Montag, 20. März 2023

Hunch!

Hinweis 1: „Zahl: Null“, Hinweis 2: „Eigenschaft: faul“, Hinweis 3: „Etwas Kompliziertes: den Anfang finden“.

Wie geht HUNCH? Wir erraten Wörter. Von den zwei oder drei Karten, die ich bekommen habe (jede zeigt drei Wortvorschläge), muss ich geheim je einen Begriff wählen. Haben das alle getan, werden sämtliche verteilten Karten in der Tischmitte ausgebreitet. So entsteht für alle sichtbar ein Pool von Begriffen, die im Spiel sein könnten.
Damit andere meine Begriffe erraten können, benötigen sie Hinweise. Allerdings: Ich darf diese Hinweise nicht selbst geben. Sondern in der nun folgenden Spielphase zieht jede:r zwei Tippkarten, die eine Kategorie für einen Hinweis vorgeben, beispielsweise erwische ich „Farbe“ und „Werkzeug“ und notiere auf der einen Karte „blau“, auf der anderen „Hammer“.
Reihum bietet nun jede:r die Hinweise zum Kauf an. Unter Einsatz von Münzen (fünf besitzt man von Beginn an) wird das Recht versteigert, einen der beiden angebotenen Hinweise einem eigenen Geheimwort zuordnen zu dürfen. Wer „Bach“ als Geheimwort hat, kann wohl ganz gut „blau“ gebrauchen, und so kassiere ich idealerweise Münzen, um auf die Hinweise anderer Spieler:innen zu bieten.
Nun folgt eine Ratephase. Alle dürfen je einen schriftlichen Tipp auf das Geheimwort einer Mitspieler:in abgeben. Bei Erfolg gewinnen alle Beteiligten einen Punkt. Das erratene Wort ist aus dem Spiel.
Diesen Ablauf spielen wir insgesamt dreimal. In der zweiten Runde dürfen wir zwei Wörter erraten und in der dritten drei. Natürlich gewinnt, wer die meisten Punkte besitzt, also wer gut geraten hat und oft erraten wurde.


Was passiert? HUNCH ist ungewöhnlich, es ist indirekter und vertrackter als übliche Wortspiele. Als Hinweis-Anbieter betrachte ich den Pool der möglichen Lösungswörter und versuche, um möglichst hohe Einnahmen zu generieren, einen Hinweis zu formulieren, der zu mehreren dieser Wörter passen würde.
Als Hinweis-Käufer bin auf Hinweis-Ideen anderer Menschen angewiesen, die das Lösungswort gar nicht kennen. Manchmal ist nichts Passendes im Angebot, und ich muss entscheiden, ob ich auch auf halbwegs Passendes mitbiete oder ob diffuse Hinweise die Ratenden nicht sowieso eher verwirren würden.
Die Unkonventionalität fordert heraus, allerdings zeigen sich recht bald auch Probleme. Wer für seinen Hinweis-Vorschlag sehr einengende Kategorien erwischt hat, erzielt üblicherweise keinen oder nur einen niedrigen Erlös. Das wiederum bedeutet, wenig Kapital fürs Bieten zu gewinnen.
Die Sitzreihenfolge hat einen großen Einfluss. Wer zuerst anbietet, erwirtschaftet als Erste:r Kapital über das Startkapital hinaus und kann ab der zweiten Versteigerung alle anderen überbieten. Wer ganz hinten sitzt, muss zwangsläufig lange auf Einnahmen warten und agiert währenddessen sehr eingeschränkt.
Ob man passende Hinweise ergattert, hat letztlich viel mit Glück zu tun. Habe ich einen Hinweis, der schön deutlich mein Lösungswort umschreibt, lockt dies in der Rate-Phase viele Mitspieler:innen an. Und falls nun mehrere Personen gleichzeitig meinen Begriff erraten, erhalte ich zwei Punkte statt nur einem. Optimal.
Obendrein spare ich künftig auch Geld, weil ich für diesen Begriff keine Hinweise mehr kaufen muss. In manchen Partien führt dies sogar dazu, dass irgendwer auf einem riesigen Geldberg sitzt und nichts mehr damit anfangen kann. Auch dass die Bank gesprengt wurde, kam schon vor. Und nebenbei angemerkt, weil ich gerade beim Thema Geld bin: Dass der Aufdruck auf den Münzen wie eine römische Zwei aussieht, obwohl es eigentlich ein H wie HUNCH sein soll, verwirrt auch immer wieder.


Was taugt es? HUNCH schleppt ziemlich viel Ballast mit sich herum und fühlt sich nicht rund an. Dass es hier und da ruckelt, ist offenbar auch in den Tests aufgefallen. So jedenfalls erkläre ich mir, dass zu manchen Regeln gleich noch Verwässerungen mitgeliefert werden: Einmal pro Runde darf ich eine Hinweiskarte, deren Kategorie mir nicht gefällt, abwerfen, um eine andere zu ziehen. Obendrein darf ich entscheiden, wie ich die Kategorien auslege.
Weil es bei Wortspielen ohnehin immer Auslegungssache ist, wie großzügig man spielt, fällt dies vielleicht nicht so sehr ins Gewicht. Aber die Unstimmigkeiten betreffen eben auch die Kernidee des Spiels, die bei allem Interessanten und Neuartigen, das sie bringt, auch immer wieder Gefühle von Machtlosigkeit und Frust erzeugt.
HUNCH braucht ziemlich viele Regeln, viel Platz, viele Phasen, viel Verwaltung dafür, dass wir am Ende Wörter erraten. Es enthält Abläufe und Elemente, die Mitspieler:innen verwirren, und bleibt im Stadium einer guten Idee stecken, aus der noch kein gutes Spiel geworden ist.


*** mäßig

HUNCH! von Nomas Kurnia für drei bis sechs Spieler:innen, Nice Game.

Donnerstag, 16. März 2023

Triggs

Das Spiel heißt Triggs.
An der Einleitung ändert sich nix.

Wie geht TRIGGS? TRIGGS ist in seiner Klarheit und Einfachheit typisch für den Nürnberger-Spielkarten-Verlag. Oder vielleicht war es typisch. Denn nach dem krassen personellen Aderlass dort wird man abwarten müssen, wie die redaktionelle Ausrichtung künftig sein wird.
In TRIGGS geht es darum, alle Felder des eigenen Blocks abzukreuzen. Sie zeigen Zahlenwerte von eins bis zwölf, und man kreuzt ein Feld ab, indem man eine Zahlenkarte mit genau diesem Wert spielt. Oder indem man zwei Zahlenkarten addiert und so den gewünschten Wert erreicht.
Bin ich dran, darf ich entweder zwei Karten von den drei Vorratsstapeln ziehen (zwei sind offen, einer verdeckt) oder Karten ausspielen, um Kreuze zu machen. Pro Zug darf ich Kreuze nur bei einer Zahl machen, dies aber mehrfach, so oft es meine Handkarten hergeben.
Für das letzte Kreuz einer Zahlenreihe bekomme ich ein Kreuz geschenkt, das ich irgendwo setzen darf. Und es kann sein, dass ich dadurch schon wieder ein Extrakreuz gewinne. Und so weiter.


Was passiert? TRIGGS ist flott gespielt und erfordert kein tiefes Nachdenken. Weil es ein Handkartenlimit gibt, hoffe ich beim Sammeln darauf, gleiche Zahlen zu erwischen. Ich nehme auch gerne hohe Zahlen, weil es Ressourcen spart, ein Kreuz mit nur einer Karte zu setzen statt zwei addieren zu müssen.
Deshalb neigt man dazu, die hohen Zahlen zuerst abzuarbeiten. Aber das kann in die Hose gehen, denn wie sich herausstellt, sind die Möglichkeiten, kleinere Zahlen zu bilden, begrenzt. Eine Eins kann ich nur mit einer Eins ankreuzen; eine Zwei mit einer Zwei oder der Addition aus zwei Einsen. Für das Ankreuzen einer Zwölf gibt es erheblich mehr Möglichkeiten.


Was taugt es? TRIGGS beinhaltet natürlich eine ganze Menge Glück. Auch durch die Regel, dass ich sofort fünf neue Karten bekomme, wenn ich meine Hand leerspiele. Dieses Geschenk kann supidupi sein oder totaler Schrott. Natürlich muss ich meine Hand nicht leer spielen. Andererseits: fünf Karten geschenkt …?
TRIGGS beinhaltet aber nicht nur Glück oder es lässt einen zumindest in diesem Glauben – und das ist der Reiz. Ich überlege durchaus, welche Karten ich in der aktuellen Situation sammle und wo meine Bonuskreuze am wertvollsten wären, damit sie Lücken meines Blattes überbrücken oder Züge einsparen. Und obwohl ich Entscheidungen treffe, geht alles sehr schnell, weil es auch überwiegend solitär geschieht. Sicher gibt es innovativere Spiele, aber TRIGGS macht auf sehr einfache Weise Spaß. Und darum geht es beim Spielen ja.
Ein zumindest symbolischer Ausgleich des Startspieler:innenvorteils wäre trotzdem nicht schlecht gewesen. Weniger gelungen finde ich außerdem, dass manche Zahlenwerte gegen Ende komplett überflüssig werden. Für den Fall, dass alle Spieler:innen alle Zwölfen schon angekreuzt haben, schlägt die Anleitung vor, Zwölfen auszusortieren, sobald sie auf den offenen Zugstapeln sichtbar werden. Und gegebenenfalls auch die Elfen. Und das passiert gar nicht so selten und ist unelegant.


**** solide

TRIGGS von Karin Hetling für zwei bis vier Spieler*innen, Nürnberger-Spielkarten-Verlag.

Sonntag, 12. März 2023

Woodcraft

Dreimal auf Holz geklopft … vielleicht klappt’s ja irgendwann wieder mit den Einleitungen.

Wie geht WOODCRAFT? Wir erfüllen Aufträge. Das könnte ziemlich langweilig sein, wenn es mal wieder darum ginge, Rohstoff-Kombinationen abzugeben; doch darum geht es nicht. In WOODCRAFT betreiben wir eine Tischlerei und fertigen Holzgegenstände. Die abzugebenden Materialien sind überwiegend Würfel. Sie müssen die richtige Farbe haben und exakt eine ganz bestimmte Augenzahl.
Man kann sich jeden Würfel also als ein Stück Holz vorstellen; seine Zahl ist die Größe, seine Farbe die Art des Holzes. Holz lässt sich bearbeiten, zum Beispiel mit einer Säge in zwei Stücke teilen. Aus einer grünen Sechs könnten so eine grüne Zwei und eine grüne Vier werden. Umgekehrt kann man auch mit Leim zwei kleinere Stücke zu einem größeren vereinen. Das sind Nebenaktionen, die ich einstreuen kann, sofern ich mir Werkzeuge und Kleber beschafft habe.

Hauptaktionen (sieben verschiedene gibt es) stehen mir im gesamten Spiel aber nur 14 Mal zur Verfügung. In jedem meiner 14 Züge eine. Ein Rad auf dem Spielplan sorgt dafür, dass Aktionen, die länger nicht gewählt wurden, Boni bringen. Die sogar noch weiter ansteigen, wenn die Aktion trotzdem niemand wählt. So kommt es vor, dass ich mich wegen der Boni für eine andere Aktion entscheide als die ursprünglich geplante. Oder zumindest verlockt werde.
Eine mögliche Hauptaktion wäre: Ich stelle einen „Helfer“ ein. Das ist eine Karte, die mir (im Regelfall) für den Rest des Spiels eine Extrawurst erlaubt. Beispielsweise darf ich die Zahlen meiner grünen Würfel verändern oder ich bekomme Rabatte bei Einkäufen. Die Helfer platziere ich auf Feldern meines Tableaus, wo sie – je nach Anordnung – außerdem Boni freischalten.
Eine andere Hauptaktion: Ich pflanze einen Baum. Dazu versetze ich einen meiner Würfel mit kleiner Augenzahl auf einen Blumentopf. Zu Beginn meiner kommenden Züge steigt die Augenzahl dieses Würfels automatisch um zwei, bis ich ihn ernte (oder eher: fälle), was mich keine Aktion kostet. Mangels geeigneter Blumentöpfe steht mir Möglichkeit des Einpflanzens anfangs nur für grüne Würfel offen. Weitere Blumentöpfe könnte ich mit der Hauptaktion „Werkstatt verbessern“ erwerben.


Was passiert? Wie bitte? Nur 14 Aktionen? Man will natürlich alles und mehrfach und ist hin- und hergerissen. Zum Beispiel lohnen sich die Spielplanboni meiner Helfer besonders dann, wenn ich mindestens drei, noch besser vier, am besten sogar sechs Helfer anheuere. Aber allein sechs von 14 Aktionen für Helfer aufwenden?
Um Aktionen zu sparen, wäre es besser, mit der Hauptaktion „Aufträge“ immer zwei Aufträge gleichzeitig zu nehmen statt nur einen. Aber ich binde mir Verpflichtungen ans Bein. Die Belohnung sinkt, lasse ich Aufträge zu lange unerledigt liegen. Und erfülle ich sie bis zum Spielende nicht, setzt es eine empfindliche Strafe.
Auch an anderen Schauplätzen stehe ich vor der Entscheidung, solide und sicher zu spielen oder ehrgeizig mit mehr Risiko. Etwa darf ich am Ende jedes Zuges einen Schritt auf der „Vermarktungsskala“ voranschreiten, was zunehmend Geld kostet, aber auch zunehmend Punkte bringt. Will ich in die hohen Punktebereiche vordringen, dauert das einige Züge und ich darf nicht zu lange mit dem Losgehen warten. Andererseits: Geld ist extrem wichtig. Ich sollte flüssig bleiben. Und vielleicht verjuble ich genau die eine Münze, die mir später fehlt.
Tatsächlich kann eine fehlende Münze sehr entscheidend sein. Oder ein fehlender Würfelpunkt. Oder ein fehlendes Irgendwas. Mit Spontanentscheidungen und Pi mal Daumen kommt man bei WOODCRAFT nicht weit. Kleine Fehler oder Versäumnisse können richtig übel reinhauen. Folgewirkungen von Entscheidungen zeigen sich aber manchmal erst viel später. Vielleicht hat man sich, weil Leim benötigt wird, für die Aktion „Materialkauf“ entschieden, die es erlaubt, neben Leim noch entweder Restholzblöcke oder Sägeblattscheiben zu erwerben. Man hat keine Priorität und nimmt Sägeblattscheiben. Und Runden später stellt sich heraus: Tja, Restholzblöcke wären es gewesen! Und nur um sie zu besorgen, wird nun noch einmal eine volle Hauptaktion nötig.


Was taugt es? WOODCRAFT ist ein Optimierspiel für Menschen, die gerne auch kleine Details durchplanen. Mit der richtigen Kombination und dem richtigen Timing von Haupt- und Nebenaktionen lässt sich sehr viel herausholen. Insofern passiert das, was bei solchen Spielen nun mal passiert: Manche überlegen sehr lange, manche können sich nicht entscheiden, manche vergessen Boni oder Nebenaktionen und möchten sie rückwirkend nachholen, manche sind völlig überfordert und machen dicht und manche überlegen noch immer.
Das klingt negativ, und tatsächlich langweilt mich diese Art Spiel mittlerweile oft. Dass es bei WOODCRAFT nicht so ist, liegt erstens am Thema. Viele der Mechanismen lassen sich thematisch herleiten. Würfel als Werkstoffe zu verwenden, ist originell. Und es ist nicht dasselbe wie Rohstoffe zu sammeln und abzugeben, denn ein Würfel kann auf verschiedene Arten bearbeitet werden und nimmt in Form der Augenzahlen unterschiedliche Zustände an.
Zweitens gefällt mir die Stringenz. WOODCRAFT ist auf wenigen Prinzipien aufgebaut, es lässt sich vergleichsweise schnell erklären. Es erreicht seine Tiefe ohne eine Vielzahl an Regeln oder Berge von Materialien. Es gibt verschiedene Wege zum höchsten Score. Aber es ist kein Punktesalat, der die Erträge diverser Schauplätze addiert. Alles ist schlüssig miteinander verzahnt.
Trotzdem scheint mir mancher Schnörkel immer noch übertrieben. Werkzeug-Plättchen, die es häufig als Belohnungen für Aufträge gibt und die man auf seinem Tableau pyramidenförmig stapelt, bringen Boni. Aber nur, wenn es verschiedene Werkzeuge sind – was sich eher wie Schikane anfühlt, weniger nach einem reizvollen Dreh. Man ist schon froh, unter den vier zur Wahl stehenden Aufträgen überhaupt welche zu ergattern, die sich erfüllen lassen. Und manche Aufträge werden nun noch zusätzlich madig gemacht, weil als Teil der Belohnung ausgerechnet ein unerwünschtes Werkzeug abgebildet ist.
Aus dem Bauch spielen kann man WOODCRAFT nicht oder jedenfalls nicht erfolgreich. WOODCRAFT ist deshalb kein Wohlfühlspiel für mich und auch kein Dauerbrenner. Gleichwohl finde ich es mechanisch zu pfiffig und ausgereift, um es nur „solide“ zu nennen.


***** reizvoll

WOODCRAFT von Vladimir Suchý und Ross Arnold für eine:n bis vier Spieler:innen, Delicious Games / Pegasus Spiele.

Mittwoch, 8. März 2023

Vor 20 Jahren (123): Mitternachtsparty

Ja, ich weiß, MITTERNACHTSPARTY ist schon älter als 20 Jahre. Es stammt aus dem Jahr 1989, und das ist – ich hatte Matheleistungskurs, deswegen lege ich an dieser Stelle meine Hand ins Feuer – noch eine ganze Ecke länger her. Aber es gibt – ich weiß nicht, ob ich hier für alle Spieler:innen sprechen kann oder nur für mich – eben ein paar Spiele, die man aus irgendwelchen Gründen nie spielt, obwohl sie eigentlich zum absolut klassischen Kanon gehören.

CLUEDO wäre noch so ein Beispiel aus meiner Spielerbiografie. Natürlich wusste ich allein schon vom Hörensagen, worum es da geht und was mich erwartet. Vielleicht hätte ich sogar mehr oder weniger die Regeln aus dem Stegreif erklären können, ohne sie je gelesen zu haben. Aber meine erste und einzige CLUEDO-Partie ist tatsächlich noch nicht einmal zehn Jahre her.

2003 also MITTERNACHTSPARTY. Es war damals nicht neu, aber es kam neu bei Amigo heraus. Und weil ich für viele Tageszeitungen schrieb, erschien mir das Spiel sehr relevant für meine Kolumnen und ich bat um Bemusterung. – Gute Idee. Nein, sogar sehr gute Idee! Denn obwohl ich ziemlich genau zu wissen glaubte, worum es da ging und was mich erwartete, war es sehr erhellend, mein Theoriewissen praktisch zu überprüfen. MITTERNACHTSPARTY hatte ich als lustig und unterhaltsam vermutet. Aber es war dann sogar noch lustiger und noch unterhaltsamer.

MITTERNACHTSPARTY ist ein Wettrennen, allerdings zu verschiedenen Orten. Oder besser: Ein „Davonrennen“, falls es diese Gattung gibt. Unsere Spielfiguren drehen auf einer hochherrschaftlichen Galerie ihre Runden, und irgendwann, früher oder später und gesteuert durch unseren Würfel, reiht sich ein Gespenst in den Rundkurs ein und fängt eine Figur nach der anderen, die dafür Minuspunkte kassiert.

Rettung findet nur, wer sich in einen der umliegenden Räume hineinwürfelt. Bevor es zu spät ist. Denn natürlich schließt jede:r sofort hinter sich die Tür ab und sperrt die anderen aus. Das ist vom Sozialverhalten her das Allerletzte. Aber man folgt ja nur den Anweisungen der Spielregel, und außerdem macht es riesigen Spaß, sich im sicheren Versteck daran zu ergötzen, wie die anderen in heller Panik über die Gänge rennen. Hahaha!

Selbst in einer Runde, die üblicherweise nur die schweren Brocken spielte und sich dabei nichts schenkte, spielten wir gerne nach sehr langem Kauen an einem dieser Brocken noch MITTERNACHTSPARTY. Sozusagen als unsere Mitternachtspartie. Und -party. Meist brachte das die Stimmung nach vorn. Und erst nachträglich kommt mir der Gedanke: Wenn sich am Ende des Abends als wesentliches Spielziel herausstellt, anderen eins auszuwischen: Warum haben wir den ganzen komplizierten Kram davor nicht einfach weggelassen?


Freitag, 3. März 2023

Akropolis

Ich bin noch die Auflösung schuldig: Ja, tatsächlich hat das Murmeltier seinen Schatten gesehen. Wirklich schade, aber man kann es ja nicht ändern.

Wie geht AKROPOLIS? Meine Akropolis soll besser sein als deine. Wir bauen mit Legeteilen, die aus jeweils drei Sechseckfeldern bestehen. Wer am Zug ist, wählt ein Teil aus der Auslage. Das vorderste ist kostenlos, für weiter hinten in der Schlange liegende muss mit Steinen bezahlt werden.
Das erworbene Teil lege ich entweder an meine Fläche an oder ich baue in die Höhe. Überdecke ich dabei weiße Felder (Steinbrüche), erhalte ich je einen Stein. Farbige Felder zu überbauen, ist eher nicht so ratsam, denn sie bringen am Schluss die Punkte. Wobei jedes Feld in der zweiten Ebene wie zwei zählt, jedes in der dritten wie drei und so weiter. In die Höhe zu bauen, lohnt sich also.
Damit die Farbfelder punkten, muss ich allerdings noch zwei Dinge beachten: 1. Jede Farbe hat ihre eigene Regel, wie sie wertet. Bei Blau beispielsweise zählt nur meine größte zusammenhängende Fläche; bei Rot zählen nur Teile, die am Rand meiner Akropolis liegen. Und 2. Meine Punktzahl ergibt sich als Multiplikation aus den gültigen Teilen mit gleichfarbigen Sternen. Wo sich die Sterne in meiner Stadt befinden, ist egal. Entscheidend ist nur, dass ich möglichst viele davon herangeschafft habe.


Was passiert? Anders als man es gemeinhin kennt, wird die Auslage nicht sofort nach jedem Zug um ein Teil ergänzt. Sondern die Teile kommen portionsweise immer dann, wenn alles bis auf eins abverkauft ist. Das verkürzt einerseits Überlegungen und Wartezeiten, denn manchmal sind es nur noch zwei Teile, zwischen denen ich zu wählen habe. Andererseits erhöht dies auch die Schicksalhaftigkeit.
Denn: In Spielen mit vergleichbarem Marktmechanismus liegen neue Teile zunächst auf den teuren Plätzen und werden erst langsam billiger. In AKROPOLIS landet beim Nachlegen eins der neuen Teile sofort auf dem zweitbilligsten Platz. So kann es vorkommen, dass Spieler:innen die tollsten Schnäppchen quasi vor die Füße fallen und die interessantesten Teile schon weg sind, sobald jemand mit vielen Steinen (also Geld) an die Reihe kommt. Man kann sich trotz Geld seines Zugriffs nicht so sicher sein.
Spezialisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit einer Gemischtstrategie werden meist deutlich weniger Punkte erzielt. Schlecht wäre es natürlich trotzdem, sich ausgerechnet die Farbe als Sammelobjekt herauszupicken, die auch wer anders sammelt. Schlecht wäre es ebenso, andere Sterne als die der bevorzugten Sammelfarbe komplett zu ignorieren. Den einen oder anderen Stern sollte man den anderen auch mal wegschnappen.


Was taugt es? Der Versuch, mehreres unter einen Hut zu bringen, nämlich eine oder vielleicht auch zwei Farben massiv und inklusive der Sterne zu sammeln, die Teile punkteträchtig anzuordnen, schnell und mehrfach in die Höhe zu bauen und dabei möglichst nur Steinbrüche zu überdecken, macht Spaß.
AKROPOLIS ist ein flott gespieltes, schön gradliniges und deshalb unkompliziertes taktisches Legespiel. Große Spielkontrolle empfinde ich nicht. Der Erfolg ist davon abhängig, welche Teile wann und an welcher Stelle in den Markt kommen. Im Verhältnis zur Spieldauer ist das durchaus passend, auch wenn sich für mich der anfängliche Reiz nicht ganz gehalten hat. Das Vorgehen der Spieler:innen wiederholt sich auf Dauer, es entstehen Automatismen, AKROPOLIS wird gleichförmig, eben weil die Entscheidungsfreiheit in einigen Situationen nicht so groß ist.
Die nüchterne Optik mag zu meiner emotionalen Zurückhaltung beitragen. Schließlich macht eine Spielwelt, die man immer wieder gerne anschaut, oft den Unterschied zwischen dem, was man erneut auf den Tisch bringen möchte, und dem, was nicht.


**** solide

AKROPOLIS von Jules Messaud für zwei bis vier Spieler:innen, Gigamic / Kobold Spieleverlag.

Dienstag, 28. Februar 2023

Gern gespielt im Februar 2023

LOADING: Blättchen wechsel dich.

HENNEN: Typisch Mensch: Bei einem Spiel mit Tieren zählen wir am Ende die Eier.

TRIQUETA: Aller guten Dinge sind eben nicht mehr als drei.

CAFÉ DEL GATTO: Kaffeepause am Katzentisch.

FUN FACTS: Was sagt es über mich aus, dass meine Antworten häufig näher an der 0 als an der 100 liegen?







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

GREAT WESTERN TRAIL ARGENTINIEN: Ehrlich gesagt: Argentinien ist mir egal. Aber, hey: Es ist GREAT WESTERN TRAIL!





Freitag, 24. Februar 2023

Caldera Park

Oh nein! Das Murmeltier sieht seinen Schatten!

Man weiß ja: Wenn das Murmeltier am Murmeltiertag seinen Schatten sieht, wird es sechs Wochen lang keine Einleitungen geben.

Wie geht CALDERA PARK? Wie SAVANNAH PARK ist es ein Legespiel mit Tieren. Wieder sind sechs Tierarten auf den Plättchen abgebildet. Am Ende werte ich meine wertvollste Herde jeder Art. Dazu multipliziere ich die Anzahl der zueinander benachbarten gleichen Tiere (im Bestfall zwölf) mit den auf diesen Plättchen abgebildeten Wasserstellen (im Bestfall drei). Extrapunkte gibt es, wenn ich bestimmte Feldersorten (zum Beispiel alle Gebirgsfelder) komplett bebaut habe.
Wie bei SAVANNAH PARK ist die Besonderheit, dass ich nicht einfach legen darf, wo ich möchte. Sondern abwechselnd eine Person macht eine Vorgabe, die wir alle befolgen müssen. Zum Beispiel wird bestimmt, wir müssen ein Plättchen mit Adler in den Wald legen. Perfekt wäre es, wenn ich gerade keinen Adler in meinem sieben Plättchen großen Vorrat hätte. Dann dürfte ich irgendwas in den Wald legen. Bin ich selber der Bestimmer, wähle ich sehr gerne so, dass ich eine Wahl habe und die anderen nicht.
Die Vorgaben müssen sich abwechseln. Man kann nicht andauernd verfügen, dass etwas in den Wald soll. Gleichwohl könnten trotzdem mehrere Tiere nacheinander in den Wald, zum Beispiel, wenn die Vorgabe „auf ein Flussfeld“ lautet, und ich ein Flussfeld im Wald wähle.
Außer den Mitspieler:innen funken bei meinen Ordnungsbemühungen auch noch „Wetterplättchen“ dazwischen. Sechs davon kommen in schöner Regelmäßigkeit ins Spiel, irgendwo am Rand meiner Auslage. Welches Plättchen es ist, erfahre ich erst, wenn ich es lege. Wetterplättchen zerstören bestimmte andere Plättchen neben sich, zum Beispiel alle mit Adler, Elch und Wasserstelle. Weil der Verlust verheerend sein kann, versuche ich, Nachbarfelder unbebaut zu lassen, bis das Wetterplättchen bekannt ist. Aber weil ich mir das nicht immer so genau aussuchen kann, lässt sich ein Risiko nicht komplett vermeiden.


Was passiert? CALDERA PARK ist spannend. Wähle ich nicht selbst aus, hoffe ich, Tier und Ort werden so auserkoren, dass es für mich passt. Beim Bauen kann ich konservativ oder riskant agieren, indem ich entweder einfach gleiches Tier an gleiches Tier baue oder Lücken für erhoffte noch bessere Teile lasse – die dann aber auch unbedingt dort landen müssen.
Wie in SAVANNAH PARK habe ich eine bestimmte Anordnung im Kopf, wie Wasser und Tiere sich auf meinem Tableau verteilen sollen. Meine Pläne werden immer wieder durchkreuzt oder zumindest bedroht, weil ich Teile an Orte setzen muss, die mit meinem Plan so gar nicht korrespondieren.
CALDERA PARK ist nicht so denklastig wie SAVANNAH PARK, wo ich immer noch einen Schritt zusätzlich vorausplanen und Felder erst freischaufeln musste, bevor ich dort etwas ablegen konnte. Es fühlt sich dadurch etwas freundlicher an.
Erfahrene Spieler:innen werden trotzdem erfolgreicher sein, weil sie im Gegensatz zu den Neulingen schon einen Bauplan im Kopf haben. Neulinge ahnen noch nicht, was auf sie zukommt und wie sie ihre Auslage schon von Beginn an konzipieren müssen, um auf hohe Punktzahlen zu kommen.
Es ist ein enormer Vorteil, zu wissen, welche Tiere mit welchen anderen auf den Plättchen vorkommen, insbesondere auf den Plättchen mit Wasser. Bei SAVANNAH PARK konnte man das einfach sehen, weil jedes Plättchen auslag. In CALDERA PARK hingegen liegen die meisten Plättchen zunächst verdeckt.


Was taugt es? In den ersten Partien fühlte sich CALDERA PARK noch freier an als SAVANNAH PARK, was vielleicht daran lag, dass wir mit einem leeren statt einem vollen Brett starten. Je häufiger ich CALDERA PARK spielte, desto mehr kam dieser Eindruck abhanden. Ich muss zwar weniger vorausplanen als in SAVANNAH PARK, aber genau wie dort gibt es eine optimale Anordnung.
Es geht nicht um kreative oder experimentelle Plättchenplatzierungen, sondern um das möglichst störungsfreie Erledigen meines Musters. Für mein Empfinden steckt zu wenig Varianz im Spiel. Es ist immer dieselbe Optimierungsaufgabe. Die Spannung besteht darin, wie gut ich es diesmal hinkriege, und nicht darin, was ich diesmal ausprobiere.
Viele Spieler:innen, auch ich, hatten Probleme, die Tiere voneinander zu unterscheiden. Schwer erkennbar sind auch die Wasserstellen auf den Wetterplättchen. Der Gedanke des Verlags ist anscheinend, Tiere möglichst realistisch abzubilden. Klar, in der Natur sieht nicht ein Bison aus wie das andere, es gibt junge und alte Tiere und so weiter. Das sehe ich ein, und wenn es rein illustrative Abbildungen wären, ergäbe sich kein Problem. In diesem Legespiel, wo die Tiere als Symbole dienen, behindert es leider Funktionalität und Spielbarkeit.


**** solide

CALDERA PARK von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games.

Montag, 20. Februar 2023

Shamans

Darf man im Jahr 2023 eigentlich noch Spiele aus dem Jahr 2021 rezensieren? Ich frage für einen Freund.

Wie geht SHAMANS? Es ist ein Stichspiel mit Verräter:innen-Element, man sagt auch „Social Deduction“ dazu. Im Spiel zu fünft beispielsweise gibt es drei Schaman:innen (die „Guten“) und zwei Schatten (die „Bösen“). Sie bilden jeweils ein Team, wissen aber nicht voneinander, denn die Rollen wurden geheim zugelost.
Wir spielen ein Stichspiel, bei dem nicht bedient werden muss. Nicht zu bedienen, ist im Interesse der Schatten, denn jedes Mal, wenn eine falsche Farbe in einen Stich gelegt wird, rückt die „Schattenfigur“ ein Feld vorwärts. Erreicht sie das Zielfeld, gewinnen die Bösen Punkte. Ansonsten die Guten. Man spielt mehrere Runden, meistens drei oder vier, bis jemand die für den Gesamtsieg erforderlichen acht Punkte beisammenhat.
Spiele ich die höchste Karte einer geforderten Farbe, gewinne ich den Stich und eröffne den nächsten. Spiele ich die kleinste passende Karte, gewinne ich einen Chip, beispielsweise ein „Portal“, mit dem ich die Schattenfigur versetzen darf. Oder einen „Mondsplitter“, der mir, wenn ich zwei davon besitze, Punkte einbringt. Oder einen „Dolch“, den ich später vielleicht einsetzen kann, um jemanden zu eliminieren.
Alle gespielten Karten werden nach Farbe sortiert und offen ausgelegt. Sobald alle einer Farbe gespielt sind, löst dies ein „Ritual“ aus, das je nach Farbe unterschiedliche Folgen hat. Gleich vier der sieben Farben bewirken, dass ich jemanden eliminieren muss, falls ich einen Dolch besitze. Eine der Farben bewirkt, dass ich meine Rollenkarte mit einer anderen Person tauschen muss.


Was passiert? Jedes Nichtbedienen löst natürlich sofort Geraune aus. Wer die falsche Farbe legt, macht sich verdächtig und beteuert postwendend die Unschuld. Dumm, wenn sich später herausstellt, dass man hätte bedienen können. Meistens stellt es sich aber nicht heraus.
Wichtig ist das Anspiel. Für die Schatten wäre es eine gute Idee, mit einer Farbe zu eröffnen, die möglichst wenige bedienen können. Aber auch dies sollte nicht zu offensichtlich geschehen.
Und noch wichtiger sind die Rituale. Möglicherweise gelingt es mir, kurz vor Schluss meine Identität zu tauschen und in das Team zu wechseln, das sicher gewinnen wird, ohne dass ich je zu diesem Erfolg beigetragen habe. Und jemand aus diesem Team wird dazu verdonnert, ins Loser-Team zu wechseln.
Auch die Wirkung der Dolche ist gravierend. Optimalerweise hätte ich, sobald ich einen einsetzen muss, auch einen handfesten Verdacht, wer zu welchem Team gehört, und meuchle gezielt. Mit wachsender Spielerfahrung kommt dieser Bestfall aber immer seltener vor, und man meuchelt auf gut Glück. Im Zweifelsfall trifft es dann die Spieler:in mit den meisten Punkten.


Was taugt es? SHAMANS gehört zu den Spielen, die mir im Laufe der Zeit schlechter gefielen als noch am Anfang. SHAMANS suggeriert, dass es als Schatten darauf ankäme, höchst subtil nicht zu bedienen, um so der Schattenfigur die entscheidenden Schritte zu ermöglichen. Nach meiner Erfahrung ist dies aber nur ein untergeordneter Aspekt.
Viel trägt allein schon die Kartenverteilung dazu bei, ob das Ende der Laufskala erreicht wird oder nicht. Und ganz unabhängig davon beeinflussen vor allem die Rituale massiv die Punkteverteilung. Wer eliminiert wird, gewinnt am Ende der Runde keine Punkte. Deswegen rückt immer mehr in den Fokus, wie die letzten Karten einer Farbe fallen und wer die mächtigen Rituale ausführen darf.
Da kann man nun argumentieren, genau dies (und nicht die Bedienfrage) sei eben der Kern des Spiels und mache SHAMANS bis zum Finale spannend. Ich sehe es anders. Eine für meine Begriffe gelungene Spannungskurve baut sich schon in den ersten Stichen spürbar auf. Und bricht nicht so schicksalhaft kurz vor Schluss über die Gruppe herein. Obwohl ich lustige und emotionale Partien erlebt habe, wenn jemand hereingelegt wurde, hat mich SHAMANS am Ende dann doch enttäuscht.


*** mäßig

SHAMANS von Cédrick Chaboussit für drei bis fünf Spieler:innen, Corax Games.

Donnerstag, 16. Februar 2023

Council of Shadows

Lange Rezension, kurze Einleitung.

Wie geht COUNCIL OF SHADOWS? Wir erkunden und besiedeln den Weltraum, schürfen Rohstoffe, kaufen damit tolle Dinge und gewinnen Punkte, und wer die meisten … Moment!
An dieser Stelle verlässt COUNCIL OF SHADOWS gewohnte Pfade. Zwar ist es ein Wettrennen um Punkte (im Terminus des Spiels: „Energie“) – aber mit unterschiedlich und individuell langer Laufstrecke! Mein Zielmarker startet auf Feld 20, und im Regelfall wird er sich immer weiter vom Nullpunkt entfernen.
Dreimal muss ich mit meinem Punktezähler diesen Zielstein einholen. Dadurch steige ich erst in Level 1, dann 2, dann 3 auf. Und jedes Mal beginnt mein Punktezähler wieder bei Null, während der Zielmarker nicht zurückgesetzt wird, sondern sich wahrscheinlich noch weiter entfernt. Sobald jemand Level 3 erreicht, endet bald darauf das Spiel. Wer das höchste Level erreicht hat, gewinnt. Was nicht bedeuten muss, dass diese Spieler:in insgesamt die meisten Punkte geholt hat.

Wieso rennt mein Zielstein und wie mache ich Punkte? Wir starten mit denselben sechs Karten. Mit jeweils drei davon programmiere ich meinen Zug und führe dann erst Karte A, dann Karte B und schließlich Karte C aus. Die meisten Karten „verbrauchen Energie“ oder anders ausgedrückt: Sie lassen meinen Zielmarker voranpreschen. Je stärker die Aktion, desto weiter. Ich kann (und sollte) Rohstoffe investieren, um mir nach und nach Aktionskarten mit einem besseren Verbrauch-Leistungs-Verhältnis zu kaufen. COUNCIL OF SHADOWS enthält also Deckbau.
Mit meinen Aktionen entdecke ich neue Sonnensysteme, gründe Dependancen auf verschiedenen Planten innerhalb meiner Reichweite und / oder schürfe vor Ort Rohstoffe. Ein entscheidendes Stichwort dabei ist „Reichweite“: Weiter entfernte Galaxien sind erheblich einträglicher. Allerdings sind sie eben auch … nun ja, weiter entfernt. Und bei Spielbeginn komme ich da noch gar nicht hin. Jeder meiner Kartenplätze A, B und C bezieht sich zunächst nur auf den ersten, ganz dicht gelegenen Sektor. Soll eine Karte auch in größerer Entfernung entdecken / siedeln / schürfen können, muss ich den Kartenplatz (mit Rohstoffen) ausbauen.
Am Ende meines Zuges darf ich jede Galaxie, in der ich mich befinde, werten. Besitze ich dort die meisten Siedlungen, gewinne ich viele Punkte. Besitze ich nicht die meisten Siedlungen, zählt es weniger. Doch in beiden Fällen kostet mich die Wertung eine meiner Siedlungen. Damit erleichtere ich es anderen, hier ebenfalls zu Punkten zu kommen. Und ich muss Aktionen aufwenden, um meine verlorene Präsenz wiederherzustellen. Gerade bei Spielbeginn ist das ein erheblicher Tempoverlust. Andererseits: Mit so wenigen Punkten wie bei Spielbeginn wird sich mein Zielstein nie wieder einholen lassen.


Was passiert? Der stetige Wettlauf mit dem eigenen Zielstein verstrickt mich von Beginn an in spannende Widersprüche: Ich will starke Aktionen machen – aber damit bürde ich mir Schulden für die Zukunft auf. Ich kann sparsam agieren – wachse dann aber nur sehr langsam.
Auch wenn ich meinen mehrteiligen Zug im Geheimen austüftle, ist COUNCIL OF SHADOWS kein solitäres Gemümmel: Wir kaufen uns gegenseitig Aktionskarten weg, blockieren Siedlungsplätze und ganze Galaxien, lauern auf Gelegenheiten für leichte Mehrheiten.
Sehr reizvoll sind die Dynamikänderungen, die sich durch Levelaufstiege ergeben. Langfristig fahre ich gut damit, erst mal Besitz anzuhäufen und meine Präsenz auf dem Brett auszubauen. Gegen Ende kann ich das dann in riesige Punktesprünge ummünzen. Aber: Wer in ein neues Level aufsteigt, darf eine von sechs „Dark Tech“-Karten auswählen, die entweder einen sehr starken Sofort- oder einen sehr starken Dauereffekt bringen und damit ein handfestes Argument liefern, vielleicht doch schneller Punkte zu sammeln.
Die Tech-Karten können die Partie drehen und die Konkurrenz dazu zwingen, ihre Spielweisen zu ändern, um gegenzusteuern. Wer COUNCIL OF SHADOWS gut kennt, wird sein Deck und seine Strategie auf eine oder mehrere dieser Tech-Karten ausrichten – wobei es dann trotzdem Glück ist, sie zu bekommen. Nur sechs von acht möglichen sind im Spiel, und bevor man Level 1 erreicht hat, weiß man nicht, welche.
COUNCIL OF SHADOWS bleibt über viele Partien reizvoll, und alle, die meinen, nun alles gesehen zu haben, können anschließend noch zwei enthaltene Module draufsatteln.


Was taugt es? COUNCIL OF SHADOWS ist von seinen Abläufen her kein überkomplexes Spiel. Alles folgt klaren Prinzipien, es gibt kaum Kleinregeln. Das ist gut, denn so liegt die Konzentration nicht auf Paragrafen- und Optimierungsdetails, sondern auf dem Mechanismus, der das Spiel ausmacht. Diese Gradlinigkeit unterscheidet COUNCIL OF SHADOWS von HELIOS, in dem Martin Kallenborn – damals noch gemeinsam mit Matthias Prinz – auch schon einen faszinierenden neuen Mechanismus eingeführt hatte, der jedoch vom großen Drumherum etwas überlagert wurde.
Obwohl also nicht überkomplex, passieren trotzdem Planungsfehler. Vor allem, weil jemand übersieht, auf welche Sektoren sich die Aktionskarten auf den Plätzen A, B und C beziehen. Und so will man eine Aktion irgendwo ausführen, wo es gar nicht erlaubt ist – was vielleicht auch eine etwas unnötige Klippe in diesem Spiel darstellt. Und noch eine zweite Klippe gibt es: die nicht ganz intuitive Symbolik. Sie führt in Erstpartien zu ganz vielen Nachfragen.
Die Komponenten von COUNCIL OF SHADOWS (Deck erweitern, Fähigkeiten ausbilden, Zug programmieren, Mehrheiten bilden) sind als solche unspektakulär. Außerordentlich wird das Spiel für mich durch die übergeordnete Idee, dass mein Punktezähler einem anderen Zähler hinterherläuft, dessen Geschwindigkeit ich steuern kann. Dieser Dreh bewirkt, bekannte Abläufe im Spiel neu denken und bewerten zu müssen. Ich finde den Mechanismus derart stark, dass ich glaube, er könne in Zukunft noch weitere Spiele tragen und zu einem Markenzeichen von Martin Kallenborn und Jochen Scherer werden.


****** außerordentlich

COUNCIL OF SHADOWS von Martin Kallenborn und Jochen Scherer für eine:n bis vier Spieler:innen, alea.

Sonntag, 12. Februar 2023

Vor 20 Jahren (122): Die fiesen 10

2002, also vor 21 Jahren, hatte ich erstmals die Spielwarenmesse in Nürnberg besucht und hinterher beschlossen, nicht wieder hinzufahren. 2003 war ich deshalb natürlich wieder mit dabei. Man muss auch mal konsequent sein!

Gemeinsam mit Herbert Heller und Frank Kersten klapperte ich die Verlage ab; die anderen Fairplayer kamen an späteren Tagen oder blieben zu Hause. Aber zwei genügten schon, um bei manchen Verlagen die Gespräche in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken: Immer wieder ging es um die Jury „Spiel des Jahres“. Ich weiß im Rückblick nicht mehr, ob es Herbert und Frank waren, die das Thema bei jeder Gelegenheit aufbrachten. Eher war es wohl so, dass allein das Auftauchen der als jurykritisch bekannten Redaktion ein Signal war, um sich endlich mal ein bisschen Frust von der Seele zu reden.

Ich machte dann große Ohren. Allerdings klang mir manches, was ich da hörte, ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Beispielsweise war da ein Verlag, dessen Spiel aus dem Vorjahr ein krachender Flop gewesen war. Angeblich habe man 200 Rezensionsexemplare herausgegeben und etwa genauso viele Spiele dann auch verkauft. Und wer war schuld? Man ahnt es.

Es war nämlich so, dass der 2001 im Unfrieden bei Spiel des Jahres ausgeschiedene Michael Knopf redaktionell an dem Spiel mitgewirkt und die Anleitung verfasst hatte. Und in dieser Personalie wurde nun die Ursache gesehen, warum das Spiel bei Spiel des Jahres ohne Empfehlung geblieben war. Angeblich hätte man von Mitgliedern der Kritiker:innenjury sogar die deutliche Rückmeldung bekommen: „Am Spiel lag’s nicht!“

Ah ja. Ich weiß natürlich nicht, wer da damals was kommuniziert hatte. Und als Beobachter der Szene war ich auch gerne bereit, Jurykritik ernst zu nehmen. Allerdings hinterfrage ich auch meine Quellen. Und komisch fand ich, dass die für mich am meisten naheliegende Idee nicht in Betracht kam: Das Spiel war einfach nicht gut genug. Es war schlichtweg nur Mittelmaß. In meinen Runden jedenfalls hatte es niemandem sonderlich gefallen. Und wenn bei angeblich 200 Rezensionsmustern 200 Verkäufe herausspringen, wäre das etwas, was ich als Verlag mal in Ruhe analysieren würde. Aber das hatten sie ja anscheinend getan. Nur eben mit anderem Ergebnis.


Mittwoch, 8. Februar 2023

Splendor Duel

Menschheit fragt: Warum Zwei-Personen-Varianten?
REZENSIONEN FÜR MILLIONEN antwortet: Weil viele Menschen zu zweit spielen und das Originalspiel zu zweit gar nicht (CATAN) oder nicht so gut (7 WONDERS) spielbar ist.

Wie geht SPLENDOR DUEL? Wie bei SPLENDOR sammeln wir Chipkombinationen, um damit Karten – billige, mittlere und teure – aus einem Markt zu kaufen. Jede Karte in meinem Besitz bringt einen Chip-Rabatt für den Kauf kommender Karten. Eine Strategie besteht deshalb darin, viele billige Karten zu raffen, um über viele Rabatte an die teuren Karten heranzukommen, die Punkte zählen. Wer 20 Punkte hat, gewinnt.
Die andere Strategie ist, gezielt bestimmte Karten zu kaufen und mit nicht ganz so vielen, aber genau den richtigen Karten eine der anderen beiden Siegbedingungen zu erfüllen: zehn Punkte in einer Farbe oder Karten mit zehn Kronensymbolen haben.
Während wir bei SPLENDOR die Chips einfach aus der Bank nehmen, solange der Vorrat reicht und das Besitzlimit nicht überschritten ist, liegen die Chips nun in einem Raster. Will ich welche nehmen (wie gehabt bis zu drei Stück), müssen sie direkt benachbart in einer senkrechten, waagerechten oder diagonalen Reihe liegen.
Außerdem gibt es als zusätzliche Farbe nun auch rosa Chips („Perlen“), die man oft für die etwas besseren Karten benötigt. Einige der Karten lösen jetzt Effekte aus, etwa einen Doppelzug oder einen Chipdiebstahl beim Gegenüber. Und es gibt Privileg-Spielsteine, die man für kleine Bonusaktionen einsetzen darf. Man bekommt Privilegien immer als Ausgleich; zum Beispiel, wenn das Gegenüber den Spielplan wieder auffüllt.


Was passiert? SPLENDOR DUEL ist genau wie SPLENDOR ein Wettlauf. Ich beginne mit nichts und muss mir zunächst immer wieder Chips nehmen. Mit der Zeit gewinnt meine Maschinerie unweigerlich an Tempo. Die Herausforderung besteht darin, sowohl Markt als auch Mitspieler:in im Blick zu behalten: Welche Karten bringen mich zielgerichtet weiter? Welche Karten und welche Chips sollte ich meinem Gegenüber vorenthalten? Der Blockade-Aspekt ist in SPLENDOR DUEL etwas ausgeprägter.
SPLENDOR DUEL ist wie SPLENDOR dennoch ein konstruktives Spiel. Man wächst und wächst; es geht immer voran. Oft beträgt der Unterschied nur ein oder zwei Züge, die irgendjemand schneller ist und deshalb gewinnt. Während SPLENDOR dieses Spielgefühl mit eleganten, geradezu klassisch-einfachen Mechanismen erzeugt und in seiner Tiefe deshalb hin und wieder unterschätzt wird, benötigt SPLENDOR DUEL mehr Regeln.


Was taugt es? Weil SPLENDOR so einfach ist, wie ein Engine Builder irgend sein kann, war klar, dass es für SPELNDOR DUEL nur in die andere Richtung gehen kann: mehr Details, mehr Schnörkel. Immerhin: Trotz größerer Regelmenge ist auch SPLENDOR DUEL nicht sonderlich komplex. Und obwohl das Spielgefühl im Wesentlichen dasselbe ist, bringen die Siegbedingungen eine größere Variation, als sie das Grundspiel hatte.
SPLENDOR DUEL ist ein ordentliches Spiel und zudem etwas konfrontativer als das Original. Aber es beantwortet für mich nicht die Frage nach dem Warum. Denn SPLENDOR funktioniert zu zweit einwandfrei. Und auch dort spielt man nicht nebeneinanderher. Welchen Vorteil soll da eine Zweier-Variante bieten? Außer: Den Liebhaber:innen von Schnörkeln bietet das Spiel nun mehr Schnörkel.


**** solide

SPLENDOR DUEL von Marc André und Bruno Cathala für zwei Spieler:innen, Space Cowboys.

Dienstag, 31. Januar 2023

Gern gespielt im Januar 2023

NEXT STATION LONDON: Ich hab’s immer geahnt, dass die Streckenführung im ÖPNV höheren Zielen dient als der Lappalie, Passagieren sinnvolle Verbindungen zu bieten.

THAT’S NOT A HAT: Wenn „Aber es ist doch sicherlich kein Problem, sich die paar Karten zu merken, oder?“ in der Anleitung steht, ahnst du schon vor dem Losspielen die Antwort.

CLEVER 4 EVER: Ach, ich wollte mich nicht wieder an einem CLEVER-Spiel verbeißen. Aber am Ende ist es wie mit Schokolade. Liegt im Schrank … und man weiß, dass sie im Schrank liegt … und schon liegt sie nicht mehr im Schrank.

CHRONO COPS – DA VINCIS UNIVERSAL-DILEMMA: Diamant-Herstellung: sooo easy. (Wenn man etwas Zeit mitbringt.)

DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL: Wir sind Kaiserin.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JANUAR:

FUN FACTS: Weil Menschen am Ende doch interessanter sind als Meeple.