Heiße News, Leute! DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD ist für die Wahl zum Spiel des Jahres nominiert, und da habe ich gedacht: Gucke ich mir auch mal an!
Wie geht DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD? Wir spielen kooperativ, sind Robin und die Geächteten und erleben ihre Abenteuer nach, beginnend mit der Befreiung von Little John und der Flucht in den Wald, endend mit (hoffentlich) dem Sieg über den Sheriff von Nottingham samt Verbündete.
Eine der Besonderheiten des Spiels ist sein riesiger Spielplan, der adventskalenderartig zahlreiche Plättchen enthält, die sich herauslösen lassen, wodurch etwas Neues zum Vorschein kommt oder etwas verschwindet. So offenbart sich beispielsweise das Innere von Gebäuden. Oder Personen wie der Pfarrer sind mal anwesend, mal (umgedrehtes Plättchen) abwesend.
Unsere Handlungen wirken sich auf diesen Spielplan aus. Erreichen wir mit einer Figur eins der Plättchen, interagieren wir: Ist es eine Truhe, untersuchen wir sie, und vielleicht kommt etwas zum Vorschein. Ist es eine Person aus dem Dorf, sprechen wir mit ihr, und vielleicht schalten wir dadurch etwas frei. Ist es ein Feind, bekämpfen wir ihn, und hoffentlich verschwindet er dann.
Kämpfe sind unumgänglich. Erstens weil zu viele Soldaten auf dem Plan unsere Bewegungsfreiheit einschränken. Zweitens weil erfolgreiche Kämpfe unseren Hoffnungs-Punktwert erhöhen. Der sinkt jede Runde automatisch ab, und landete er bei Null, wäre das sehr nachteilig.
Auf dem felderlosen Plan bewegen wir uns frei mittels Holzschablonen, wie man es vom Tabletop kennt. Setzt jemand die längste der drei Schablonen nicht ein, kommt zur Belohnung ein weißer Würfel in den Gemeinschaftsbeutel. Man hat zwar weniger Strecke geschafft, aber Kraft gespart. Das wird später wichtig. Zahlreiche Kampf- und Geschicklichkeitsproben verlangen, in einer bestimmten Zahl von Versuchen eine bestimmte Zahl weiße statt violette Würfel aus dem Beutel zu ziehen.
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD will entdeckt werden. Oft erfordern unsere Aufträge, dass wir Gegenstände finden oder von Personen Informationen erhalten. Welche Orte wir dafür aufsuchen wollen und welche Personen uns womöglich weiterhelfen, müssen wir uns selbst herleiten.
Was passiert? DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD wird per Losspielanleitung hervorragend eingeführt. Hier ist alles durchdacht und für den leichten Einstieg optimiert. Prunkstück des Spiels ist ein Buch, auf dessen Seiten man nachliest, was bei den Interaktionen geschieht – auf einfachste Weise. Rede ich mit der Schmiedsfrau, die die Nummer 200 trägt, muss ich Seite 200 aufschlagen. Zwei Lesezeichen sind dazu da, um Seiten zu markieren, auf die man während des Abenteuers noch einmal zurückgreifen muss.
Und mehr braucht es nicht. Oft überfordern in Spielen allein schon die Materialberge, die ausgebreitet, sortiert und verwaltet werden müssen. Durch Buch und Spielplan spart DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD jede Menge Kleinteile ein.
Das Spiel ist zudem wunderbar konkret und selbsterklärend. Distanzen sind hier tatsächlich Distanzen. Ein Boot funktioniert, wie sich herausstellt, wie ein Boot, ein Heuwagen wie ein Heuwagen. Der Spielplan zeigt Zonen von Schatten und Licht. Im Schatten sind wir vor dem Zugriff der Wachen sicher. Von Schatten zu Schatten zu schlüpfen, fühlt sich wie reales Anschleichen und Verstecken an.
Grob gesagt geht es in vielen der Abenteuer darum, zunächst Informationen und / oder Gegenstände zu beschaffen und dabei möglichst noch Kraft zu sparen, um in einem späteren Beutelzieh-Showdown zu bestehen. Da spielt auch Glück eine Rolle, ob man die angesparten weißen Steine tatsächlich zieht. Glück oder Pech ist es auch vorher schon, in welcher Reihenfolge Held:innen und Gegnertruppen an die Reihe kommen. Soldaten, die im falschen Moment auftauchen, können uns auf ihrer Lichtung gefangen nehmen.
Ich habe DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD zweimal durchgespielt. Weil es im Gesamtabenteuer zwei Handlungsstränge gibt, obendrein für jedes Kapitel zwei Varianten und dazu einen Plus-Modus für Fortgeschrittene, erlebt man nicht immer dasselbe. Gewiss werden die Kapitel dadurch nicht komplett umgekrempelt, sondern bleiben ähnlich. Doch wo vergleichbare Spiele schon an ihrem Ende angelangt wären, gibt es hier noch ein Extra.
Nach Niederlagen haben wir deshalb auch immer brav einen neuen Anlauf genommen. Allerdings wäre meine Geduld da auf Dauer begrenzt gewesen, und ich war froh, in entscheidenden Momenten Glück gehabt zu haben. Nur wegen eines am Ende ungünstig gezogenen Würfelchens hätte ich nicht wiederholen wollen, wenn ich zugleich den Eindruck gehabt hätte: Wir haben alles herausgefunden, es ist alles erzählt.
Erzählerisch passiert hier teilweise mehr als spielerisch. Immer wieder Plättchen umzudrehen, mit den Schablonen zu hantieren, Dinge aus dem Beutel zu ziehen, verursacht einiges an Handling und unterbricht den Flow. Auch die Gegnerfigur Guy of Gisbourne ist in vielen Partien eher aufwendig über den Spielplan geirrt, als eine wirkliche Bedrohung darzustellen.
Und nicht alle Mitspieler:innen werden im Abenteuer die Hauptrollen haben. Manche (zum Glück auch durchaus mal Robin) verlassen während der gesamten Partie nie den Wald und beschäftigen sich mit Kämpfen, die es den anderen ermöglichen, in der Zwischenzeit die spannenderen Dinge zu erledigen.
Was taugt es? So viel Innovation in einem einzigen Spiel ist selten: eine neue Art von Spielplan, ein sehr durchdacht integriertes Buch, ein ungewöhnlicher Bewegungsmechanismus.
Die Grafik ist herausragend atmosphärisch, die Materialqualität gut. Dass sich die Türchen im Spielplan abwetzen, ist unvermeidlich. Spiele werden nun mal benutzt. Entscheidend ist: Alle Klappen halten auch nach unzähligen Wendungen, keine fällt heraus. Das Buch allerdings ist bei mir aus der Bindung gerissen und der Spielplan wellt sich.
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD erzählt Geschichten ohne die dafür sonst üblichen Kartenstapel und begleitet auch weniger erfahrene Spieler:innen Schritt für Schritt ins Geschehen. Erfahrene Spieler:innen fühlen sich durch die Kleinschrittigkeit der Abläufe mitunter zu sehr an die Hand genommen.
***** reizvoll
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD von Michael Menzel für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.