesentlich ärgerlicher finde ich es, wenn Leben, Natur, Forschung versprochen werden – und sich dann trotzdem dieselbe Seelenlosigkeit offenbart.


** misslungen

ENCYCLOPEDIA von Éric Dubus und Olivier Melison für eine:n bis vier Spieler:innen, Holy Grail Games.

Donnerstag, 13. April 2023

Namiji

Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Teil 2, grrr!

Wie geht NAMIJI? Wir kommen abwechselnd an die Reihe, um auf einem Pfad entlangzuziehen. Wer am Zug ist, muss vorwärts gehen, beliebig weit, auf ein freies Feld. Dort wird dann die zugehörige Aktion ausgeführt.
Alle Aktionen laufen auf irgendeine Weise darauf hinaus, dass ich Punkte sammle, allerdings auf unterschiedliche Weise: Fische beispielsweise, die ich teils verdeckt ziehe, teils aus einem offenen Angebot nehme, bringen Punkte, wenn ich sie so auf meinem Tableau ablegen kann, dass Zeilen oder Spalten komplett mit gleichen Arten oder gleichen Farben gefüllt werden.

Oder: „Panoramen“. Das sind mehrteilige Bilder, deren Einzelteile von Element zu Element mehr Punkte zählen. Der erste Teil des Buckelwal-Panoramas bringt einen Punkt, das zweite zwei, das fünfte fünf. Anderes Beispiel: Krustentiere. Sie zu sammeln beruht auf Zockerei, weil ich aus einem Beutel ziehe und möglichst keine Krabben erwischen will.
Viele Aktionen werden stärker, wenn ich sie möglichst häufig ausführe. Je mehr Fische ich bekomme, desto höher ist die Chance, dass ich Zeilen und Spalten fülle. Damit der Buckelwal vollständig wird, benötige ich fünf entsprechende Aktionen. Allerdings ist die Zahl der Aktions-Felder natürlich begrenzt, und es ist schon gar nicht klar, ob man mir das Feld lässt.
Am Zug ist immer die Person, deren Figur auf dem Parcours ganz hinten steht. Gegebenenfalls kommt man auch mehrfach hintereinander an die Reihe. Der Mechanismus ist seit JENSEITS VON THEBEN populär und hat sich seitdem in vielen weiteren Spielen (EGIZIA, GLEN MORE, PATCHWORK etc.) bewährt.


Was passiert? In NAMIJI bewährt sich der Mechanismus für mein Empfinden nicht. Mache ich weite Sprünge, bekomme ich insgesamt weniger Aktionen. Und die Konkurrenz bekommt mehr Aktionen. Das lohnte sich, wenn meine Aktionen im Gegenzug mehr abwerfen, was sie gerade zu Beginn aber noch nicht tun.
Hinzu kommt, dass einige Aktionen ein Zufallselement enthalten, ich also gar nicht genau weiß, ob sich der Spielzug auszahlt. In meinen Partien hat das dazu geführt, dass überwiegend kurze Schritte gemacht wurden, im Zweifelsfall nahm man gleich das nächste freie Feld.
Erst im Spielverlauf kristallisiert sich durch „Hafenkarten“ (verstärken bestimmte Aktionen) und „Heiliger-Fels-Karten“ (zählen am Ende für bestimmte Errungenschaften Zusatzpunkte) heraus, welche Aktionen es tatsächlich mal wert sein könnten, Felder zu überspringen.


Was taugt es? NAMIJI ist ein ruhiges und gemütliches Spiel. Ich mache was, ich bekomme was. Jede Aktion bringt einen Fortschritt.
Allerdings erlebe ich keine Spannung dabei. Zu selten schwanke ich mal zwischen mehreren Möglichkeiten und bin hin- und hergerissen. Vieles ergibt sich durch die Situation von selbst oder Optionen wirken gleichwertig. Ein weiter Schritt mag zwar mehr Punkte bringen. Aber ein kurzer Schritt bringt zwei Aktionen statt einer und führt am Ende zu genauso vielen Punkten.
Die unterschiedlichen Sammel-Gebiete und ihre Bedingungen erfordern viel Regelerklärung. Doch NAMIJI gelingt es nicht, diese verschiedenen Elemente harmonisch miteinander zu vereinen. Alles addiert sich nur, statt miteinander zu verschmelzen. Es ist, als spielte man mehrere Mini-Spiele, die nur durch die Punktwertung einen Zusammenhang ergeben.


** misslungen

NAMIJI von Antoine Bauza für zwei bis fünf Spieler:innen, Funforge / Pegasus Spiele.

Sonntag, 9. April 2023

Vor 20 Jahren (124): Coloretto

Manche Mechanismen verbindet man mit ganz bestimmten Spielen, und deshalb heißen sie auch so. Der „Can’t-Stop-Mechanismus“ zum Beispiel, jenes Immer-weiter-würfeln-wollen-und nicht-aufhören-Können, das in CAN’T STOP so wunderbar auf die Spitze getrieben wird, derweil wir unsere Figuren auf die Bergspitzen treiben. Oder zum Beispiel … hm, Moment, so ganz viele fallen mir gar nicht ein.

Zwar verbinde ich Deckbau zuallererst mit DOMINION, aber ich nenne es trotzdem nicht den „Dominion-Mechanismus“. Und auch zu Worker Placement sage ich weder „Caylus-“ noch „Agricola-Mechanismus“, sondern ich sage „Worker Placement“ dazu. Umso bemerkenswerter finde ich die Leistung von COLORETTO. Denn COLORETTO (beziehungsweise dessen Autor Michael Schacht) hat einen Mechanismus etabliert, der – zumindest in meinem Sprachgebrauch – der „Coloretto-Mechanismus“ heißt.

Und der geht so: Im Laufe einer Runde bilden wir so viele Kartenportionen, wie Spieler:innen mitwirken. Wer am Zug ist, vergrößert entweder eine dieser Gruppen um eine weitere Karte oder steigt aus und nimmt sich eine der angebotenen Portionen.

So einfach das auch ist: Der Mechanismus löst interessante Zwiespälte aus. Wenn ich gierig bin und mehr will, steige ich nicht aus, sondern lege dazu. Doch wenn das Angebot dadurch zu interessant wird, schnappt es mir wer anders weg, bevor ich wieder an die Reihe komme. Umgekehrt kann ich auch versuchen, ein vergiftetes Angebot kreieren, das niemand gerne haben möchte. Aber vielleicht bleibt genau das nun an mir hängen?

So ähnlich war es vier Jahre zuvor auch in RA gewesen. Auch dort vergrößere ich den Versteigerungs-Pool um ein weiteres Plättchen oder ich löse die Versteigerung aus. Auch in RA kann ein Angebot ungewollt zu gut oder zu mies werden. Aber RA ist insofern anders, dass immer nur ein Paket zur selben Zeit gebildet wird, das wir anschließend noch versteigern. COLORETTO ist einfacher und direkter, das Zocken spielt eine größere Rolle.

Vermutlich war es Michael Schachts beste Autorenentscheidung, seinen Coloretto-Mechanismus Jahre später auf ein größeres Spiel zu übertragen. ZOOLORETTO machte aus dem abstrakten Kartenspiel COLORETTO ein thematisches Brettspiel und wurde 2007 zum Spiel des Jahres gewählt. Aber so nett und sympathisch und so thematisch gelungen ZOOLORETTO auch sein mag: Tatsächlich hat mir der pure Mechanismus wie in COLORETTO immer am besten gefallen. Und deswegen sage ich auch nicht „Zooloretto-Mechanismus“.


Donnerstag, 6. April 2023

Flamecraft

Wutwochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Teil 1, grrr!

Wie geht FLAMECRAFT? Wir setzen unsere Figuren in Läden ein, um Waren zu sammeln, die wir in vorgegebenen Kombinationen wieder abgeben, um Aufträge zu erfüllen.
Es kann natürlich sein, dass es dieses Konzept schon mal gab. FLAMECRAFT variiert es in Details. Läden werden im Laufe des Spiels immer attraktiver und werfen immer mehr Waren ab. Denn beim Besuch eines Ladens darf ich (falls das Symbol passt) zusätzlich zum Abkassieren der Waren eine meiner Werkeldrachen-Karten dort ablegen und erhalte dafür eine weitere Belohnung. Der Drache wiederum erhöht den Ertrag des Ladens für alle Spieler:innen.
Und ähnlich ist es mit Aufträgen, die im Spiel „Verzauberungen“ heißen. Auch jede Verzauberung erhöht den Ertrag des ihr zugeordneten Ladens. Indem ich mir also in FLAMECRAFT etwas Gute tue, tue ich langfristig auch allen anderen Gutes. Wir werden allesamt immer schneller reich.


Was passiert? Um aber doch noch etwas schneller reich zu werden als die anderen und vor allem mehr Punkte herauszuholen, kommt es darauf an, in der immer größer werdenden Auslage den Überblick zu behalten und jene Läden aufzusuchen, in denen ich das Maximum abkassiere, also die meisten Waren, die sinnvollsten Zusatzeffekte und die Möglichkeit, einen Werkeldrachen dort zu platzieren.
Das hat für mein Empfinden wenig mit Taktik oder Strategie zu tun. Man geht einfach gedanklich die verschiedenen Möglichkeiten durch. Und diejenige, die mir fünf Erträge bringt, ist in aller Regel besser als eine Alternative mit nur drei oder vier Erträgen. Denn in FLAMECRAFT ist es selten wichtig, irgendetwas zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu erledigen (außer natürlich bis zum Spielende). Wir dürfen viel Kram lagern, und wenn ich nur genügend viel besitze, wird sich die Möglichkeit ergeben, damit Aufträge zu erfüllen und Punkte zu machen.
Zusätzlich zu den „Verzauberung“-Aufträgen, die offen in einem Markt ausliegen, erledigen wir persönliche Aufträge, die „Schmuckdrachen“ heißen. Rund die Hälfte davon spielt und wertet man während der Partie, sobald bestimmte Situationen eingetreten sind bzw. man die entsprechende Situation zielgerichtet hergestellt hat (beispielsweise sollen drei gleichfarbige Werkeldrachen in einem Laden liegen). Die andere Hälfte punktet bei Spielende, etwa für übrige Waren oder für Warenmehrheiten.

Mit Schmuckdrachen optimal zu punkten, erfordert tatsächlich mehr Taktik als der Rest der Partie. Ich habe den Eindruck, dass Aufwand und Ertrag eines Schmuckdrachens nicht immer zusammenpassen, aber das könnte natürlich so beabsichtigt sein, um Glückselemente zu erzeugen. Mein Lieblings-Schmuckdrache ist übrigens „Talisman“: Der Gute bringt drei Punkte für jeden anderen Schmuckdrachen, den ich bei Spielende abwerfe. Das ist wirklich respektabel, obendrein muss ich mir über die Bedingungen meiner gesammelten Schmuckdrachen keine Gedanken mehr machen.


Was taugt es? Ich empfinde das Konzept von FLAMECRAFT als unoriginell und ausgelutscht. Das Spiel erinnert mich stark an DIE TIERE VOM AHORNTAL, das auf ähnlichen Mechanismen beruhte, ebenfalls auf niedliche Optik setzte und mich beim Spielen genauso gelangweilt hat. Während DIE TIERE VOM AHORNTAL aber wenigstens noch einen interessanten mechanischen Kniff hatte, sehe ich in FLAMECRAFT gar kein mechanisches Alleinstellungsmerkmal mehr.
Die Partien verlaufen gleichförmig, spannungsarm und emotionslos. In Vollbesetzung kann es sich sehr in die Länge ziehen, insbesondere wenn jemand seine Züge allzu genau durchdenken möchte. Die überdimensionierte und unnötige Spielmatte macht es obendrein schwer, einen geeigneten Tisch für das Spiel zu finden.
FLAMECRAFT ist ein sehr konstruktives Spiel, jede:r wird reich werden, jede:r wird Erfolgserlebnisse haben. Aber ein Spiel, das einfach nur plump wiederholt, was schon zig andere gemacht haben, ist für mich nicht nur kein gutes Spiel, sondern ein Ärgernis.


** misslungen

FLAMECRAFT von Manny Vega für eine:n bis fünf Spieler:innen, Cardboard Alchemy.

Dienstag, 4. April 2023

Trauer um Klaus Teuber

(C) Foto: Kosmos

Der Spieleautor Klaus Teuber ist tot. Er war ein leiser Mensch, zurückhaltend und voller Empathie. Obwohl er immerhin DAS Spiel schlechthin entwickelt hatte, DIE SIEDLER VON CATAN, blieb er geerdet und genügsam. Er erweckte nie den Eindruck, dass ihm Ruhm viel bedeutete, auch Luxus nicht. Ihm war sein Werk wichtig, von der Idee über den Prozess des Entwickelns bis zum kompletten Spiel. Klaus Teuber wirkte zufrieden und mit sich im Reinen, dies jedoch nicht im Sinne von satt und saturiert. Er war selbstkritisch seinem Schaffen gegenüber, er hatte hohe Maßstäbe. Die Ruhe, die Teuber ausstrahlte, war die Gewissheit desjenigen, der sich genügend hinterfragt hatte und seine Leistung demzufolge realistisch beurteilen konnte. Und der sie eher unter- als überschätzte.

Klaus Teuber liebte vergangene und fiktive Welten, Geschichten und Figuren, er träumte und fantasierte sich in solche Szenarien hinein, und es war sowohl sein als auch unser aller Glück, dass es ihm auf ganz besondere Weise gelang, diese Welten und Geschichten in Spielen zum Leben zu erwecken. Teubers Glück war es, weil er aufgrund seines Erfolgs als Autor den zehrenden und belastenden Beruf des Zahntechnikermeisters aufgeben und die Sorgen seines Dentallabors hinter sich lassen konnte, um fortan materiell abgesichert ein schöpferisches Leben zu führen. Und unser Glück natürlich, weil wir seine Spiele spielen durften.

Als DIE SIEDLER VON CATAN 1995 erschien, war ich längst Vielspieler. Deshalb war CATAN nicht mein Einstieg in die Brettspielwelt. Doch auch in meinem Fall hat Klaus Tauber maßgeblich dazu beigetragen: mit ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER. Ende der 1980er-Jahre fing ich an, mich intensiv für Spiele jenseits von RISIKO und DIPLOMACY zu interessieren und Spielezeitschriften zu lesen. Ich liebte möglichst komplizierte und zeitintensive Spiele. Aber nicht ausschließlich. Auch Klaus Teubers wesentlich zugänglichere Werke, die genau in dieser Zeit erschienen, begeisterten mich. Anders als die eher intellektuell befriedigenden 1830 oder DIE MACHER erlebte ich in Teubers Spielen ein intensives Kribbeln und Mitfiebern. Sie packten mich auch emotional.

Klaus Teuber beherrschte es meisterhaft, in seinen Spielen Interaktion zu erzeugen auf eine Weise, die nicht aufgesetzt war, sondern sich direkt aus dem Spiel selbst ergab. Gerade ADEL VERPFLICHTET ist Interaktion pur. Die Idee, uns Runde für Runde an zwei verschiedene Orte zu schicken, wo wir jeweils untereinander rivalisieren, reiht Höhepunkt an Höhepunkt. Keine Entscheidung treffe ich isoliert für mich allein, neben Taktik ist alles Zock, Bluff und Psychologie.
DRUNTER & DRÜBER interpretiert das Legespiel auf innovative und auch freche Weise, denn es ist genau genommen ein Kaputtlege-Spiel. Normalerweise baut man im Legespiel auf, hier wracken wir ab. Jedes Plättchen zerstört einen Teil der Stadt Schilda. Interaktion entsteht, weil wir die Auslage gemeinsam erschaffen, allerdings mit völlig unterschiedlichen Zielen, und weil Bauvorhaben immer wieder mal zur Abstimmung gestellt werden müssen, was auch in diesem Spiel viel Raum für Taktik und Bluff eröffnet.

Weil seine Werke mir so viel bedeuten, weil sie Teile meiner spielerischen Biografie und meines Lebens sind, weil unendlich viele Erinnerungen damit verknüpft sind, fühle ich mich Klaus Teuber sehr verbunden, auch ohne ihn privat gekannt zu haben. Bei Begegnungen auf Spieletreffen oder bei Interviews blieben wir stets beim Sie. Jetzt, zum Abschied, erlaube ich mir das Du.

Danke für alles, Klaus!



Foto: Verlag Kosmos