Wer der Meinung ist, dass man Spiele nicht mit Noten bewerten sollte, findet in DICE FORGE ein Paradebeispiel. Das Spiel vereint höchst Gelungenes und höchst Misslungenes, viel Originalität und verlegerischen Mut, aber auch redaktionelle Fehler, bei denen man wunderbar diskutieren kann, wie sehr sie nun den Spielreiz beeinträchtigen oder auch nicht. Dies alles in eine Note zu pressen, ist unmöglich, aber vielleicht auch gar nicht erforderlich, da Rezensionen dankenswerterweise die Möglichkeit bieten, mehr über ein Spiel auszusagen, als ihm nur eine Note zu verpassen.
Wie geht DICE FORGE? Jeder hat zwei Würfel und baut sie im Laufe des Spiels um. Die Würfelseiten lassen sich ab- und andere Seiten lassen sich anmontieren. Der Sinn dieses Umbaus sind die zu erwartenden besseren Würfelergebnisse.
Am Ende geht es um Punkte. Auf dem Weg dorthin sind drei andere Ressourcen wichtig: Gold, Sonnensplitter, Mondsplitter. Man erhält sie, wenn man sie würfelt. Und um mehr zu erhalten, installiert man Würfelseiten, die in einem Wurf zwei, drei oder noch mehr dieser Dinge bringen. Allerdings darf man nur eine begrenzte Menge Ressourcen lagern. Überbestände verfallen.
In jedem Spielerzug würfeln alle Spieler. Nur der Spieler am Zug darf anschließend etwas kaufen: Entweder für Gold neue Würfelseiten. Oder für Splitter eine „Heldentat-Karte“. Karten bringen Sofort- oder Dauereffekte, unter anderem auch besondere Würfelseiten, die man nur auf diese Weise erwerben kann. Außerdem zählen die Karten Punkte. Weitere Punkte gewinnt man, sobald man die Punkteseiten seiner Würfel würfelt.
Was passiert? Eine grundsätzliche Herausforderung ist die Vorsorge, dass erwürfelte Ressourcen nicht verfallen. Als Anfänger setzt man gerne auf Gold und erlebt schon nach wenigen Runden, wie der Gold-Besitzmarker ans Ende seiner Skala klatscht und stehen bliebt. Um das zu verhindern, gibt man das Gold mit vollen Händen aus – und hat daraufhin noch bessere Würfelseiten, die womöglich noch mehr Gold ausschütten.
Besser wäre es, rechtzeitig in Karten zu investieren, die das Lager vergrößern oder erlauben, überschüssiges Gold in Siegpunkte umzuwandeln. Allerdings: Kaufe ich eine Karte, darf ich (normalerweise) keine Würfelseiten kaufen. Das heißt, ich gebe in diesem Zug kein Gold aus, was dazu führen kann, dass Gold verfällt. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden.
Oder man spielt gar nicht erst auf brutale Goldvermehrung. Ziele ich auf Karten ab, die besondere Würfelseiten bringen, sollte ich meine Würfel im Vorfeld so konstruieren, dass die erworbene Spezialseite den optimalen Nutzen erwirtschaftet. (Beispielsweise gibt es eine Würfelseite, die das Ergebnis des anderen Würfels verdreifacht. Logischerweise sollten sich meine besten Würfelseiten nicht auf demselben Würfel befinden wie die „x3“.)
Die Stärke mancher Karten offenbart sich nicht auf den ersten Blick. Ohne hier alles aufzählen zu wollen, lassen sich von Partie zu Partie etliche Karten- und Würfel-Kombinationen, Misch- und Extremstrategien ausprobieren und entdecken. Wobei das Wort „Strategie“ vielleicht etwas hochgegriffen ist: Kein Plan funktioniert ohne Würfelerfolg. Ich kann noch so gezielt die tollsten Seiten anmontieren: Wenn ich sie nicht auch würfle, habe ich nichts davon.
So weit, so nett ... ABER: Anleitung und Material erschweren den Einstieg erheblich. Ich habe erlebt, wie sogar recht erfahrene Spieler daran gescheitert sind, DICE FORGE zu Spielbeginn regelkonform aufzubauen (die Startwürfel korrekt zusammenzustecken und die richtigen Karten auszulegen). Und dass Spielwillige nicht losspielen können, ist das Schlechteste, was einem Spiel passieren kann.
In DICE FORGE geht Kunst über Funktionalität. Das Spielregel-Layout ist unpraktisch und unübersichtlich, Beispielgrafiken sind auf fast schon absurde Weise unverständlich. Die Materialgrafiken sind nicht klar genug, die Farben zu blass. Ob auf den Würfelseiten ein „+“ oder ein „?“ abgebildet ist, macht einen großen Unterschied, ist aus der Entfernung, wenn die Teile noch im Markt liegen, aber kaum zu erkennen.
Was taugt es? Hat man die Anfangsschwierigkeiten überwunden, bleibt ein gutes und vor allem innovatives Spiel. Dass man Würfel umbauen kann, hatten zwar schon die Legospiele gezeigt. Doch wurde die grandiose Idee dort verschenkt.
Ich habe Lust, DICE FORGE weiterzuspielen und mit den Möglichkeiten zu experimentieren, vor allem mit Leuten, die das Spiel schon kennen, weil es dann richtig schön schnell geht.
Wegen der eklatanten Schwächen von DICE FORGE hoffe ich allerdings, dass irgendwann ein verbessertes Spiel derselben Art erscheint, um DICE FORGE zu ersetzen. DICE FORGE stufe ich vor allem deshalb als „reizvoll“ ein, weil es derzeit nichts anderes dieser Art gibt.
***** reizvoll
DICE FORGE von Régis Bonnessée für zwei bis vier Spieler, Libellud.