Freitag, 18. April 2025

Perspectives

Perspectives: Cover

Aus meiner Perspektive sehe ich eine Einleitung.

Wie geht PERSPECTIVES? In PERSPECTIVES rekonstruieren und lösen wir Krimimalgeschichten anhand von Bildern. Jede PERSPEKTIVES-Box enthält drei Fälle. Jeder ist in drei Akte gegliedert (plus einen vierten als Epilog). In jedem der drei ersten Akte kommen zwölf Bildkarten ins Spiel. Die teilen wir reihum unter allen Spieler:innen auf. Jede:r darf und sollte den anderen beschreiben, was auf den eigenen Bildern zu sehen ist. Zeigen dürfen wir uns die Karten nicht. Mit einer Ausnahme: Pro Akt dürfen wir ein Bild für alle sichtbar in die Mitte legen.

Perspectives: Akte

Am Ende des Aktes sollen wir alle Bilder verdeckt beiseite legen und eine Frage beantworten wie „An welchem Tag wurde das Original durch die Fälschung ersetzt?“ oder „Wer reichte Steve das tödliche Getränk?“ sowie jeweils drei weitere Fragen, die wir vorab nicht kennen.

Was passiert? Es wird sehr viel geredet. Muss ja. Je nach Mitteilungsdrang preschen manche Spieler:innen vor und beschreiben haarklein und hintereinanderweg jedes ihrer Bilder. Andere halten sich eher zurück und warten, bis ein Stichwort fällt, zu dem sie etwas beitragen möchten. Manchmal ziehen sie sich die Beschreibungen in die Länge und drehen sich im Kreis, weil die Gruppe der Lösung nicht näherkommt. Mitunter hat man mittlerweile auch längst vergessen, was irgendwer vor vielen Minuten gesagt hat.
Gelegentlich gibt es aber auch ganz tolle Momente: Irgendwer entdeckt auf einer Karte ein Detail, das zunächst nicht so ins Auge gefallen war. Und diese Beobachtung erweist sich als der Schlüssel, um noch mehr solcher Details zu finden, die sich wie ein Puzzle schließlich zu einer perfekten Lösung verbinden. Dann freut man sich, die nötige Geduld gehabt zu haben, während man in anderen Partien vielleicht feststellt, dass man aus Angst vor den drei unbekannten Fragen viel zu lange diskutiert hat, obwohl man längst alles Nötige wusste.
Die zusätzlichen Fragen sind nämlich keine fiesen Querfragen wie „Wie viele Eichhörnchen waren in den Bildern versteckt?“, sondern überwiegend Hinführungen zur Lösung. Es ist sogar vorgekommen, dass wir erst anhand der Zusatzfragen auf die richtige Lösung gekommen sind, während das, was wir uns vorher überlegt hatten, falsch oder zu ungenau gewesen wäre.


Perspectives: Fälle

Was taugt es? Das Konzept der PERSPECTIVES-Reihe gefällt mir gut, und sollte noch eine dritte Box erscheinen, wäre ich gespannt, die Fälle zu spielen. Dass niemand Vollinformation besitzt und es auf jede einzelne Karte ankommen kann, bindet alle am Tisch ein. Eine Partie erfordert Geduld und die Bereitschaft, anderen zuzuhören. Alle Akte eines Falles am Stück zu spielen, kann länger als zwei Stunden dauern und sehr anstrengend werden.
Die einzelnen Geschichten sind in meinen Runden unterschiedlich angekommen. Die Neigung, einen Fall gut zu finden, ist nach meiner Beobachtung signifikant höher, wenn man alle Fragen beantworten konnte. Weshalb ich mir nicht sicher bin, ob es „objektiv“ gelungenere und weniger gelungene Fälle gibt oder ob nicht eher Gruppenzusammensetzung, Tagesform, thematische Vorlieben usw. entscheiden.
Ich war immer dann unzufrieden, wenn ich (selbst bei korrekter Antwort) eine Auflösung unrealistisch und hergeholt fand, wenn mir die Aufgabenstellung nicht präzise genug vorkam und wenn jemand in den Bildern nicht das erkennen konnte, was hätte erkannt werden sollen, weil die Zeichnung an entscheidender Stelle nicht klar genug war.

Perspectives: Karten

So etwas kam in beiden Boxen vor, weshalb ich keine der PERSPECTIVES-Ausgaben klar besser finde als die andere. Am hellblauen PERSPECTIVES gefällt mir, wie die Grafik mit den Themen harmoniert. Etwa ist der im Jahr 1207 in einer Abtei spielende Fall „Der Teufel im Detail“ im Stil von Federkielzeichnungen illustriert. Die blaue Box geht obendrein mehr in Richtung Rätsellösung statt Deduktion; ich empfinde sie als komplexer.


**** solide

PERSPECTIVES von Dave Neale und Matthew Dunstan für zwei bis sechs Spieler:innen, Space Cowboys.

Montag, 14. April 2025

Vor 20 Jahren (148): Manila

Karten aus LUDOVIEL

MANILA (von Franz-Benno Delonge bei Zoch) ist ein Zockspiel. Wir wetten unter anderem auf den Einlauf von Schiffen im Hafen. Zwischendurch werden die Schiffe mehrfach per Würfelwurf voranbewegt. Unter Berücksichtigung der veränderten Spielsituation platzieren wir immer weitere Wetten. Man kann sich das so ähnlich wie bei CAMEL UP vorstellen (ohne dass beide Spiele allzu viel gemeinsam haben).

MANILA war einer der Mitfavoriten für die Wahl zum Spiel des Jahres 2005. Allerdings nur bis zu jenem Tag, als die Jury Spiel des Jahres ihre Nominierungen und Empfehlungen verkündete: MANILA war nicht dabei. In beiden Fällen. Für den Zoch-Verlag wird das am Ende nicht zu sehr enttäuschend gewesen sein; sie gewannen den Preis trotzdem. Nur eben mit NIAGARA.

Für den Autor war es enttäuschend. Zwar waren die MANILA-Rezensionen eher gemischt ausgefallen, aber beim Spiel-des-Jahres-Tippspiel im damals noch sehr relevanten spielbox-Forum wurde MANILA als heißer Kandidat gehandelt. Auch diverse Nominierungen für Spielepreise in anderen Ländern (Frankreich, Niederlande, Japan, USA usw.) und der dritte Platz beim Deutschen Spielepreis 2005 zeugten von der Beliebtheit des Spiels.

Franz-Benno Delonge schrieb in den Nuller-Jahren regelmäßig Beiträge im spielbox-Forum. Nur Nebenbemerkungen lassen erahnen, welche Hoffnungen er sich mit MANILA gemacht hatte. Als etwa der Autor Bruno Faidutti MANILA zu einem seiner drei Lieblingsspiele 2005 erklärt hatte, dankte Delonge ihm und schrieb: „Das baut einen dann doch wieder auf.“

Ich möchte da nicht in der Haut von Autor:innen stecken. Natürlich giert man nach Feedback und Bestätigung und fiebert mit dem eigenen Spiel mit. Und gewiss freut man sich sehr, wenn das eigene Spiel in sozialen Medien gelobt und in Tipp-Spielen genannt wird. Aber Tipp-Spiele sind eben nur Tipp-Spiele. Viele, die da mittippen, haben ganz sicher nicht den kompletten Jahrgang durchgespielt. Und es sind Tipp-Spiele in einer Bubble, die sich gegenseitig bestärkt. Manche kannten MANILA vermutlich gar nicht und tippten nach Hörensagen. Und warum auch nicht? Es ist ja nur ein Tippspiel. Eine Spielerei. Eine Spekulation, so wie man auch mit Waren und Schiffen in MANILA spekuliert. Und am Ende vielleicht danebenliegt.

Direkt zur Jury-Entscheidung äußerte sich Delonge nicht. Ich würde sagen: klugerweise nicht. Dass Autor:innen Kritiker:innen und Jury-Mitglieder öffentlich kritisieren, erlebt man nur selten. Vermutlich, weil die Autor:innen annehmen, dass es nicht souverän wirkt oder gegen sie verwendet werden kann oder zwecklos ist oder alles drei zusammen. Außerdem würdigt es die anderen Spiele herab, wenn man behauptet, das eigene sei besser.

War MANILA besser? Ich weiß es nicht. MANILA war für meine Begriffe das deutlich rundere Spiel, NIAGARA glänzte dagegen durch Material und Aufforderungscharakter. Im Rückblick weiß man, dass NIAGARA sich nicht zu einem modernen Klassiker entwickelt hat. Das hätte ich aber auch MANILA nicht zugetraut.


Donnerstag, 10. April 2025

The Gang

The Gang: Cover

Eine gute Einleitung ist wie ein Royal Flush. Und ähnlich selten.

Wie geht THE GANG? Wir spielen Texas Hold’em Poker. Allerdings kooperativ.
Jede:r bekommt zwei geheime Karten zugeteilt. Fünf weitere (nach und nach werden sie aufgedeckt) liegen in der Tischmitte. Mit fünf der insgesamt sieben für mich sichtbaren Karten bilde ich die bestmögliche Pokerkombination („Höchste Einzelkarte“, „Paar“, „Zwei Paare“, „Drilling“, „Straße“ etc.).
THE GANG verlangt von uns, dass wir unsere Kombination im Verhältnis zu den Kombinationen der anderen Spieler:innen richtig einschätzen. Mit Sternen-Chips signalisieren wir, für wie gut wir unser Blatt halten. Im Spiel zu viert sollte die Person mit der höchsten Kombination am Schluss den roten Chip mit vier Sternen besitzen, die Person mit der zweithöchsten Kombination den roten Drei-Sterne-Chip. Und so weiter.
Chips werden viermal im Spiel vergeben: zuerst weiße Chips, noch bevor eine Karte in der Mitte aufgedeckt wurde. Wer seine zwei Handkarten für aussichtsreich hält, nimmt sich einen Chip mit vielen Sternen. Jemand mit wenig Hoffnung nimmt sich die Eins. Wir dürfen uns Chips gegenseitig wegnehmen. Auch mehrmals. Die Verteilung endet, sobald alle einen Chip haben.
Jetzt decken wir drei Karten in der Mitte auf und rangeln in derselben Weise um gelbe Chips, dann nach einer weiteren offenen Karte um orangefarbene und schließlich nach der fünften Gemeinschaftskarte um die roten. Die Chips der ersten drei Farben dienen nur der Orientierung, die roten entscheiden. Wir decken unsere Blätter auf und gucken, ob es passt.
Gewinnen wir auf diese Weise drei Runden, gewinnen wir die Partie. Geht es dreimal schief, verlieren wir.


The Gang: Situation

Was passiert? Eine Gruppe muss sich erst einspielen, denn was man hier einigermaßen sinnvoll machen könnte, ist nicht so offensichtlich. Einstiegsprobleme kann auch bereiten, dass Poker-Unerfahrene ein Paar als äußerst schwache Kombination ansehen. Tatsächlich ist ein Paar gar nicht so selten das Rundenhöchste.
Wann immer sich mein Blatt durch das Aufdecken von Karten in der Tischmitte verbessert, sollte ich das anzeigen, indem ich mir einen höheren Chip nehme als in den Vorrunden. Genauso sollte ich beobachten, ob andere Spieler:innen das ebenfalls tun, und daraus Rückschlüsse ziehen. Geschieht es bei der vierten oder fünften aufgedeckten Karte, ist klar, dass genau diese Karte der Auslöser gewesen sein muss.
Geschieht es bei den ersten drei Karten, ist die Lage unklarer. Üblicherweise orientiert man sich an Wahrscheinlichkeiten. Wurden eine Vier, eine Fünf und eine Dame aufgedeckt, und die Dame beschert mir ein Paar; und eine andere Person, die vorher mit mir um den kleinsten Chip gerungen hat, streitet plötzlich mit mir um den höchsten (vermutlich weil sie jetzt ebenfalls ein Paar hat), würde ich erst mal davon ausgehen, dass der höchste Chip mir zusteht. Denn ein Damen-Paar ist höher als ein Vierer- oder Fünfer-Paar.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass auch die andere Person ein Damen-Paar hat. Dann tauschen wir vielleicht noch sehr lange die Chips. Was einerseits ein bisschen nervt, andererseits aber mehr Informationen liefert, als wenn jemand sofort aufgibt nach dem Motto: Wenn du den Chip haben willst, dann nimm ihn halt. Musst du ja wissen.
Nein. Man weiß es eben nicht. Wissen entsteht erst, indem wir mittels der Chips interagieren. Das erfordert, dass alle mit Ehrgeiz dabei sind, dass alle mitdenken und sich trauen, Entscheidungen zu treffen, aber auch Einschätzungen wieder zu revidieren.

Was taugt es? THE GANG ist in kleiner Runde einfach und in großer Runde sehr schwer. Deshalb habe ich in großen Gruppen schon viel Ratlosigkeit erlebt, wie man das schaffen soll und wozu. THE GANG macht nicht in jeder Gruppenzusammensetzung Spaß. Man braucht schon eine eingeschworene … ja: Gang.
Thematisch ist THE GANG im Bandenmilieu angesiedelt. Wir knacken Tresore. Auch wenn Tresore üblicherweise Nummernkombinationen haben, erscheint mir die Verbindung zwischen Thema und Mechanik nicht so ganz schlüssig. Sie stört aber auch nicht.

The Gang: Karten

Gelungen finde ich, wie das Spiel abwechslungsreich gehalten und an die Gruppe angepasst werden kann. Dafür gibt es je zehn Spezialisten- und Challenge-Karten, die sich auf verschiedene Weise ins Spiel einbinden lassen und kleine Regeländerungen initiieren, entweder als Bonus oder als Handicap.
Auch wenn es nicht ganz leicht ist, für THE GANG eine geeignete Spielerunde zu finden: Sobald diese beisammen ist, kann man sich an THE GANG regelrecht festbeißen. Die Regelmenge ist überschaubar, die Aufgabe trotzdem herausfordernd. Nach und nach lernt die Gruppe dazu, spielt sich aufeinander ein und kann dann auch Nuancen erfolgreich kommunizieren. Und auch wenn THE GANG an Poker angelehnt ist: Es ist nicht Poker, es ist neu und originell. Denn bluffen sollen wir hier nicht. Ganz im Gegenteil.


***** reizvoll

THE GANG von John Cooper und Kory Heath für drei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.

Mittwoch, 2. April 2025

Für die Krone

Für die Krone: Cover

Ich hatte extra angekündigt, es ist die letzte Einleitung, die ich noch habe. Aber sie wurde mir trotzdem weggenommen.

Wie geht FÜR DIE KRONE? FÜR DIE KRONE ist ein Spiel rund ums Wegnehmen. Der Titel besagt nicht etwa, an welche Instanz die vielen geraubten Rubine gehen. Sondern warum wir rauben: Weil wir die Krone wollen! Dafür ist natürlich jedes Mittel recht. Wer von den 20 Start-Rubinen am Schluss die meisten übrig hat, gewinnt. Unseren Besitz halten wir während des Spiels geheim.
Der Hauptmechanismus ist Gemeinschafts-Deckbuilding. In der Startrunde kaufe ich zwei, in allen anderen Runden eine Karte. Sie und die Karten der anderen Spieler:innen werden mit Ereigniskarten zusammengemischt und dann eine nach der anderen aufgedeckt. Kommt meine Karte zum Vorschein (dass es meine ist, erkenne ich an der farblich markierten Kartenhülle), führe ich ihre Aktion aus.
Vielleicht darf ich mir jetzt einen Rubin nehmen oder eine Münze, vielleicht auch zwei. Darf mich auf der Reihenfolge-Skala nach vorne schieben oder wen anderes zurück. Oder ich darf bestimmen, wer einen Rubin abzugeben hat. Oder wer Waschbären-Marker bekommt. Oder darf den Würfel werfen, der dann anzeigt, was passiert.
Ereigniskarten verfügen, dass die Person mit den meisten Waschbären zwei Rubine verliert (und die Waschbären auch) oder dass alle eine Rubin-Strafe zahlen, sofern sie auf der Reihenfolge-Skala nicht auf den vordersten Feldern stehen. Oder … oder …
Meine Kartenkäufe bezahle ich mit Geld. Habe ich nicht genug Geld, muss ich mit Rubinen zahlen. Der Kartenmarkt ist vorsortiert. Stärkere Karten kosten mehr. Im Laufe der vier Spielrunden werden sämtliche Karten immer billiger.


Für die Krone: Markt

Was passiert? Diesen Markt-Mechanismus empfinde ich als das Beste des gesamten Spiels. Er gewährleistet, dass die stärkeren Effekte einerseits nicht zu früh, andererseits aber rechtzeitig zum Finale auftauchen. Das hilft der Dramaturgie; das Spiel kann bis zum Schluss spannend bleiben.
Zumindest in der Theorie erlaubt der Mechanismus auch die Abwägung, ob ich für viel Geld bewusst eine starke Karte kaufe, um ihren Effekt noch in möglichst vielen Runden nutzen zu können, so dass sich die Investition langfristig rechnet. In der Praxis klappt das aber eher nicht. Im Gegenteil macht, wer stärkere Karten kauft, sich sofort verdächtig und wird zum Feind auserkoren. Dass die Karte sehr teuer gekauft wurde, spielte da keine Rolle.
Womit ich zum Schlechtesten von FÜR DIE KRONE komme: Das Spiel ist komplett destruktiv. Von Anfang bis Ende geht es nur darum, anderen zu schaden und selber möglichst verschont zu bleiben. In einer emotionslosen Runde, wo nüchtern abgewogen wird, wer gerade führt, mag der Verlust alle gleichermaßen treffen. Ich habe das aber nicht so erlebt.
Im Gegenteil entscheiden teilweise außerspielerische Dinge (wer immer gleich heult, wird eher verschont; wer sonst immer gewinnt oder wen man ärgern will, kriegt eins drauf), teilweise entwickeln sich innerhalb der Partie Privatduelle. A hat B etwas weggenommen, also nimmt B nun A etwas weg. Und dann wieder A B und B wieder A, obwohl ziemlich wahrscheinlich C in Führung liegt.

Für die Krone: Truhe mit Erbstück

Es gibt einen kleinen Schutzmechanismus: das „Erbstück“. Das ist ein Riesenrubin im Wert von zehn. Habe ich die Hälfte meiner Rubine verloren und muss das Erbstück einlösen, sage ich das an, und werde nun eventuell ein wenig verschont. Na ja … oder auch nicht.
Man kann das lustig finden, und tatsächlich kenne ich auch Spieler:innen, die unter „Interaktion“ hauptsächlich „Aggression“ verstehen. Ich finde das nicht lustig. Auch nicht, wenn es gleichmäßig und „gerecht“ zugeht. Es ist nichts, was mir Spaß macht, weder als Täter noch als Opfer. Um FÜR DIE KRONE erfolgreich zu spielen, muss ich reinreden, hetzen, manipulieren, instrumentalisieren – also genau das, was ich verabscheue.
Vielleicht bin ich da übersensibel, aber für mich ist die Lehre aus FÜR DIE KRONE: Es geht nur ums Gewinnen, und wie du das machst, ist egal. Gewinnen ist hier nicht die kleine Extrabelohnung nach einer gemeinsamen belohnenden Tätigkeit. Denn unsere Tätigkeit ist ja nicht belohnend. Der Weg ist hier absolut nicht das Ziel.

Was taugt es? Ich mag FÜR DIE KRONE trotzdem nicht „misslungen“ nennen. Es soll so sein, wie es ist. In dem, was es will, ist es weitgehend gelungen. Es entspricht nur absolut nicht meinem Geschmack und dem, was ich in Spielen suche.
Objektiv misslungen sind indes die Kartenhüllen. Sie reißen schnell ein. Zwar liegen einige Ersatzhüllen bei. Aber wollte ich FÜR DIE KRONE intensiv weiterspielen, gingen mir irgendwann die Hüllen aus.
Die Aufmachung von FÜR DIE KRONE hat in meinen öffentlichen Spielerunden schon einige Leute in die Irre geführt. Obwohl etwas schrill, sehen die Comicfiguren nicht direkt boshaft aus. Man denkt, das Spiel könne nett sein. Es ist jedoch das Gegenteil von nett.


*** mäßig

FÜR DIE KRONE von Maxime Rambourg für drei bis fünf Spieler:innen, Repos Production.

Montag, 31. März 2025

Gern gespielt im März 2025

CITIES: Keine der Städte, die wir bauen, heißt Hannover. Aber alle sehen so aus.

SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL: Vielleicht ist dies das Ermutigende all dieser Monsterprügeleien: Anders als in der Realität geht es nicht bloß gegen Handlanger und kleine Fische. Am Ende erwischt es auch den Boss.

SKIZZ IT: Da meine Drei-Sekunden-Skizzen qualitativ kaum schlechter sind als meine Drei-Stunden-Werke, müsste ich eigentlich gute Gewinnchancen haben. Nur hat sich die schöne Prognose bislang leider nicht bewahrheitet.

SKULL QUEEN: Immer wieder plankes Entsetzen.

PYRAMIDO – VERSCHOLLENE SCHÄTZE: Die verschollenen Schätze, von denen Titel und Anleitung blumig schwärmen („Legenden berichten von kostbaren Edelsteinen … in labyrinthartigen Gängen … mit nichts als einer improvisierten Karte … in die düsteren Tiefen der Pyramiden … bla, bla), sind anscheinend so sehr verschollen, dass wir uns gar nicht erst auf die Suche machen und lieber eine neue Pyramide bauen.


UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM MÄRZ:

CIVOLUTION: Nicht mal DOMINION mit seinen unzähligen Erweiterungen hat derartige Folgekosten verursacht. Um CIVOLUTION spielen zu können, musste ich extra einen Koloss von einem Tisch anschaffen. Wanddurchbrüche konnten gerade noch vermieden werden.


Dienstag, 25. März 2025

Fischen

Fischen: Cover

Einleitungen sind für mich eine – wie sagt man? – Fischen impossible.

Wie geht FISCHEN? FISCHEN ist ein Stichspiel über acht Runden. Die erste Runde ist völlig konventionell. Wer die höchste Karte der angespielten Farbe legt, gewinnt den Stich. Man bedient, man wirft ab. Trumpf gibt es erst ab Runde zwei.
Alle gewonnenen Karten sammle ich auf meiner Ablage. Jede Karte zählt einen Punkt. Und diese Karten bilden für die Zukunft mein Deck: Ich mische und staple sie und ziehe von oben die benötigten Karten für die nächste Runde. Enthält mein Deck nicht genug Karten, erhalte ich die fehlenden vom vorsortierten „Meeresstapel“. Darin befinden sich höhere Werte, Trümpfe und Sonderkarten. Je weiter wir den Meeresstapel abtragen, desto stärker die Karten.

Fischen: gesammelte Stiche und Deck

Sammle ich nur wenige Stiche und damit nur wenige Punkte, erhalte ich also Karten, die tendenziell besser sind als das, was sich bislang im Spiel befindet. Üblicherweise befähigen mich diese Karten, jetzt deutlich mehr Punkte zu sammeln – allerdings mit dem Haken, dass mein Deck wieder dicker wird und nun andere Spieler:innen Kartengeschenke erhalten und mich bald wieder übertrumpfen werden.

Was passiert? Eine Partie FISCHEN ist ein Auf und Ab aus punkteträchtigen und weniger punkteträchtigen Phasen. Niemand wird abgehängt, niemand eilt davon. Teilweise ist es auch ein Stichvermeidungsspiel. Einen Stich mit lauter Luschen sacke ich trotz billiger Punkte nicht gedankenlos ein, weil ich weiß, dass diese Luschen in mein Deck und damit auch in meine zukünftige Kartenhand wandern.

Fischen: Karten

Das Spielprinzip ist unterhaltsam. Wenn ich Karten nachbekomme, kann ich mich darauf freuen, etwas Besonderes zu ergattern, womit ich die anderen überraschen werde. Allerdings kann es auch Enttäuschungen geben. Da habe ich die Trumpf-Sechs gezogen und denke: „Cool!“ Und dann hat irgendwer tatsächlich die Trumpf-Sieben, und ich bekomme den Stich doch nicht, und die andere Person hat nun Sechs und Sieben im Deck.
Oder ich ziehe gar keinen Trumpf, sondern nur irgendwelche mittelmäßigen Sonderkarten. In meinen Runden wussten mehrere Spieler:innen mit manchen Sonderkarten nicht viel anzufangen. Sie wurden nicht als Verstärkung des Blattes empfunden.
Die Unterhaltsamkeit von FISCHEN bedeutet auch eine gewisse Unplanbarkeit: Ich weiß nicht, welche Karten neu ins Spiel gekommen sind. Ich weiß auch nicht, welche Karten auf den Händen sind und welche noch irgendwo in den Decks schlummern. Zielgerichtetes Spielen wird erschwert. Menschen, die bei Stichspielen gerne alle Karten mitzählen, können das bei FISCHEN nicht.


Fischen: Karten

Was taugt es? Nach meinem Verständnis ist FISCHEN ein Stichspiel, das sein Genre nicht allzu ernst nimmt. Es bricht mit Stichspiel-Prinzipien, indem erstens nur ein Teil aller Karten im Spiel ist und zweitens im Laufe der acht Runden eine Inflationierung stattfindet, die die ursprünglichen Karten immer mehr abwertet.
Das fühlt sich frisch und ungewöhnlich an, ich mag die Idee – dennoch hat sich das Spiel für mich nicht als Dauerbrenner erwiesen. FISCHEN ist nicht Fisch, nicht Fleisch, es ist irgendwas dazwischen. Es ist einerseits nicht so eindeutig ernst: Ich erlebe mich in den Wellenbewegungen und Aufs und Abs mehr als mitgespült und weniger als aus eigener Kraft schwimmend. FISCHEN ist andererseits aber auch nicht so eindeutig lustig, dass ich mich wie in einem Fun-Spiel einfach treiben lassen wollte.
Klar, ein Spiel muss nicht in eine Kategorie passen. Es sollte erst mal so genommen werden, wie es ist. Allerdings: Wenn ich auswähle, was ich spielen möchte, dann geht es um die Frage, was ich mir von dem Spiel verspreche. Welchen Reiz es ausüben soll. Und wenn ich das auch nach mehreren Partien nicht so genau fassen kann, wähle ich das Spiel trotz Originalität eher nicht.


**** solide

FISCHEN von Friedemann Friese für drei bis fünf Spieler:innen, 2F.

Freitag, 21. März 2025

Dorfromantik Sakura

Dorfromantik Sakura: Cover

Das sicherste Mittel gegen Spoiler in der Einleitung ist: gar keine Einleitung. Für meine Leser:innen tue ich alles. Sogar nichts.

Wie geht DORFROMANTIK SAKURA? Wie DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL. Und wie geht DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL? So!
Na gut, gewisse Unterschiede gibt es schon. Nicht in den Grundregeln und nicht im generellen Ablauf, aber in Details: Bei DORFROMANTIK SAKURA sind auch die aus DORFROMANTIK – DAS DUELL bekannten Rundum-Aufträge mit von der Partie. Es gibt, wie sich auf dem Kampagnenblock erkennen lässt, eine zusätzliche Kirschblüten-Währung, um Felder abzukreuzen. Und in den nun sechs Boxen mit freizuschaltendem Material stecken andere Plättchen, andere Bauaufgaben, andere Materialien als im Ursprungsspiel.


Dorfromantik Sakura: Spielsituation

Was passiert? Weil sich das Spiel nur in Details ändert, ändert sich auch am Spielgefühl fast nichts. Und das ist gut so, denn DORFROMANTIK ist belohnend und konstruktiv. Gewiss macht man ab und zu weniger Punkte als erhofft (Stichwort: Zeitungsjunge) und darf dann mit der eigenen Performance auch unzufrieden sein, aber verlieren im eigentlichen Sinne kann man nicht. Und wenn man zwei oder drei Partien länger braucht als andere, um alles freizuschalten, dann ist das vielleicht kein neuer Rekord, aber bedeutet auch: Man hat zwei oder drei Mal mehr beim Spielen eine gute Zeit verbracht.
DORFROMANTIK ist ein Spiel zum Wohlfühlen. Auch der Endlos-Charakter trägt zu diesem Gefühl bei. Unsere Welt wächst und wächst und wir sind deren Gestalter:innen. Es kommen immer neue Elemente ins Spiel. Was genau, erfahren wir erst, sobald wir die Sachen freischalten. Insofern sind wir auch ein wenig die Entdecker:innen unserer Welt, auch wenn eine übergeordnete Instanz festgelegt hat, was wir entdecken sollen.


Dorfromantik Sakura: Block

Was taugt es? Wer DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL noch nicht kennt, sollte damit auch einsteigen. SAKURA ist komplizierter und unübersichtlicher. Aber nicht nur. Für mein Empfinden werden kleinere Hakeligkeiten des Ursprungsspiels weggeschliffen. Auf der anderen Seite kommen auch neue kleine Hakeligkeiten dazu. An manchen Stellen waren wir unsicher, wie die Regeln auszulegen sind.
Auch beim ursprünglichen DORFROMANTIK hatten wir beim Spielen immer mal wieder Möglichkeiten übersehen und Elemente vergessen („Ach ja, wir haben ja noch Herzen, die wir legen können!“; „Oh Mist, das Plättchen vom Lagerhaus hätte viel besser gepasst!“ usw.), in SAKURA ist uns dies noch häufiger passiert. SAKURA enthält mehr Regeln und mehr Dinge, die man parallel beachten muss.
Dadurch ist SAKURA aber nicht das schlechtere Spiel. Sondern es ist die gelungene Fortsetzung eines gelungenen Spiels, die dieselben Qualitäten besitzt wie der Vorgänger. Die Entscheidung, das Spiel etwas umfangreicher und etwas komplexer zu machen, finde ich richtig. Es ist der logische nächste Schritt. Wer hätte denn weniger oder dasselbe noch mal haben wollen? Ich nicht.


***** reizvoll

DORFROMANTIK SAKURA von Lukas Zach und Michael Palm für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Mittwoch, 19. März 2025

Neuland

Neuland: Cover

Kein Neuland an dieser Stelle.

Wie geht NEULAND? Wir wollen unsere Insel-Tableaus so mit Sechseck-Plättchen vollpuzzeln, dass es viele Punkte zählt. Schon zu Beginn habe ich drei Aufträge (ebenfalls in Form von Sechseck-Plättchen), in jeder Partie sind es andere: Etwa soll ich rund um mein Tempel-Sechseck je ein Plättchen Holz, Gold, Haus und Wachturm legen, dann zählt der Tempel sieben Punkte.
Zusätzliche Aufträge darf ich während der Partie wählen, in jedem Zug einen. Auch diese Aufträge erfordern, dass ich bestimmte andere Plättchen ringsum platziere. Aber sie zählen keinen festen Punktwert, sondern werten eine meiner Plättchensorten auf: Jedes Holz zählt dann bei Spielende nicht mehr nur einen Punkt oder jeder Turm nicht mehr nur zwei, sondern mehr. Aufträge, die ich genommen, aber nicht erfüllt habe, zählen Minuspunkte.
Ungewöhnlich ist, wie wir an die erforderlichen Ressourcen- und Gebäudeplättchen herankommen. Dafür gibt es einen gemeinsamen Spielplan, der eine Landfläche zeigt: das Neuland sozusagen, das wir als Wikinger:innen besetzen. Bin ich am Zug, platziere ich eine meiner Figuren auf einem freien Feld, das an ein bereits besetztes Feld angrenzen muss. Ich kassiere die auf dem Feld abgebildete Ressource: Holz, Schaf, Gold oder Axt. Zusätzlich kann ich Gebäudeplättchen erhalten: ein Haus, sofern auf dem Nachbarfeld eins liegt; eine Burg, sofern eine zusammenhängende Gruppe von vier meiner Figuren mit mindestens einer Figur an das Burgplättchen angrenzt; Wachtürme, sofern ich zwei oder mehr Wachtürme mit meinen Figuren verbinde.


Neuland: Spielplan

Was passiert? Das Plättchen-Puzzeln auf dem eigenen Tableau ist ein typischer Mehrpersonen-Solitär-Mechanismus. Der gemeinsame Spielplan aber lässt NEULAND interaktiv und konfrontativ werden. Wo ich meine Figur platziere, wäge ich ab: Was bekomme ich dadurch sofort? Hilft die Figur, Gruppen an Burgen zu bilden oder Türme zu verbinden? Und was ermöglicht sie meinen Mitspieler:innen? Meistens möchte ich vermeiden, dass andere sich sofort neben mich stellen und so meine Gruppenbildungen und Verbindungen behindern.
Generell will ich natürlich viel Beute raffen. Andererseits muss es auch ein bisschen gezielt sein und zur Erledigung meiner Aufträge beitragen. Ähnliches gilt für die Wahl weiterer Auftragsplättchen: Jedes, das ich erledige, bringt einen Gewinn. Aber weil ich auf meiner Insel nicht unendlich viele Plättchen unterbringen kann, wäre es besser, sich auf bestimmte Sammelgebiete zu fokussieren. Etwa indem ich mir viele Schafe hole und gleichzeitig viele Plättchen, die Schafe aufwerten.
NEULAND verlangt effektives Puzzeln. Im Bestfall kann ich mehrere Auftragsplättchen, die allesamt Gold erfordern, um ein zentrales Feld herum anordnen, sodass mir an dieser Stelle ein Gold für all diese Aufträge genügt. Deshalb plane ich viele Züge im Voraus und bin sehr vertieft und konzentriert, damit ich ein Feld, auf dem später zwingend ein Holz liegen muss, tunlichst nicht anderweitig bedecke.
Weil auch die anderen Spieler:innen vertieft und konzentriert sind, können ziemliche Denkzeiten entstehen. Solange sich die Person vor mir nicht entschieden hat, ob sie nach der Beute-Puzzelei ein Auftragsplättchen nehmen und dann vielleicht sogar noch einen Doppelzug machen möchte (was einmal pro Partie möglich ist), muss ich warten.


Neuland: Puzzle

Was taugt es? NEULAND gehört klar zu den empfehlenswerten Spielen des Jahrgangs. In meinen Spielerunden kommt es überdurchschnittlich gut an.
Das Puzzle auf meinem Tableau kann ich gedanklich noch so toll optimieren: Ich muss die benötigten Teile auch bekommen. Was das angeht, ist die Planungssicherheit deutlich geringer. Mitspieler:innen besetzen die angepeilten Ressourcenfelder, unterbrechen meine Verbindungen, kommen mir bei Gebäudeplättchen zuvor oder nehmen Aufträge, die ich haben wollte. Oder … sie tun nichts von alledem. Wer hinter einer unaufmerksamen oder konfliktscheuen Person sitzt, hat Vorteile.
Die Ungewissheit, welche Möglichkeiten sich mir eröffnen und was ich bekomme, machen NEULAND spannend. Das Spielkonzept mit den zwei Schauplätzen finde ich reizvoll. Es fordert mich heraus, ich spiele gerne mit.
Aber bin ich richtig gespannt auf immer weitere Partien? Eher nicht. Eine Partie NEULAND empfinde ich zu wenig als Neuland. Klar, der zentrale Spielplan ist modular und somit jedes Mal anders. Und, ja, meine Anfangsaufträge wechseln auch. Manchmal benötige ich mehr Holz, manchmal mehr Wachtürme. Aber das sind Details, die nichts an meiner generellen Vorgehensweise auf dem Gemeinschaftsspielplan und am Optimieren auf meiner Insel ändern. Alles ist sehr erwartbar und wiederholt sich. Sowohl während einer Partie, als auch partieübergreifend.


**** solide

NEULAND von Charles Chevallier und Laurent Escoffier für zwei bis vier Spieler:innen, Game Factory.

Donnerstag, 13. März 2025

Vor 20 Jahren (147): Zug um Zug Europa

Zug um Zug Europa: Cover

Unter Marketinggesichtspunkten hatte das Spiel des Jahres 2004 ZUG UM ZUG von Alan Moon einen Nachteil: Es ließ sich schlecht erweitern. Gleichzeitig hatte ZUG UM ZUG einen großen Vorteil: Es ließ sich schlecht erweitern. Um auch mal auf anderen Spielplänen statt immer nur Nordamerika spielen zu können, mussten die Fans ganz neue Ausgaben mit ganz neuem Material kaufen.

Und es funktionierte.

Blendend.

Zumal ZUG UM ZUG vergleichsweise einfach gehalten ist, während die späteren Versionen oft ein paar Regeln draufsatteln und dadurch für Menschen, die das Spielprinzip schon kennen, neue Reize bieten. Bei mir und im Falle von ZUG UM ZUG EUROPA war es jedenfalls so. Nachdem es ZUG UM ZUG EUROPA gab, spielte ich fast nur noch dieses und fast überhaupt nicht mehr ZUG UM ZUG.

An ZUG UM ZUG EUROPA gefällt mir vor allem besser, dass es nicht so sehr auf das Bauen langer Strecken ankommt. Genau genommen gibt es kaum lange Strecken, die jemand bauen könnte. Auch besser: Bis auf den Startauftrag klaffen die Punktwerte der Aufträge nicht mehr so arg auseinander. Und: die Bahnhöfe als Notfallplan, um Strecken zu überbrücken, die man nicht selbst bebaut hat.

Die anderen Änderungen (dass manche Streckenabschnitte Joker kosten und dass jeder Tunnelbau ein Zockerspiel im Spiel initiiert) finde ich zumindest nicht negativ. Vielleicht sollen sie Anreize setzen, um nicht dauernd vom Stapel zu ziehen, sondern häufiger gezielt Karten aus der Auslage zu wählen, gegebenenfalls auch mal einen Joker. Falls das stimmt, prallte das an meiner Runde, mit der ich damals ZUG UM ZUG EUROPA hauptsächlich und auch wirklich sehr häufig spielte, ab: Wir haben trotzdem bevorzugt vom Stapel gezogen. Könnte ja sein, dass man mit Glück einen Joker ergattert. Es zeigte sich auch immer wieder: Kaum nahm man mal aus der Auslage, war man prompt der Depp. Weil dann nämlich der Joker aufgedeckt wurde, den man gezogen hätte ... hätte man gezogen.

Der Reiz von ZUG UM ZUG und auch ZUG UM ZUG EUROPA beruht auf der Komposition sehr klarer Mechanismen. Ich sammle Farbkarten. Aber nicht aus Selbstzweck oder für Mehrheiten. Sondern mit den Karten errichte ich Zuglinien auf einem Spielbrett. Und wozu braucht man Eisenbahnen? Um Städte zu verbinden. Dass lange Strecken belohnt werden und dass ich Aufträge erfüllen soll, ergibt sich folgerichtig.

Die Reduktion ist der große Trumpf des Spiels: Es kostet nicht noch zusätzlich Geld, die Linien zu bauen. Ich benötige keine Baurechte. Ich muss nicht kompliziert irgendwas reservieren. Und ich muss eine Linie auch nicht immer weiter fortsetzen. Ich lege Farbkarten und bebaue entsprechend viele gleichfarbige Felder. Fertig.

Das Kartennehmen ist genauso einfach. Ich nehme sie einfach. Aus der Auslage oder vom Stapel. Sie werden nicht versteigert, ich muss nicht dafür bezahlen, es kostet einfach nur meinen Zug. Die Karten selbst kommen ohne jeden Schnickschnack aus: Es gibt unterschiedliche Farben, es gibt Joker. Mehr nicht. Und für jede Farbe gibt es auf dem Spielplan unterschiedliche Stellen, um sie einzusetzen. Welche Karte welche Möglichkeiten bietet, ist glasklar.

Kaum jemand kämpft bei ZUG UM ZUG mit den Regeln. Die Unkompliziertheit bewirkt, dass der Fokus der Spieler:innen statt auf den Mechanismen auf dem Spielgeschehen liegt: Bekomme ich die erhoffte Karte? Kann ich meine Serie rechtzeitig ausspielen? Schaffe ich alle Aufträge? Wäre es verwegen, noch neue zu ziehen? Die Spannung ist deshalb so groß, weil nichts Unnötiges davon ablenkt.


Sonntag, 9. März 2025

Tauschrausch

Tauschrausch: Cover

Ich weiß nicht, ob heute noch jemand Briefmarken sammelt. Aber Einleitungen schreibt sicher niemand mehr.

Wie geht TAUSCHRAUSCH? Wir sammeln unterschiedlich große Legeplättchen (die Briefmarken). Die Plättchen puzzeln wir nach bestimmten Kriterien auf unser Tableau (das Album).
Zu Beginn jeder Runde werden sehr viele Plättchen (teils verdeckt, teils offen) sowie auch Karten aufgedeckt und in den Markt gelegt. Die genaue Zahl wechselt, zu viert sind es etwa 25. Reihum wählen wir nun Karte oder Plättchen, bis jede:r sechs hat. Von diesen sechs darf ich ein Teil bunkern, die anderen muss ich in zwei Hälften aufteilen und beide Portionen zum Tausch anbieten.
Die Startperson wählt zuerst ein Angebot. Wird eine meiner beiden Hälften gewählt, bedeutet dies: 1. Die andere Hälfte gehört jetzt definitiv mir. 2. Nun bin ich dran, ein Angebot auszuwählen. Nach Abschluss des Tauschreigens platzieren wir alle gewonnenen Briefmarken im Album.

Tauschrausch: Marken

Ich möchte generell Marken mit hohen Punktwerten und Motive meines Sammelgebiets (beispielsweise Tiermotive) ergattern. Zusätzlich gilt in jeder Partie eine andere Schlusswertung (zum Beispiel soll ich viele Marken meines Albums vollständig umbaut haben). Und es gibt vier mögliche Zwischenwertungen (zum Beispiel zählen da Farbsets aller fünf Farben oder es zählen Marken ohne Punktwert, die am Rand liegen). Nach jeder der drei Spielrunden entscheide ich mich für eine andere dieser Wertungen, die vierte lasse ich aus.
Meine gewonnenen Karten können zusätzliche Wertungen definieren (ich punkte nun auch für gelbe Marken) oder sie verleihen mir Extraaktionen, die teilweise sehr mächtig sind. Allerdings – wenn ich die Karte nicht gerade bunkere – kann es natürlich sein, dass sie mir beim Tauschrausch wieder weggenommen wird.


Tauschrausch: Album

Was passiert? Diese Ungewissheit ist das wesentliche Charakteristikum des Spiels. Ich sammle etwas, aber ob ich es behalten darf, erfahre ich erst später. Da ich auch nicht weiß, wer beim Tauschrausch mein Angebot wählt, kann ich kaum zielgerichtet teilen. Allenfalls kann ich mit den verdeckten Plättchen bluffen und es so aussehen lassen, als sei die eigentlich schlechtere Hälfte die bessere. Muss aber nicht klappen.
Mit Spielerfahrung weiß man den Wert der Karten und das Punktepotenzial der Ziele besser einzuschätzen. Deshalb schneiden erfahrene Tauschrauscher:innen üblicherweise besser ab als Novizen, die meiner Erfahrung nach davor zurückschrecken, Karten mit derart viel Text in ihre Überlegungen einzubeziehen, und sich deshalb mehr an den Marken orientieren.
Was übrigens nicht so leicht ist, denn es gibt immer wieder Zweifelsfälle, ob eine Marke zu den Monumenten oder zum Weltraum zu zählen ist. Irgendwann entdeckt man vielleicht, dass auf den Monumenten immer noch ein winziger Text steht, beim Weltraum nicht. Aber auch das ändert nichts daran, dass die Marken zwar sehr schön aussehen, die Spielbarkeit aber nicht gut unterstützen.
Ohnehin ist TAUSCHRAUSCH ein unübersichtliches Spiel. Vermutlich auch teilweise gewollt. TAUSCHRAUSCH ist ein Spiel mit Überinformation, man muss filtern.


Tauschrausch: Spielplan

Was taugt es? Dass man mit vielen Marken hantiert, nicht nur mit fünf oder sieben, passt zum Thema. Wer Briefmarken sammelt, hat üblicherweise viele davon. Mit diesen Marken zu spielen, sie mit Blick auf die Wertungen zielgerichtet zu sammeln und zu puzzeln, ist das, was in TAUSCHRAUSCH Spaß macht.
Auch das unübersichtliche und etwas chaotische Zwangstauschen ist ein Element, mit dem ich mich arrangieren kann, zumal es TAUSCHRAUSCH von anderen Legespielen abhebt. Unnötig diffus wird TAUSCHRAUSCH aber durch all das, was noch im Spiel enthalten ist und auf mich so wirkt, als sei man während der Entwicklung der hoffnungsvollen Maxime gefolgt: Je mehr wir reintun, desto reizvoller wird’s.

Tauschrausch: Karten

Stimmt aber nicht. Je mehr man reintut, desto komplizierter wird’s. Die vielen Karten mit den langen Texten müssen von allen gelesen und verstanden werden. Da sie in der Anleitung nicht vollständig erklärt sind, muss man sich teilweise über die Auslegung einigen. Aktionskarten bringen für einige Personen noch mehr Regeln ins Spiel. In jeder Runde gilt zusätzlich ein Ereignis. Und besondere Marken wie „Raritäten“ und „Dauermarken“ funktionieren auch noch mal anders als die normalen Marken. Vom Kern des Spiels führt das immer weiter weg.
So ist das in Summe zwar unterhaltsam, aber auch diffus und konturlos. Der Aufwand, TAUSCHRAUSCH zu spielen, ist hoch. Man macht viel, doch es entsteht wenig Flow. Vom Grundansatz her hätte TAUSCHRAUSCH ein Spiel für alle werden können. Detailreichtum und Regelmenge machen es aber zu einem Spiel nur für erfahrene Spieler:innen.


*** mäßig

TAUSCHRAUSCH von Paul Salomon für eine:n bis fünf Spieler:innen, Feuerland / Stonemaier Games.

Sonntag, 2. März 2025

Australis

Australis: Cover

In die Weltmeere wird schon so viel eingeleitet, da will ich mich nicht auch noch beteiligen.

Wie geht AUSTRALIS? Irgendwas mit Ökosystem: Wir siedeln Korallen an, wir sammeln Fische, unsere Schildkröten liefern sich ein Wettrennen. Typisch der Ostaustralstrom eben, wie wir ihn kennen.
Im Detail: Reihum bedienen wir uns in einem Würfelpool. Blaue Würfel bringen meine Schildkröte voran, mit violetten Würfeln setze ich Korallen ein, gelbe Würfel geben mir Fische und weiße verschaffen mir Karten, die fortan eine bestimmte Würfelfarbe für mich aufwerten. Beispielsweise macht bei jedem von mir gewählten gelben Würfel nun auch meine Schildkröte einen Schritt nach vorn.
Höhere Augenzahlen sind grundsätzlich besser: mehr Schritte für die Schildkröte, mehr Fische und so weiter. Und weil die höheren Augenzahlen natürlich früher genommen werden, lohnt es sich, auch mal den roten Würfel zu nehmen, der mich zum Startspieler der kommenden Runde macht.
Der rote Würfel bringt ansonsten keinen sofortigen Effekt. Aber blaue, violette und eben der rote Würfel haben noch einen Zusatznutzen: Sie lassen mich am Ende der Runde beim Würfelduell mitmachen. Hier würfeln wir über mehrere Durchgänge eine große und eine kleine Belohnung aus. Je mehr Würfel ich in das Duell einbringe, desto besser sind meine Chancen.


Australis: Spielplan

Was passiert? Für all das gibt es am Ende jeder der fünf Runden Punkte. Die Schildkröte punktet für ihre zurückgelegte Wegstrecke. Damit die Fische punkten, benötige ich Futtersteine. Je mehr Fische, desto mehr erforderliche Steine, aber auch umso mehr Punkte. (Futter kann ich übrigens mit der Schildkröte sammeln oder bei Würfelduellen gewinnen. Die Fischwertung ist nicht sehr eingängig und muss von mir während einer Partie üblicherweise mehrfach erklärt werden. Unter anderen verwirrt, dass man weder Futter noch verhungerte Fische jemals abgeben muss.)
Punkte zählen auch die Korallen. An jedem der sechs Korallenriffe gibt es eine Mehrheitswertung. Merkwürdigerweise ist die höchste Wertung (die beim Achter-Riff) am wenigsten umkämpft. Denn zum Achter-Riff komme ich zunächst nur mit einer violetten Acht. Kann ich glücklich eine solche Acht schon in der ersten Runde ergattern, und kommt dann eine Weile lang keine weitere Acht mehr, kassiere ich mehrere Runden lang kampflos die Mehrheitsbelohnung.
AUSTRALIS ist eben ein Würfelspiel und hat demzufolge mit Glück zu tun. Das ist auch bei den Würfelduellen unübersehbar. Ich kann versuchen, mit möglichst vielen Würfeln ins Duell zu gehen, und ich kann meine Duellwürfel mit Karten sogar noch aufwerten – und gegen alle Erwartung kann ich trotzdem als Erster ausscheiden und nichts bekommen. Auch mehrfach in Folge.

Was taugt es? AUSTRALIS sieht hübsch aus, ist aber definitiv kein thematisches Spiel, sondern eine reine Konstruktion. Die Mechanismen sind interessant kombiniert. Die Würfelauswahl ist spannend und erfordert Abwägungen. Mit den Kartenverstärkungen bekomme ich immer mehr kleine Zusatzbelohnungen, verschaffe mir also Kettenzüge. Grundsätzlich kann ich versuchen, mir eine Art Engine aufzubauen – oder mit rein kurzzeitigen Effekten die Punkteflucht nach vorn anzutreten. Ich kann mich mal mehr auf die Fische fokussieren, mal mehr auf die Korallen, sammle also nicht immer dasselbe.

Australis: Tableau

In meinen Spielegruppen kommt AUSTRALIS überdurchschnittlich gut an. Allerdings wird es da von den meisten Personen auch nur ein oder zwei Mal gespielt. Ob es nach weiteren Partien immer noch so beliebt wäre, weiß ich deshalb nicht. Ich habe mehr Partien gespielt – und für mein Empfinden hat der Reiz von AUSTRALIS nachgelassen. Solange bei der Würfelauswahl nicht zu gründlich gegrübelt wird, trägt zwar der Spannungsbogen. Doch Charakter hat das Spiel nicht. Man darf sich schon fragen, was man da inhaltlich eigentlich spielt. Und wird sich schwertun, eine Antwort zu finden.
Auch mechanisch baut AUSTRALIS wenig Langzeitreiz auf. Bei zu vielen Partien bleibt hinterher das Gefühl, das letzte Würfelduell oder die Duelle insgesamt hätten über die Platzierungen entschieden. Ich finde es nicht grundsätzlich schlecht, wenn Würfelduelle Spiele entscheiden. Doch wenn diesem Entscheid sehr viele andere Elemente mit sehr viel Regelwerk vorweggehen, trägt das auf Dauer nicht dazu bei, diese anderen Elemente vertiefter erforschen zu wollen.


*** mäßig

AUSTRALIS von Alessandro Zucchini und Leo Colovini für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Freitag, 28. Februar 2025

Gern gespielt im Februar 2025

DER HERR DER RINGE – DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL: Aber Stich kam bislang noch nicht vor.

BRILLIANT: Das Brillanteste: Ohne Nachbarn geht es nicht!

RIVAL CITIES: Linden gegen Hannover, nur auf Hamburg gemünzt.

7 EMPIRES: Empires zählen mehr als Empirie. Zu allen Zeiten.

DORFROMANTIK SAKURA: Die Kirsche im Dorf lassen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

BOMB BUSTERS: Kabelage und Liebe.