Sonntag, 31. Dezember 2023

Gern gespielt im Dezember 2023

ZUG UM ZUG – LEGENDEN DES WESTENS: Nach dem Lochkarten-Spiel TURING MACHINE nun schon das Lochkarten-Legacyspiel.

BIER PIONIERE: So etwas wie „Bier-Probierer“ wäre nach den bisherigen Spielergebnissen wohl der treffendere Titel für mich. Damit kann ich mich aber gut identifizieren.

PERSPECTIVES: Ansichtssache.

TRIO: Wie zeige ich den Mitspieler:innen an, welche drei Karten sie aufdecken sollen? Da. Da. Da.

E-MISSION: Gibt’s analog zu „Overkill“ eigentlich schon einen Begriff dafür, dass man die Welt wesentlich häufiger rettet, als sie gerettet werden müsste?




UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM DEZEMBER:

MISCHWALD: Ich mag Natur. Und ich mag zu Hause bleiben. Ich mag MISCHWALD.






Montag, 25. Dezember 2023

Hamlet

Hamlet: Cover

Was die Einleitung angeht, sieht es eher schlecht aus. Dafür sieht HAMLET umso besser aus. Und im Mittel, finde ich, ist das dann schon in Ordnung so.

Wie geht HAMLET? Wir errichten ein Dorf. Gemeinsam, aber trotzdem in Konkurrenz zueinander. Alle Ressourcen und alle Produktionsgebäude stehen allen Spieler:innen zur Verfügung. Punkte sammelt dennoch jede:r für sich.
Zentrale Mechanismen sind Figureneinsatz und Warentransport. Bin ich am Zug, setze ich meine gesamten Figuren (anfangs besitze ich nur eine) an Orten meiner Wahl ein und führe die zugehörige Aktion aus. Beispielsweise kann ich ein neues Gebäude ans Dorf anlegen. Dazu muss ich mir zuvor das entsprechende Gebäudeplättchen besorgt haben, und ich muss die Baukosten bezahlen.
Die erforderlichen Ressourcen müssen erstens im Dorf vorhanden sein, zweitens muss ich sie mittels meiner Esel zur Baustelle befördern können. Die Esel setzen sich dafür nicht in Bewegung, ich muss vielmehr entlang von Wegen mit einer lückenlose Eselkette alle Dorfplättchen zwischen Ressourcen und Bauplatz überbrücken.

Hamlet: Spielaufbau

Eine alternative Aktion wäre beispielsweise die Warenherstellung: Ich setze meine Figur in den Steinbruch und erschaffe neue Steine. Es steht zu befürchten, dass sich andere Spieler:innen diese Steine alsbald unter den Nagel reißen, aber immerhin bekomme ich für meine Selbstlosigkeit Geld, und nur mit Geld kann ich mir weitere Figuren und Esel kaufen.
Statt ein neues Gebäude ins Spiel zu bringen, kann ich auch an der Kirche weiterbauen. Jeder Kirchenabschnitt benötigt eine bestimmte Warenkombination, die ich wie üblich mit Eseln herbeischaffen muss. Wie auch beim Bau anderer Gebäude gewinne ich Punkte. Hinzu kommt aber noch: Ist die Kirche komplett, endet das Spiel.

Was passiert? Ich erstelle Gebäude, ich produziere Rohstoffe, ich bringe „Sonderstätten“ ins Dorf. Das sind Plättchen, die nach denselben Regeln gebaut werden wie Gebäude, aber ausschließlich mir Vorteile bringen, immer in Anhängigkeit von anderen Gegebenheiten. Zum Beispiel zählt der „Kleine Berg“ einen Punkt pro angrenzendem Felssegment. Also werde ich ihn so bauen, dass er neben möglichst mehreren Felsen liegt, und bis zum Spielende möchte ich noch weitere Felsen hinzufügen.

Hamlet: Material

Die Sonderplättchen sorgen dafür, dass ich hin und wieder gegen den Strom schwimme. Ansonsten fühlt sich HAMLET ziemlich repetitiv an. Kann ich was bauen, baue ich. Kann ich nichts bauen, produziere ich. Es gibt keinen überzeugenden Grund, da irgendwie nicht mitmachen zu wollen und beispielsweise meine Esel jenseits der Hauptrouten zu platzieren, um mir etwas Eigenes zu erschaffen und es den anderen vorzuenthalten. Mich vom allgemeinen Warenstrom abzuschotten, schadet mir mehr als der Mehrheit. In meinen Runden wurde der Entscheidungsfreiraum und damit auch der Wiederspielreiz von HAMLET als eher gering empfunden.
Man verschafft sich Vorteile, indem man Gelegenheiten nutzt, die sich anderen nicht bieten oder die von anderen übersehen werden. Manchmal profitiert man auch von Warenengpässen, die aber kaum durch eigene Entscheidungen entstanden sind, sondern eher durch den Zufall, welche Gebäudeplättchen in welcher Reihenfolge auftauchen.

Was taugt es? Gut gelöst finde ich, wie HAMLET konstruktives Spielen belohnt. Auch wenn ich hergestellte Waren nicht selber nutzen kann: Ich bekomme trotzdem etwas fürs Produzieren. Und höherwertige Waren produziere ich sogar in meiner Farbe. Dadurch gehören sie zwar trotzdem nicht mir, aber so wird nachgehalten, dass ich es war, der die Ware ins Spiel gebracht hat. Und sobald sie irgendwer verbraucht, kassiere ich eine Belohnung.
Dass alle auf alles Zugriff haben, bringt jedoch den Nachteil mit sich, dass man erst dann sicher planen kann, wenn man an die Reihe kommt. Obendrein macht HAMLET das Spielen unnötig anstrengend. Bei der Grafik wurde offenbar sehr viel Wert auf eine pittoreske Illustration gelegt und weniger auf Spielbarkeit. Die Icons sind winzig, der Wegeverlauf ist auf manchen Plättchen nur zu erahnen.

Hamlet: Material

Mir erschließt sich nicht, welchen Vorteil es haben soll, dass die Plättchen so unterschiedlich geformt sind. Der Nachteil dagegen zeigt sich deutlich: Die Auslage wird unübersichtlich. Man nimmt ein großes Plättchen versehentlich als zwei kleine Plättchen wahr und vertut sich beim Warentransport.
Weil sich die einzelnen Aktionen schnell abwickeln lassen, könnte HAMLET flott vorangehen – tut es aber nicht. Spielzeit verstreicht, weil man nicht nur nachdenken, sondern sich überhaupt erst mal zurechtfinden muss und lieber zweimal als einmal überprüft, ob die Esel richtig positioniert sind. Obendrein kann sich das Spielende hinauszögern. Legt es niemand darauf an, an der Kirche weiterzubauen, geht HAMLET immer weiter und weiter.
HAMLET sieht schön aus, wirkt aber in einigen Belangen unausgereift. Und macht nicht besonders viel Spaß. Ich könnte jedenfalls nicht sagen, welches Element da wohl den besonderen Kick bringen soll. Klar, man kann tüfteln und überlegen. Aber die Tatsache, dass man tüfteln und überlegen kann, erzeugt nicht automatisch Spielreiz. Die Partien folgen einem Muster, Spiel und Dorf entwickeln sich immer ähnlich.


** misslungen

HAMLET von David Chircop für eine:n bis vier Spieler:innen, Mighty Boards.

Donnerstag, 21. Dezember 2023

Schnitzeljagd

Cover Schnitzeljagd

Zu SCHNITZELJAGD ist bereits vieles gesagt. Aber noch nicht alles und schon gar nicht von mir. Folglich:

Wie geht SCHNITZELJAGD? Wir jagen Schnitzel. Jede:r hat dieselben fünf Karten auf der Hand: Bär, Wolf, Luchs, Eule, Maus. Jede:r spielt eine, zunächst verdeckt. Größere Tiere fressen nun eventuell kleinere. Dabei gilt eine klare Hackordnung: Zuerst decken alle Spieler:innen, die einen Bären gelegt haben, ihre Karte auf. Ist exakt ein Bär vorhanden (nicht mehrere), bestimmt er eine Tierart unter den gerade gespielten, die gefressen werden soll. Beispielsweise alle Luchse. Alle Spieler:innen mit Luchs scheiden damit aus der laufenden Runde aus. Anschließend kommen die Wölfe an die Reihe und decken auf. Ist exakt ein Wolf vorhanden, bestimmt auch er eine Tierart, die gefressen wird. Dann kämen die Luchse an die Reihe, wären sie nicht gefressen worden, dann die Eulen, dann die Mäuse.
Wer diesen Ablauf überlebt, spielt eine zweite verdeckte Handkarte, wieder wird dieselbe Fressfolge ausgelöst. Alle Lebenden spielen eine dritte Karte, wieder wird gefressen, und wer jetzt noch lebt, kassiert eine Belohnung: Wer die höchsten Kartenwerte ausgespielt hat, erhält zwei Futterchips, alle anderen Überlebenden einen. Eine Maus zählt für diese Abrechnung fünf Punkte, die Eule vier und so weiter bis hin zum Bären, der nur einen Punkt zählt.
Für die nächste Runde werden alle Karten wieder aufgenommen, auch die Verstorbenen spielen wieder mit. Wer fünf Futterchips hat, gewinnt.


Karten Schnitzeljagd

Was passiert? Der Kniff von SCHITZELJAGD ist der Widerspruch: Im Falle des Überlebens sind kleine Tiere wertvoller. Vorher sind sie jedoch besonders fressgefährdet. Was also spiele ich? Eine Maus in der Hoffnung, dass niemand mit dieser Frechheit rechnet und niemand die Mäuse frisst? Oder eine Eule? Die kann zwar nur Mäuse angreifen, aber genau das will sie auch. Falls sie beim Fressen an die Reihe kommt, kann sie sich bei der Wahl des Opfers nie falsch entscheiden.
Dem Bären dagegen könnte das passieren. Spiele ich ihn, kann ich zwar nicht selber gefressen werden. Aber ich könnte ein Tier als Fressopfer wählen, von dem sich herausstellt, dass es gar nicht gespielt wurde. Oder es tauchen mehrere Bären gleichzeitig auf, dann gucke ich auch in die Röhre.
Letztendlich kann alles falsch oder richtig sein, und meine Entscheidung treffe ich rein intuitiv. Doch ab der zweiten Karte ändert sich das. Ich weiß nun, wer welches Tier schon gespielt hat und ob ich beispielsweise der Einzige bin, der noch einen Wolf besitzt. Was schon mal bedeuten würde, dass ich als Wolf sicher fressen kann – falls ich nicht selbst gefressen werden.
Vor der dritten Karte besitze ich noch etwas mehr Informationen. Sind nur noch zwei Personen im Spiel, lassen sich die Optionen teilweise sogar durchrechnen. Auch der Zwischenstand beeinflusst nun meine Wahl: Begnüge ich mich mit nur einem Futterchip? Dann kann ich möglicherweise so spielen, dass ich sicher überlebe. Hätte ich mit zwei Chips gewonnen? Dann versuche ich vielleicht den Lucky Punch, auch wenn ich das mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht überlebe.

Was taugt es? Zweifellos ist SCHITZELJAGD ein Spiel, das hauptsächlich durch Glück und Psychologie entschieden wird. Deswegen kann jede:r gewinnen, auch Kinder, auch Anfänger:innen, auch Personen, die die Regeln gar nicht richtig verstanden haben. Aber etwas häufiger als im rechnerischen Durchschnitt wird dann doch erfolgreich sein, wer die durchaus vorhandenen Informationen zu nutzen versteht. Durch diese kleine taktische Ebene macht mir SCHNITZELJAGD noch etwas mehr Spaß.
Hervorhebenswert finde ich auch den Minimalismus: Es gibt nur fünf verschiedene Karten. Jede:r besitzt jede dieser Karten einmal. Das ist noch komprimierter und regelärmer als beispielsweise LOVE LETTER und kreiert trotzdem zuverlässig Freude, Spannung und Überraschung.
Mit mehr Spieler:innen finde ich SCHNITZELJAGD reizvoller als in kleiner Besetzung. Die schrille Grafik allerdings schreckt manche ab. Mich stört sie nicht. Fraglos ist SCHNITZELJAGD nichts, was für einen gesamten Spieleabend trägt oder bei jedem Einsatz neue verblüffende Wendungen offenbart. Soll es aber auch nicht. Als Viertelstundenspiel ist es prima.


***** reizvoll

SCHNITZELJAGD von Brett J. Gilbert und Matthew Dunstan für zwei bis fünf Spieler:innen, Edition Spielwiese / Pegasus Spiele.

Samstag, 16. Dezember 2023

Revive

Revive Cover

REVIVE heißt „wiederbeleben“, diese Einleitung ist trotzdem sehr tot.

Wie geht REVIVE? REVIVE ist ein typisches Eurogame, bei dem wir uns auf einer Landkarte ausbreiten, auf Skalen klettern, unsere Eigenschaften verbessern und auf die eine oder andere Weise Punkte erhalten. Ein richtiges Thema braucht es nicht. Man kann ja einfach sagen, die Erde sei kaputt, und die Menschheit fängt neu an. Das passt immer.
REVIVE beinhaltet Deckbau. Ich besitze ein paar Startkarten, gewinne weitere hinzu. Die neuen sind nicht unbedingt stärker, aber bei REVIVE geht es auch darum, schlichtweg mehr Karten zu sammeln. Denn neue Karten bekomme ich direkt auf die Hand und verlängere so die Dauer, bis ich mangels Möglichkeiten einen Aufräumzug machen muss. Im Aufräumzug wird – vereinfacht gesagt – alles wieder freigeschaltet, das benutzt war – und ich nehme meinen kompletten Ablagestapel auf die Hand und bilde aus allen gespielten Karten einen neuen Ablagestapel.

Revive: Tableau

Meine Karten spiele ich in Slots. In den beiden oberen Slots erhalte ich dafür die Effekte der oberen Kartenhälfte, in den unteren Slots ist es umgekehrt. Normalerweise passt in jeden Slot nur eine Karte. Auf mache Karten darf ich aber noch eine weitere gleichfarbige Karte spielen. Slots kann ich aufwerten, um bei eingeschobenen Karten Zusatzeffekte zu erhalten. Es gibt zudem Effekte, um Slots wieder zu leeren. Und ich könnte zu meinen vier Start-Slots noch einen fünften aktivieren.
Kartenaktionen führen dazu, dass ich Ressourcen gewinne. Unter Einsatz solcher Ressourcen entdecke ich neues Land oder errichte Gebäude oder bringe Bevölkerung ins Spiel (seltsamerweise nicht in den Gebäuden, sondern anderswo).
Gebäude bringen mir Fortschritte auf spiralförmig angeordneten Skalen, unter anderem schalte ich Nebenaktionen frei. Land zu entdecken bringt mir eine neue Karte. Außerdem bestimme ich damit, in welche Richtung die entdeckte Welt weiterwächst und wie das entdeckte Plättchen ausgerichtet werden soll (natürlich zu meinem Vorteil). Bevölkerung bringt mir verbesserte Fähigkeiten, ich schalte Abschnitte meines Tech Trees frei. Gelingt es mir, Figuren in den Ecken des Spielplans anzusiedeln (wozu erst mal die gesamte Welt dazwischen entdeckt werden muss, obendrein verursacht der weite Weg Ressourcenkosten), partizipiere ich an einer der Schlusswertungen.
Im Detail gibt es noch ein paar mehr mögliche Aktionen, hinzu kommen die Nebenaktionen und hier und da Kettenreaktionen, so dass REVIVE um einiges verwobener ist als hier dargestellt.


Revive: Spielplanausschnitt

Was passiert? Wenn ich am Zug bin, darf ich zwei Aktionen ausführen. Zweimal Rohstoffe zu nehmen, fühlt sich meist nicht nach genügend Spielfortschritt an: Ich will schon jedes Mal ein Plättchen entdecken oder was auf den Spielplan bringen, zumal hier von Beginn an Rivalität um die besten Plätze herrscht. Somit ist es oft eine gewisse Tüftelei und Optimiererei, welche Karte ich in der ersten Aktion in welchen Slot lege, um so meine zweite Aktion vorzubereiten, mit der ich mich ausbreite.
Weil vorab nicht bekannt ist, wie viele Züge wir haben werden, übt REVIVE von Beginn an Zeitdruck aus. Man kann nicht endlos Ressourcen anhäufen (die geringe Lagerkapazität lässt es ohnehin nicht zu), um damit im Finale alles aufzuholen, was man bis dahin versäumt hat. Es fehlen am Ende schlichtweg die Aktionen dafür. REVIVE fühlt sich wie ein Wettrennen an.
Meinen Fokus erhalte ich einerseits durch eine Zielkarte, die bestimmt, für welche Errungenschaften ich am Spielende Punkte gewinne, andererseits durch die möglichen Wertungen in den Spielplanecken. Jede:r von uns spielt außerdem einen anderen Stamm mit etwas anderen Schwerpunkten und anderem Tech Tree. Die Gegebenheiten können von Spiel zu Spiel also ziemlich unterschiedlich sein, und sie bestimmen, ob ich mehr auf Gebäude oder Bevölkerung oder Entdeckungen setze.


Revive: Karten

Was taugt es? Ressourcen erst einzusammeln, dann einzusetzen, um am Ende Punkte zu gewinnen, ist inzwischen das Konzept so vieler Spiele, dass man der Sache ziemlich überdrüssig sein kann. REVIVE empfinde ich dennoch als überdurchschnittlich.
So konstruiert alles auch ist: In REVIVE machen die Mechanismen Spaß. REVIVE vereint Deckbau mit einem Tech Tree; wir streben nach Wachstum, Entdeckungen und Ausbreitung. Das ist alles konstruktiv und fühlt sich deshalb gut an. Es ist zudem interessant verwoben, ohne überkompliziert zu sein. Zwar muss zu Beginn viel erklärt werden. Hat man aber das Spielkonzept verstanden, leitet sich alles sehr schlüssig ab. REVIVE gibt viel Tempo vor. Mit Geplänkel sollte man sich besser nicht aufhalten.
REVIVE macht mir Spaß, ich spiele es gern. Dass man in zwei, drei Jahren von dem Spiel noch reden wird, glaube ich trotzdem nicht. So gut alles gemacht ist: Es gibt inzwischen viele Spiele, die ähnlich gut gemacht sind. REVIVE tut sich weder durch ein überzeugendes Thema hervor noch durch einen herausragenden Mechanismus und bleibt dadurch ein bisschen gesichtslos.


***** reizvoll

REVIVE von Kristian A. Østby, Helge Meissner, Anna Wermlund und Eilif Svensson für eine:n bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Samstag, 9. Dezember 2023

Trekking – Reise durch die Zeit

Wer die Einleitung lesen möchte, begebe sich bitte ins Jahr 2025. Bis dahin sollte sie eigentlich fertig sein.

Wie geht TREKKING? Wir bilden Kartenreihen. Jede Karte zeigt eine Jahreszahl von 37.000 vor Christus bis 1994. Und jede, die ich meiner Reihe hinzufüge, muss näher an der Gegenwart liegen als die vorherige. Erfüllt die Karte diese Vorgabe nicht, beginne ich mit ihr eine neue Sammelreihe. Das möchte ich eher vermeiden, denn je länger meine Sammelreihe wird, desto mehr Punkte zählt sie.
Bin ich am Zug, wähle ich eine der Karten aus dem Markt. Außer der Jahreszahl zeigt sie erstens Kosten an. Die Kosten zahle ich in Form von Zeiteinheiten. Pro Durchgang habe ich zwölf Zeiteinheiten zur Verfügung. Und an der Reihe ist übrigens immer, wer aktuell die wenigsten Einheiten verbraucht hat. Man kann also mehrfach hintereinander dran sein. Oder auch längere Zeit nicht.
Zweitens zeigt die Karte an, welche Farb-Chips ich erhalte. Die Karte „450 v. Chr.“ bringt beispielsweise einen gelben und einen grünen Chip. Plus eventuell einen weiteren, abhängig von ihrer Position im Markt. Je länger eine Karte schon verschmäht dort liegt, desto höherwertiger ist meine Zusatzbelohnung, wenn ich die Karte nehme.

Die Chips sind in TREKKING die zweite große Punktequelle. Für jeden Durchgang wähle ich ein anderes Tableau, auf dem ich meine Chips ablege. Und das Tableau gibt vor, wofür ich Punkte erhalte: Beispielsweise für meinen dritten und sechsten roten Chip, für den vierten gelben, den dritten grünen und dafür, dass ich mindestens vier rote, einen blauen und zwei gelbe gesammelt habe. Bestimmte Farben benötige ich also häufiger als andere, und um alle möglichen Punkte abzuräumen, muss ich sehr gezielt sammeln.

Was passiert? Der Reiz von TREKKING liegt darin, dass ich zwei Ziele gleichzeitig verfolge: Die Karte soll die benötigten Chips liefern, und sie soll meine Zeitleiste verlängern. Und obendrein sollte sie möglichst wenig kosten. Ist eine solche Karte im Markt, gibt es nicht viel zu überlegen.
Oft genug ist solch eine Karte aber nicht im Markt, und nun muss ich abwägen: Nehme ich eine Kompromisskarte, um wenigstens die Zeitlinie fortzusetzen? Oder ist es zugunsten passender Chips an der Zeit, meine Sammelreihe zu beenden und eine neue zu beginnen? Wenn alle anderen rund um 1800 unterwegs sind und ich 1300 vor Christus neu starte, sammle ich eine Weile antizyklisch und kann darauf hoffen, dass mehr Karten für mich liegenbleiben, denn alles vor 1800 können die anderen ja nicht gebrauchen … Was natürlich nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass tatsächlich Karten kommen, die ich haben möchte. Vielleicht bin ich gezwungen, gleich mit der nächsten Karte schon wieder ins 16. oder 17. Jahrhundert zu springen.

Es ist schon recht viel Schicksal, was der Markt hergibt. Aber ich habe auch Raum zum Taktieren. Kristalle, die ich hier und da als Belohnung erhalte, darf ich einsetzen, um die Zeitkosten einer Karte zu reduzieren. So bekomme ich nicht nur mehr Karten pro Durchgang, ich kann auch steuern, wann ich ungefähr wieder an der Reihe sein werde. Liegen gleich mehrere attraktive Karten da, kann ich den Preis mit Kristallen vielleicht so sehr drücken, dass ich zweimal in Folge zugreifen darf. Oder umgekehrt: Liegt auf lange Sicht nur Mist aus, kaufe ich so, dass ich länger nicht dran bin. In der Hoffnung, dass die für mich doofen Karten bis zu meinem nächsten Zug verschwunden sind.

Was taugt es? Man kann in TREKKING in die Zukunft spekulieren, aber wirklich in die Zukunft planen kann man kaum. Wie in vielen anderen Spielen auch werden in TREKKING im Markt Karten um eine Position weitergeschoben, sobald Lücken aufzufüllen sind. Weil ein Teil der Chipbelohnungen von der Position der Karte im Markt abhängig ist, haben kleine Verschiebungen große Auswirkungen. Eine Karte, die mir bis vor wenigen Sekunden zwei blaue Chips gebracht hätte, bringt plötzlich einen blauen und einen gelben – und der gelbe ist für mich völlig unnütz.
Man kann deshalb erst überlegen, wenn man an der Reihe ist, und manchmal muss man obendrein länger abwägen, bis man zu einer Entscheidung gelangt. Die Geduld derjenigen, die wegen der Reihenfolgeregelung viele Züge aussetzen müssen, wird auf die Probe gestellt. Und wenn man nach langem Warten endlich agieren darf und nur Karten vorfindet, die man nicht will, kommen durchaus auch Ohnmachtsgefühle auf. In meinen Runden wurde TREKKING sehr zwiespältig aufgenommen. Manche fühlten sich gespielt und waren frustriert.

Positiv sind die Einfachheit und Eleganz von TREKKING. Hier sind keine Regeln und keine Haken zu viel. Das Ziel ist klar, die Abläufe sind klar und werden zudem durch das schöne, wertige Material sehr gut unterstützt. Das Spielthema Zeitreise passt ganz gut. Bei der Auswahl der Ereignisse wurde offenbar darauf geachtet, Geschichte nicht nur aus männlicher und europäischer Sicht zu betrachten. Schön ist auch, dass auf der Rückseite jeder Karte häppchenweise historische Hintergründe nachzulesen sind, wodurch die Karten mehr liefern als nur Jahreszahlen – wenn man dies möchte.


**** solide

TREKKING – REISE DURCH DIE ZEIT von Charlie Bink für eine:n bis vier Spieler:innen, Game Factory.

Dienstag, 5. Dezember 2023

Vor 20 Jahren (132): Attika

Nach ELEMENTS, VERRÄTER, MEUTERER, LIFT OFF, ATTRIBUT und BAKERSTREET – allesamt Kartenspiele – war ATTIKA das erste große Brettspiel von Marcel-André Casasola Merkle. Und wäre ich er, wäre ich erstens sehr stolz auf dieses Werk und hätte mir zweitens einiges davon erhofft.

Eine Nominierung für die Wahl zum Spiel des Jahres vielleicht. Aber es wurde nur die Empfehlungsliste. Nominiert wurden im Jahr 2004 ZUG UM ZUG, EINFACH GENIAL, SANKT PETERSBURG, RAJA und DICKE LUFT IN DER GRUFT.

Na gut, aber dann vielleicht eine Top-3-Platzierung beim Deutschen Spielepreis? Nein, wieder knapp verfehlt. Es wurde Platz vier hinter SANKT PETERSBURG, SAN JUAN und GOA. Und wenn ich mir diese ganzen Spieletitel so vergegenwärtige (und obwohl ich zwei Spiele auf der Nominierungsliste nicht nominiert hätte), muss ich feststellen: Puh! Der 2003/04er-Jahrgang war legendär stark!

Vielleicht lag’s an diesem starken Jahrgang, dass ATTIKA – zumindest nach meinem Empfinden – ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Aber offenbar waren schon damals einige gar nicht so hingerissen wie ich. In der spielbox vergaben die Rezensent:innen überwiegend acht Punkte, allerdings auch einmal nur fünf und einmal nur sechs. In der Fairplay gab es Zweien, aber nicht nur glatte, und Dreien gab es auch, und eine davon war sogar eine Drei minus. – Was soll ich dazu sagen? Pfft!

ATTIKA ist ein Aufbauspiel. Aber es ist auch ein Positionierungsspiel. Verglichen mit heutigen Aufbauspielen ist es sehr interaktiv und zugleich erstaunlich elegant. Ganze vier Seiten Anleitung genügen.


Jede:r besitzt dieselben 30 Plättchen, die überwiegend Gebäude zeigen. Zunächst liegen sie verdeckt. Ich gewinne, wenn ich entweder alle meine Plättchen baue oder wenn ich so baue, dass ich zwei Heiligtümer auf dem während der Partie wachsenden Spielplan verbinde. Die Gebäudeplättchen baue ich mit Rohstoff-Kombinationen. Die Rohstoffe bezahle ich teilweise in Form von Handkarten, teilweise nutze ich Rabatte, die mir der Spielplan gibt. Baue ich beispielsweise auf oder neben Wald und Hügel, spare ich dabei ich ein Holz und ein Lehm. Wer früh baut, baut billiger. Denn überbaute und unsichtbare Symbole geben keinen Rabatt mehr.

Das ist nicht nur absolut logisch. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie gut die Abläufe in ATTIKA grafisch unterstützt sind. Das gilt auch für eine weitere Bauregel: Ich darf Plättchen kostenlos legen, wenn sie an ein bestimmtes anderes Plättchen angrenzen, beispielsweise der Turm an die Festung.

Welche Plättchen zusammengehören, ist nicht nur thematisch erklärbar, es zeigt sich auch auf meinem Tableau, auf dem ich Plättchen zwischenlagere, nachdem ich sie aufgedeckt, aber noch nicht gleich gebaut habe. Was ich dürfte. Aber manchmal kann man eben nicht. Und manchmal will man nicht. Habe ich etwa einen Turm gezogen, wäre es eine Überlegung, erst noch die Festung abzuwarten, um für den Turm keine Rohstoffe zahlen zu müssen.

Nicht zu bauen, kostet allerdings Präsenz auf dem Spielplan. Die anderen besetzen währenddessen die rohstoffreichsten Ecken. Und die Gefahr, dass irgendwer zwei Heiligtümer verbindet, ist in einer eher leeren Landschaft natürlich auch viel größer. Und das ist übrigens das Einzige, was ich an ATTIKA manchmal nicht so gemocht habe. Oder vielleicht habe ich es auch an meiner Spielerunde nicht gemocht: In letzter Not einen Verbindungssieg zu verhindern, kann eine sehr teure Angelegenheit sein. Und in meiner damaligen Runde überließ einer das gerne dem Nächsten. Bis es dann derjenige machen musste, der als Letzter vor dem potenziellen Gewinner an die Reihe kam. Andere standen vielleicht besser da und profitierten deshalb mehr davon, andere hätten’s auch mit weniger Aufwand hingekriegt, aber die Drecksarbeit blieb trotzdem an mir hängen … ähm, ich meine, an dem armen Unbekannten, der da gerade eine unglückliche Position in der Sitzreihenfolge hatte.

Aber das ist längst Schnee von gestern. Ich habe es vollständig abgehakt und bin da emotional kein bisschen mehr involviert. Überhaupt nicht. Und je häufiger wir ATTIKA spielten, desto seltener gelang ohnehin ein Verbindungssieg.

In Rezensionen schreibt man oft im letzten Absatz (also diesem): „Kommt immer wieder auf den Tisch.“ Und vielleicht glaubt man das in dem Moment auch, aber es scheitert an der Realität. ATTIKA ist eines der wenigen Spiele, das in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich immer mal wieder von uns gespielt wurde. Und es fühlt sich nicht alt an, sondern wie vor 20 Jahren schon. Sehr elegant. Sehr spannend. Und leider unterbewertet.


Freitag, 1. Dezember 2023

Orichalkum

Platon – das ist wichtig – hat Orichalkum als das Material bezeichnet, das die Bewohnerinnen und Bewohner von Atlantis außer Gold am meisten wertschätzten. Angeblich war mit Orichalkum auch ihre Königsburg verziert.
Das ist sicherlich nicht allen geläufig, deshalb wollte ich eingangs unbedingt darauf hinweisen. Kontinuierlicher Wissenszuwachs meiner Leser:innen ist eines der Hauptanliegen von REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Um für das Verständnis meiner Artikel eine gemeinsame intellektuelle Basis aufzubauen, bin ich gerne bereit, immer wieder kleine Perlen meines umfassenden Kenntnisschatzes weiterzugeben, die ich mir … äh, gerade eben auf Wikipedia angelesen habe.

Wie geht ORICHALKUM? ORICHALKUM ist ein Wettrennen auf fünf Siegpunkte. Als Fundament muss ich aber erst mal einige Landschaftsteile auf meine Insel legen. Die Teile sind bis zu drei Inselfelder groß und zeigen verschiedene Landschaften wie Wald, Gebirge oder Lagune.
Habe ich so gelegt, dass vier verschiedene Landschaften ein Parallelogramm bilden, könnte ich in einer späteren Bauaktion einen Tempel auf diese vier Landschaften setzen. Das zählt einen Punkt. Lege ich drei oder mehr gleiche Landschaften aneinander, gewinne ich die Gunst eines Titans. Der Titan bringt mir einen einmaligen Vorteil, und auch er zählt einen Punkt, solange mir niemand den Titan wieder abjagt. Und schließlich: In der Bauaktion kann ich auch einfach fünf Orichalkum abgeben. Damit erschaffe ich eine Medaille, und auch sie zählt einen Punkt.

In jeder Runde wählt jede:r eine Kombination aus einem Landschaftsteil (und baut es bei sich ein) und einer Aktion (und führt sie aus). Es gibt die schon erwähnte Bauaktion, in der ich auch Gebäude auf meine Landschaften bauen darf, die zwar leider diese Landschaften versiegeln, aber ansonsten Spielvorteile bringen und sehr starke Kombinationen ergeben können (wenn es die zufällige Auslage zulässt, solche Kombinationen zu bilden).
Weitere Aktionen sind: Orichalkum produzieren (je mehr Orichalkum-Minen ich gebaut habe, desto mehr produziere ich), Hopliten rekrutieren (je mehr Trainingslager ich gebaut habe, desto mehr rekrutiere ich), Monster bekämpfen. Monster kommen mit den Landschaftsteilen ins Spiel. Jedes Vulkanfeld liefert ein Monster mit. Solange ich Monster auf meinem Tableau habe, kann ich nicht gewinnen. Aber besiegte Monster bringen eine schöne Belohnung. Und ich besiege Monster mit Hopliten und glücklichen Würfelwürfen.

Was passiert? Weil es ein Wettrennen ist, soll jeder Zug einen erkennbaren Fortschritt bringen. Das Legeteil sollte besser groß statt klein sein und es sollte an der richtigen Stelle die gewünschten Landschaften zeigen. Je nachdem, wie man aufgestellt ist, möchte man Monster auf seinen Landschaften eher vermeiden – oder freut sich sogar auf sie.
Aber zum Landschaftsteil gehört eben noch die Aktion. Bauen ist fast immer beliebt. Ob man aber Hopliten rekrutieren möchte, hängt sehr davon ab, wie viele man bekommt. Und Monster bekämpfen zu dürfen, ist vollkommen sinnlos, wenn keines da ist. Unter Einsatz von Hopliten ist man bei der Wahl der Teil-Aktions-Kombi etwas flexibler. Allerdings kann es passieren, dass sowieso keine Kombination ausliegt, die man dringend haben möchte. Oder dass man zwar eine Bauaktion bekommen könnte, aber das Gebäudeangebot gibt gar nichts her. Oder man kann sein Plättchen so legen, dass man einen Titan bekommt, doch dessen Vorteil passt überhaupt nicht zu dem, was man bislang gebaut und gelegt hat.
Sicher: Man muss sich den Titan ja nicht holen, wenn man ihn gar nicht will. Aber er zählt nun mal einen von fünf Punkten. Es ist in ORICHALKUM ohnehin gar nicht so leicht, eine lupenreine Strategie zu verfolgen, der sich dann alles unterordnet. Vieles hängt von Gegebenheiten, Sitzreihenfolge und Würfelglück ab. ORICHALKUM fühlt sich deshalb etwas wirr und unaufgeräumt an. Statt des großen Plans entscheidet oft eher, ob sich situativ Gelegenheiten bieten, die man nutzen kann.

In meinen Partien wurden die meisten Siegpunkte über Medaillen gewonnen, weshalb das Orichalkum recht schnell als übermächtig in Verruf kam. Das ist meines Erachtens aber eine Frage der Spielerfahrung. Taucht man tiefer ein, wird man feststellen, dass es noch weitere Wege zum Sieg gibt. Ohnehin gewinnt man nie alle fünf Siegpunkte mit derselben Methode. Es ist immer ein bisschen Mischstrategie. Die Frage ist lediglich, welche Beimischung die stärkste ist.
Und die Frage ist ebenso, ob man überhaupt tiefer eintauchen möchte. Viele meiner Mitspieler:innen wollten das nicht, und ich kann es ihnen nicht verübeln. Denn …

Was taugt es? Auf mich wirkt ORICHALKUM sehr konstruiert. Der Spielablauf selbst ist nicht kompliziert. Doch ORICHALKUM verwendet sehr viele Mechanismen gleichzeitig, und ich frage mich, was denn das Zentrum des Spiels ist. Hat es eines?
Am schönsten finde ich die Legespielidee: Gebäude auf Landschaften können mir große Vorteile bringen, aber sie überdecken die Landschaft, und offene Landschaften hätten den Vorteil, dass ich mit drei gleichen einen Titan und mit vier verschiedenen einen Tempel gewinnen könnte. Da man obendrein nicht jedes Gebäude auf jede Landschaft bauen darf, ergibt sich immer mal wieder die verzwickte Abwägung, ob das Bauen von Gebäuden meinen Siegpunkterwerb nicht vielleicht eher bremst statt ihn zu beschleunigen. Oder ob ein paar zerstörte Landschaften nicht einfach der Preis sind, um mir eine Engine aufzubauen, die mich im Schlussspurt an den anderen vorbeipreschen lässt.
Dieser reizvolle Aspekt kommt während der Partie aber gar nicht so auffallend zum Tragen, weil er durch so viele andere Dinge und Mechanismen überlagert wird. ORICHALKUM wirkt auf mich überdimensioniert. Das meint sowohl die vielen im Spiel enthaltenen Details und Nebenmechanismen als auch das Material. Alles ist riesig, wie für Kinderhände gemacht. ORICHALKUM benötigt unnötigerweise sehr viel Platz auf dem Tisch.


*** mäßig

ORICHALKUM von Bruno Cathala und Johannes Goupy für zwei bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Donnerstag, 30. November 2023

Gern gespielt im November 2023

MISCHWALD: Pirsch auf Hirsch.

SCHÄTZ IT IF YOU CAN: … if you can!!! Ich bin ja der Meinung, dass ich mich in jedem Spielzug absolut korrekt an das ausgegebene Motto halte. Weiß nicht, warum das nicht mehr belohnt wird.

MOORLAND: Meine Baustoffe geraten ziemlich ins Schwimmen und ich auch.

DER HERR DER RINGE – ADVENTURE BOOK GAME: Das Runde muss ins Feurige.

’NE TÜTE CHIPS: Der Titel unterschlägt, dass es sich zugleich um ’ne Tüte Münzen handelt. Diese Prioritätensetzung ist mir als Betreiber von REZENSIONEN FÜR MILLIONEN unerklärlich.




UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM NOVEMBER:

E-MISSION: Dass der Bindestrich nicht mitgelesen wird, habe ich übrigens nicht so sehr schnell kapiert.





Donnerstag, 23. November 2023

Heiße Hexenkessel

Hex, Katz, bärtig
Einleitung ist fertig

Wie geht HEISSE HEXENKESSEL? Wir versuchen, der Person rechts von uns mehr Zutaten zuzuschanzen, als sie in ihrem Vorrat unterbringen kann. Hat meine Nachbarhexe fünf überschüssige Zutaten gesammelt, gewinne ich.
Die Zutaten sind Holzwürfel in den Farben rot, blau, grün, weiß und schwarz. (Man könnte auch stimmungsvoller sagen: Es sind Pilze, Spinnen, Kröten, Alraunen, Schattenherzen.) Jede Runde spielt jede:r eine von vier Rezeptkarten aus der Hand. Jede Rezeptkarte definiert ein Tauschverhältnis und besagt beispielsweise, ich muss zwei weiße Würfel einsetzen, um damit drei blaue Würfel herzustellen.
Alles, was ich hergestellt habe (in diesem Fall drei blaue Würfel), schiebe ich am Ende der Runde nach rechts. Meine Nachbarhexe muss es, wenn möglich, in ihren Bestand nehmen. Alles, was ich eingesetzt habe, geht verloren. Was meistens gar nicht schlecht ist, denn ich will ja nicht, dass meine Vorräte überlaufen.

Nun werden die Handkarten nach links weitergegeben, eine nachgezogen, wieder eine ausgespielt. Nach der zweiten Runde hat man also zwei Rezepte im Spiel, nach der dritten drei und so weiter. Und soweit der eigene Zutaten-Vorrat reicht, wird man üblicherweise auch alle Rezepte ausführen, um möglichst viel Zeug nach rechts rüberschieben zu können.
Reicht der Vorrat nicht aus, darf man auch Zutaten, die man im selben Zug hergestellt hat, benutzen, um die Voraussetzungen anderer Rezepte zu erfüllen. Das ist meist besser, als komplett auf die Ausführung des Rezepts zu verzichten. Aber natürlich ist es ärgerlich, denn man hätte auch diese Steine lieber der Nachbarhexe reingedrückt.


Was passiert? HEISSE HEXENKESSEL endet ziemlich schnell. Die meisten meiner Partien gingen nur über vier Durchgänge. Selten wurden es mal fünf. Mehr habe ich kein einziges Mal erlebt, obwohl ich HEISSE HEXENKESSEL in verschiedenen Runden mit unterschiedlicher Teilnehmer:innenzahl und sowohl mit Neuspieler:innen als auch Wiederholer:innen gespielt habe.
Und vier Runden, selbst fünf, empfinde ich als zu kurz. Bei irgendwem entsteht recht schnell in irgendeiner Farbe ein Überschuss, sagen wir in Blau. Und es ist auch nicht so, dass man das verpennt oder ignoriert: Man sieht das Unglück kommen, aber man bekommt eben nicht die Rezepte, um nennenswert blaue Zutaten loszuwerden. Und wenn die Person links ihre Produktion blauer Zutaten sogar noch steigern kann, ist man ruckzuck am Ende, und ich frage mich: Wozu der ganze Aufwand? Wo ist da der Spannungsbogen?
Ich erlebe in HEISSE HEXENKESSEL auch keine Abwägung zwischen Offensive und Defensive. Offensive ist klar am besten. Ob ich mein Zutatenlimit etwas überschreite, ist egal, Hauptsache, ich mache meine rechte Nachbarhexe platt.

HEISSE HEXENKESSEL geht erst dann über mehr Runden, wenn wirklich alle am Tisch die Züge durchrechnen und registrieren, dass da jemand kurz vorm Absaufen ist, und versuchen, der Person, die dann gewinnen würde, Zutaten gezielt vorzuenthalten. Man braucht dann eine Regelung, wer seine Rezepte im Zweifelsfall zuerst ausführen muss, und über Initiativwerte der gespielten Karten gibt es eine solche Regelung auch.
In meinen Runden wurde davon aber kein Gebrauch gemacht. HEISSE HEXENKESSEL wurde als schnell gespieltes Ärgerspiel verstanden, und es gab auch einige Spieler:innen die mit der kurzen Spieldauer und dem, was währenddessen passierte, völlig zufrieden waren.

Was taugt es? Vom Prinzip her gefällt mir HEISSE HEXENKESSEL. Man spielt nicht nebeneinander her, sondern steht im direkten Duell mit den beiden Nachbar:innen. Von links kommt lauter Übles, nach rechts möchte man möglichst viel Übles weitergeben. Mir gefällt die Aufmachung des Spiels und mir gefällt auch die Schadenfreude.
Für mein Empfinden ist das Spiel aber zu kurz. Es baut sich keine Spannung auf, sondern die Dinge geschehen einfach, brechen über die Opfer herein. Dass hier redaktionell nicht alles rund ist, zeigen mir auch die bislang nicht erwähnten Arkana-Effekte, die für wenig Auswirkung sehr viel Erkläraufwand verursachen – und beim Spielen (vielsagenderweise) dann doch ständig vergessen werden.


*** mäßig

HEISSE HEXENKESSEL von Erik Andersson Sundén für zwei bis fünf Spieler:innen, Leichtkraft / AEG.

Sonntag, 19. November 2023

Pyramido

Pyramiden, so alt sie sind, offenbaren bis in die Gegenwart noch Neues. Und was soll man sagen: Für Pyramiden als Spielthema, so abgehangen es ist, gilt das anscheinend ebenso.

Wie geht PYRAMIDO? Wir bauen mit Domino-Plättchen Pyramiden. Die unterste Lage besteht aus zehn Dominos, die zweite Lage aus sechs, die dritte aus drei, und die abschließende vierte Ebene enthält noch genau einen Domino-Stein.
Die meisten Dominos sind zweifarbig, manche einfarbig. Und jeder Domino zeigt zwei Wertungssymbole, entweder verteilt oder beide Symbole auf derselben Hälfte.

Ist eine Ebene fertig, wird geschaut, wie viele Wertungssymbole zu sehen sind. Bei der ersten Ebene werden das bei allen Spieler:innen logischerweise 20 sein – aber nicht alle Symbole werden auch gewertet. Pro Farbe werte ich nur eine Fläche. Und ich darf mir nicht mal aussuchen, welche. Sondern es wird die Fläche gewertet, auf der mein Marker liegt.
Marker wiederum kommen ins Spiel, wenn ich in einem Durchgang (der dem Legen einer Ebene entspricht) eine Farbe zum ersten Mal spiele. Diese Farbe muss ich markieren. Außer ich spiele gleich zwei Farben erstmalig. Dann markiere ich nur eine.
Pro Symbol der gewerteten Farbflächen bekomme ich einen Punkt. Meine schlechteste Farbfläche punktet doppelt. Deswegen kann es lukrativer sein, nicht alle Farben zu bauen. In oberen Ebenen wird dies zwangsläufig passieren.
Der entscheidende Kniff des Spiels ist, dass wir die Ebenen leicht versetzt bauen. Was in der ersten Ebene ganz außen liegt, bleibt auch nach dem Bau der zweiten Ebene sichtbar. Äußere Symbole können also erneut punkten, falls ich sie farblich passend anbinde.


Was passiert? Die Kombination versetztem Bauen und Wertungsmodalitäten ist originell. Trotz einfacher Regeln bietet PYRAMIDO im Genre der Domino-Legespiele tatsächlich noch etwas Neues. Wie clever das ausgedacht ist, merkt man erst beim Spielen.
Weil man Dominos angrenzend an bereits gelegte Dominos derselben Ebene legen muss, entstehen fiese Zwänge. Insbesondere ab der zweiten Ebene, wo ich bereits recht klare Wunschvorstellungen habe, welche Farbkombination mein Plättchen liefern soll. Immer wieder muss ich improvisieren und auch Abstriche machen.
Ein bisschen kann ich vorausplanen. Stets drei Bauteile liegen zur Auswahl. Und auch das jeweils oberste Teil der vier Nachziehstapel ist offen. Ich sehe also, was kommen könnte. Jedoch: Wenn ich etwas sehr, sehr gut gebrauchen kann, wird es vermutlich nicht kommen. Denn wer ein Teil baut, bestimmt, von welchem Stapel der Markt wieder aufgefüllt wird. Dass Mitspieler:innen mein Lieblingsteil hinlegen, ist unwahrscheinlich. Lege ich es selbst in den Markt, kann es jede:r wegschnappen, bevor ich wieder an die Reihe komme.

Dieser konfrontative Mechanismus macht das Spiel leider zäh. In meinen Partien war es oft so, dass Spieler:innen lange überlegt haben, wie sie anderen möglichst keine Vorlage geben. Jedes Plättchen im Markt ist mit exakt zwei Nachziehstapeln verknüpft. Beim Bauen des Teils darf ich nur von diesen Stapeln nachlegen. Deshalb kann sich das Vermeiden-Wollen einer Vorlage sogar darauf auswirken, welchen Domino ich bei mir anlege, was die Überlegungen mitunter noch mehr in die Länge zieht … und bei allem Grübeln, wie ich der Person nach mir schade, übersehe ich am Ende vielleicht, dass ich der Dritten oder dem Vierten am Tisch ein Spitzenteil serviere.
Zu zweit empfinde ich diesen Mechanismus als angemessen und gut funktionierend. Ich frage mich aber, ob in Spielen zu dritt und zu viert verdeckte Nachziehstapel, von denen man zufällig nachlegt, nicht die bessere Option gewesen wären. Dem Spielfluss täte es auf jeden Fall gut.

Was taugt es? Dass PYRAMIDO trotz seiner stringenten und reizvollen Bau- und Wertungsmechanik nicht über „solide“ hinauskommt, liegt noch an einer zweiten Sache, die mir nicht gefällt: der letzte Durchgang. Hier lege ich nur ein Teil und bin stark determiniert, was ich brauchen kann und was nicht. Meist macht es einen riesigen Punkteunterschied, ob ich ein optimales oder ein mittelmäßiges Teil erhalte.
Dreimal im Spiel darf ich mit einem Abdecker aus Papier eine Dominoseite umfärben. Und: Beim Umfärben darf ich auf beide Hälften des Plättchens einen Marker legen. Also werde ich bis zum Schluss die Papiere übrigbehalten, deren Farben mir in der vierten Ebene die meisten Punkte bringen. Doch pro Domino darf ich nur eine Hälfte umfärben. Mindestens eine Hälfte des abschließenden Teils muss eine meiner beiden Wunschfarben zeigen.
Mit Pech klappt aber nicht mal das. Obendrein hängt es von der Zugreihenfolge ab. In jedem Durchgang startet die Person, die im vorigen Durchgang die wenigsten Punkte gewonnen hat. Gespielt wird dann im Uhrzeigersinn. So kann jemand mehr oder weniger willkürlich in die letzte Position geraten und muss eventuell mit ansehen, wie Zug für Zug immer schlechtere Plättchen in den Markt gelegt werden. Bis wirklich gar nichts mehr passt.


**** solide

PYRAMIDO von Ikhwan Kwon für zwei bis vier Spieler:innen, Synapses Games.

Mittwoch, 15. November 2023

Mycelia

Neulich bei Ravensburger: „Ich habe eine Themen-Idee für unser Familienspiel mit den blauen Steinen!“ – „Dann man tau!“

Wie geht MYCELIA? Wir wollen die blauen Steine loswerden, die verstreut auf verschiedenen Feldern unserer Tableaus liegen. Dazu müssen wir sie auf ein Feld verschieben, das sich „Schreinfeld“ nennt. Der Schrein ist der Ausgang. Wer sich zuerst aller Steine entledigt, gewinnt.
MYCELIA ist ein Deckbau-Spiel. Alle starten mit denselben sechs Karten. Zufällige drei davon habe ich pro Zug auf meiner Hand, spiele und führe sie aus und lege sie auf meinen Ablagestapel. Für den nächsten Zug ziehe ich drei neue Karten vom Ziehstapel. Geht das nicht, mische ich meinen Ablagestapel und mache ihn zum Ziehstapel.
Zum klassischen Prinzip eines Deckbauspiels gehört, dass man Karten hinzukaufen kann. So ist es auch in MYCELIA. Einige Karten bringen beim Ausspielen „Blätter“, und Blätter sind die Währung, um damit Karten aus dem wechselnden Angebot zu erwerben. Sie sind stärker als die Karten des Startdecks, beispielsweise erlauben manche von ihnen, Steine an Ort und Stelle zu vernichten, ohne den mitunter langen Weg zum Ausgang nehmen zu müssen.

Meine Startkarten ermöglichen lediglich, einen Stein von einem blauen Feld herunterzuziehen. Oder von einem grünen. Oder von einem roten. Allein mit den Startkarten käme ich also sehr langsam voran. Oder teilweise gar nicht, denn ich besitze keine Karten, um Steine von braunen Feldern herunterzuziehen.
Die stärkeren Karten, die ich hinzuerwerbe, sind oft an Bedingungen geknüpft, um sie vollständig nutzen oder überhaupt nutzen zu können. Beispielsweise erlauben sie, dass ich auf einem roten Feld meiner Wahl bis zu drei Steine vernichte – aber nur, wenn dort wenigstens zwei Steine liegen. Oder ich bekomme ein Blatt und darf einen Stein auf einem beliebigen Feld vernichten – auf dem jedoch auch nur exakt ein Stein liegen darf. Oder ich darf auf allen vier Nachbarfeldern eines Steines je einen Stein vernichten – aber nur, wenn der zentrale Stein einzeln auf seinem Feld liegt.
Alle entfernten Steine sammeln wir auf einem Pappgebilde, das ebenfalls „Schrein“ heißt. Ist abhängig von der Spieler:innenzahl eine bestimmte Menge Steine beisammen (was pro Partie meist dreimal vorkommt), darf irgendwer einen Mechanismus auslösen, der nicht nur die gesammelten Steine auf die Tischplatte kullern lässt, sondern auch einen Würfel, der bestimmt, wo auf ihrem Tableau alle Spieler:innen einen oder zwei neue Steine hinzubekommen. Längst aufgeräumte Ecken können also noch mal wieder vollgemüllt werden.


Was passiert? Aufgrund der niedlichen Optik (die meisten Karten zeigen vermenschlichte Pilzwesen) könnte man MYCELIA unterschätzen. Trotz relativ einfacher Regeln steckt dann aber doch Tiefe drin. Irgendwelche Karten zu kaufen und dann zu schauen, was sich so ergibt, ist eine schlechte Idee.
Will ich gewinnen, sollte ich erstens die Erfordernisse meines Spielplans berücksichtigen: Auf welchen Farbfeldern liegen viele Steine herum? Auf welche Farben lassen sich die Steine leicht ziehen? Ich sollte mir auch merken, welche Karten ich schon gekauft habe, um die Neuerwerbungen darauf abzustimmen. Und ich sollte mir erst recht merken, welche Karten in meinem Zielstapel noch kommen werden. Besitze ich die oben beschriebene, die ausgehend von einem zentralen Stein vier Nachbarsteine abräumen kann, wäre es ja klug, beizeiten eine entsprechende Konstellation auf meinem Brett herzustellen.
Dass man nicht sicher weiß, welche Karte wann auf die Hand kommt, und dass man im Markt Brauchbares oder auch weniger Brauchbares vorfinden kann, ist in MYCELIA der Glücksanteil. Abgesehen natürlich vom Würfel, der Erträgliches oder Ärgerliches beschert.


Was taugt es? Den Pappschrein empfinden manche als überflüssiges Gimmick. Mich stört er nicht. Er gewährleistet durch seine Sortierfunktion immerhin, dass man nie den Zeitpunkt verpasst, wann gewürfelt werden muss.
Eher schon fiel in meinen Partien negativ auf, dass die Symbolik, so logisch und eindeutig sie ist, nicht direkt in Fleisch und Blut übergeht. Es gibt immer wieder Nachfragen. Ein entscheidendes Manko ist aber auch das nicht.
Obwohl ich Deckbau mag und obwohl ich dessen Verknüpfung mit Fortbewegung auf einem Spielplan reizvoll finde, werde ich mit MYCELIA nicht warm. Ganz klar würde ich das wesentlich konkretere WETTLAUF NACH EL DORADO bevorzugen. Ich glaube, die starke Abstraktion verhindert, dass ich mehr ins Spiel hineingezogen werde.
Die grünen Felder sollen Moos darstellen, die braunen Felder Erde. Aber ich bin beim Spielen nie auf die Idee gekommen, tatsächlich im Wald zu sein. Oder irgendwas zu spielen, das mit Wald zu tun hat. Oder mit Pilzen. Oder mit Tautropfen (so heißen die blauen Steine nämlich offiziell). So entsteht bei mir wenig Beziehung zu dem, was ich hier tue. Ich bin mit dem Kopf, aber nicht mit dem Herzen dabei.
MYCELIA ist redaktionell gut gemacht. Gut finde ich, dass Karten mit höherem Schwierigkeitsgrad markiert sind und je nach Erfahrung der Spielerunde ein- oder aussortiert werden können. Gut finde ich auch, dass es neben einem Standardtableau noch individuelle Boards gibt, auf denen man mit unterschiedlichen Voraussetzungen startet. Vieles an MYCELIA ist mir sympathisch. Die Neugierde auf Folgepartien ist trotzdem eher mittel.


**** solide

MYCELIA von Daniel Greiner für eine:n bis vier Spieler:innen, Ravensburger.