Ui, es sieht so aus, als sei DORFROMANTIK aktuell ausverkauft. Ein perfekter Anlass, um es genau jetzt zu rezensieren. Schließlich ist das keine Kaufberatungs-Seite hier!
Wie geht DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL? Wir legen kooperativ Landschaftsplättchen. Die Kooperation besteht darin, sich über den besten Anlegeort des (von wem auch immer) gezogenen Teils zu beraten.
Beim Anlegen der Sechseck-Teile wollen wir Aufgaben erfüllen. Immer drei unerledigte Aufgaben sind gleichzeitig im Spiel. Beispielsweise soll sich ein bestimmter Wald (der mit dem Auftragsmarker) über fünf Plättchen erstrecken, der Fluss mit Auftragsmarker soll eine Länge von vier Plättchen erreichen. Sobald ein Auftrag geschafft ist, nehmen wir den Marker an uns und ziehen ein neues Teil vom Stapel der Auftragsplättchen, das nun wieder einen zufälligen Marker verpasst bekommt und von uns angelegt wird. Auch die Auftragsplättchen zeigen Landschaften, tragen also zum Wachstum unserer Auslage bei.
Die Partie endet, wenn der Stapel mit Landschaftsplättchen aufgebraucht ist. Je mehr Auftragsplättchen wir vorher ins Spiel bringen können, desto größer ist unsere Welt insgesamt und desto höher ist die Chance, Punkte zu gewinnen. Außer den Aufträgen zählen auch noch andere Dinge Punkte, beispielsweise der längste Fluss und die längste Schienenstrecke.
Und es werden immer mehr Dinge. Denn nach und nach schalten wir Errungenschaften frei; teilweise indem wir vorgegebene Bauaufgaben erfüllen, teilweise indem wir einfach nur häufig genug spielen. Wir dürfen Boxen öffnen und für kommende Partien mehr Material ins Spiel bringen. Die Welt wird größer, wir haben noch mehr Möglichkeiten, um Punkte zu gewinnen, womit wir noch mehr Errungenschaften freischalten und so weiter. Nach etwa 15 Partien hat die Gruppe alles entdeckt. Sie kann aber weiterspielen und versuchen, den eigenen Highscore zu überbieten.
Was passiert? Die Legeregeln in DORFROMANTIK sind irritierend einfach: Wir dürfen anlegen, wo wir wollen, lediglich Flüsse und Gleise müssen passend fortgesetzt werden. Zunächst glaubt man, zu viele Freiheiten zu besitzen. Doch Flüsse und Gleise schränken uns zunehmend ein, zumal auch Auftragsplättchen oft Fluss oder Gleis zeigen und deswegen schwer zu integrieren sein können.
Manche Spieler:innen (ich auch) stören sich optisch daran, dass man einfach so Getreidefeld in Dorf oder Wald übergehen lassen darf. Das macht die Landschaft auch unübersichtlicher. Ästhet:innen müssen sich daran gewöhnen, dass landschaftsgetreues Anlegen, so schön es aussieht, für die Punktwertung oft nicht so optimal ist.
Wie nicht selten bei Spielen mit Legacy-Elementen entstehen Probleme, wenn man auf Komponenten trifft, die – weil sie geheim bleiben sollen – in der Anleitung nicht erklärt sind. In manchen Fällen hatten wir Zweifel, wie Anweisungen zu verstehen seien. In einem kooperativen Spiel kann man sich zwar leicht einigen; schöner wäre trotzdem das sichere Gefühl gewesen, es so zu spielen, wie es gedacht ist.
Der Glücksfaktor in DORFROMANTIK ist nicht unerheblich. Wer erst ein Getreidefeld der Größe vier, dann fünf, dann sechs bauen muss, kann dies leicht mit ein- und demselben Feld schaffen. Werden die Zahlenmarker in umgekehrter Reihenfolge ausgelost, funktioniert das schon seltener. Glück oder Pech ist es auch, wenn Teile, die ordentlich Punkte bringen könnten, früh oder spät aufgedeckt werden.
Was taugt es? Da alle Informationen offen liegen und alle Entscheidungen in der Gruppe getroffen werden, lässt sich DORFROMANTIK auch prima solo spielen. Vielleicht macht man ein paar Punkte weniger, weil man allein auf der immer größer werdenden Landschaft auch mal Dinge übersieht. Aber Mitspieler:innen braucht man hier nicht, weil es das Spielsystem verlangt, sondern vor allem für die Geselligkeit. Bei einem EXIT- oder UNLOCK!-Spiel habe ich mehr den Eindruck als hier, dass man tatsächlich zusammenarbeitet, doch selbst diese Spiele würde ich nicht mit mehr als vier Personen spielen wollen. DORFROMANTIK entsprechend auch nicht.
Anfangs war ich ohnehin skeptisch. Gruppen, mit denen ich DORFROMANTIK ausprobiert habe, wollten nach einer oder zwei Partien schon nicht mehr weitermachen, was dazu geführt hat, dass ich immer wieder das Startszenario gespielt und mich gelangweilt habe. Aber DORFROMANTIK wird (zumindest aus meiner Sicht als Vielspieler) zunehmend interessant, wenn mehr Teile und Projekte ins Spiel kommen und viele Dinge gleichzeitig unter einen Hut gebracht werden müssen.
Gerade die Tatsache, dass man nicht alles optimal hinkriegen kann, motiviert dazu, es immer wieder von Neuem anzugehen. Vielleicht schaffen wir ja diesmal die riesenlange Eisenbahnstrecke oder scoren so richtig mit den Fahnen oder dem Ballon oder … oder …
Bald entwickelt sich ein Flow. Obwohl man immer wieder von vorn beginnt, hat DORFROMANTIK den Reiz eines Endlosspieles. Es beginnt ganz klein – und wird immer größer, gar riesig. Es geht immer voran, mal schneller, mal langsamer, das Spielgefühl ist konstruktiv. Man kann auch gar nicht verlieren, sondern höchstens weniger gewinnen. DORFROMANTIK bestraft nicht, es belohnt. Irgendwas schafft man immer, zumindest einen Mini-Fortschritt. Letztlich macht es sogar einfach Spaß, aus den zahlreicher werdenden Teilen eine Landschaft zu erschaffen, die jedes Mal ein bisschen anders aussieht.
DORFROMANTIK ist eine gemütliche Puzzelei. Man kann es natürlich auch optimiert spielen und lange abwägen, dann hat man zwei, drei Partien früher alles freigeschaltet. Aber weil eigentlich die schöne Beschäftigung das Ziel ist und der Highscore nur Nebensache, ist das am Ende egal. Wichtig wäre jetzt nur, dass das Endlosspiel weitergeht. Und bestimmt sind Erweiterungen schon in Arbeit. Ich bin bereit.
***** reizvoll
DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL von Lukas Zach und Michael Palm für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.