Ein Lieblingsvorwurf meiner Spielerunden lautet: Ich erkläre die Spiele immer technisch, nicht thematisch. Bei thematischer Erklärung würde man das alles viel besser verstehen.
Zur Hälfte mag das stimmen. Nämlich: Ja, ich bevorzuge tatsächlich die technische Erklärung. Aber: Nein, eine thematische Erklärung führt meiner Erfahrung nach nicht zu einem besseren Verständnis.
Warum mir das ausgerechnet bei CHAKRA einfällt? Ähm, ich sage nur: Chakren ausrichten, Bhagya-Blase, gelinderte Energie, Inspirationsstelle, Beutel des Universums.
Wie geht CHAKRA? Auf unseren Tableaus veranstalten wir ein Wettrennen mit Kristallen. Grüne Kristalle sollen zum grünen Sammelpunkt, gelbe zum gelben und so weiter. Sind drei passende Kristalle auf ihrem Zielfeld beisammen, zählt das Punkte, und das Feld wird fortan von anderen Kristallen übersprungen, was Bewegungsschritte einspart.
Blöde schwarze Kristalle stören dabei. Erst wenn sie die gesamte Laufstrecke absolviert haben, bin ich sie los, und sie zählen einen Punkt. Leider kriege ich immer wieder schwarze. Nämlich beim Nehmen neuer Kristalle, was einer der möglichen Spielzüge ist. Ich darf aus drei Portionen in der allgemeinen Auslage wählen, auch Teilmengen. Aber: Ich darf nur verschiedenfarbige Steine nehmen. Und: Einen schwarzen darf ich nie weglassen.
Neue Kristalle setze ich üblicherweise am Startpunkt meiner Laufstrecke ein. Ich darf auch abkürzen und die Steine mittendrin beginnen lassen, zum Beispiel auf dem Zielfeld von Grün. Das kostet einen meiner fünf Aktions-Chips, den ich hier als Pfand hinterlegen muss und erst zurückerhalte, wenn alle grünen Kristalle im Ziel sind.
Ansonsten benötige ich meine Chips für den am häufigsten gewählten Zug: das Kristallhopsen. Dafür belege ich ein Aktionsfeld und führe die dort abgebildeten Bewegungsanweisungen aus, zum Beispiel: „ein Stein zwei Felder vorwärts, ein anderer ein Feld vorwärts“. Meine Möglichkeiten schränken sich fortwährend ein. Besetzte Aktionsfelder kann ich nicht mehr nutzen, und irgendwann habe ich keine Chips mehr. Dann muss ich einmal aussetzen, um die Chips von den Aktionsfeldern zurückzunehmen.
Was passiert? Die liebliche Anmutung von CHAKRA führt auf die falsche Fährte: CHAKRA ist ein Taktikspiel, es geht um Effektivität. Ich will die Kristalle schnell zu ihren Zielorten bugsieren, ich will möglichst wenige Züge mit Aussetzen vergeuden, und dazu wiederum will ich Chips, die ich als Pfand hinterlegt habe, möglichst schnell zurückholen.
Dabei gibt es einiges zu optimieren. Beispielsweise sind die Aktionsfelder nicht allesamt gleichstark. Im besten Fall erhalte ich drei Kristallschritte, im schlechtesten Fall nur einen. Den Bestfall darf ich aber nur wählen, wenn er auch ausführbar ist. Das ist er manchmal nicht, weil ich ungenügend vorausgeplant und die Kristalle so ungünstig platziert habe, dass sie sich gegenseitig blockieren.
Einiges ist auch schlichtweg Glück: Das Kristallangebot passt mal besser, mal schlechter. Manchmal dauert es ewig, bis ich endlich den ersehnten dritten einer Farbe bekomme. Womit er zwar noch immer nicht am Ziel ist, aber wenigstens besteht nun die Chance. Nichts ist ärgerlicher als eine am Ende nur fast fertige Sammlung: Alle Züge für ihren Aufbau waren dann für die Katz.
Manchmal ist das auch gar kein Pech. Oder höchstens Pech mit den Mitspieler:innen: Irgendeine gehässige Bhagya-Blase fand, ich solle den dritten gleichfarbigen nicht haben und hat ihn lieber selber genommen.
Was taugt es? CHAKRA ist ein ordentliches Spiel. Es ist nicht der x-te Abklatsch von irgendwas, es ist spannend, unsere Entscheidungen sind relevant, vor allem das Chip-Management reizt. Ich würde CHAKRA jederzeit mitspielen, aber die Kernidee ist nun auch nicht so unwiderstehlich, um das Spiel selber vorzuschlagen. Zumal es gar nicht so leicht ist, das passende Zielpublikum zu finden. Als mittelschweres Taktikspiel ist es vielen Normalos nicht spaßig, vielen Freaks jedoch nicht fordernd genug.
Zwei Dinge gefallen mir nicht so: 1. die Haptik. Die kleinen Edelsteine sind als Setzsteine recht ungeeignet. 2. die Wertung. Komplettierte Farben zählen am Schluss zwischen einem und vier Punkten. Wie viel genau, ist völliger Zufall. Den Wert einer der sieben Farben kenne ich von Beginn an, bei jedem Aussetzen darf ich mir den Wert einer weiteren Farbe geheim ansehen.
Meine Hoffnung, dieses Wissen taktisch nutzen zu können, hat sich selten erfüllt. Es ist uneffektiv, eine begonnene Sammlung abzubrechen und nutzlos im Weg herumliegen zu lassen, nur weil sich herausgestellt hat, dass eine andere Farbe mehr Punkte zählt. Mir bleibt während einer Partie gar nicht die Zeit, um groß umzuschwenken. Und wenn ich merke, dass andere, die den Wert von Dunkelblau kennen, wie besessen Dunkelblau sammeln, wird es mir auch nicht mehr so leicht gelingen, jetzt noch drei dunkelblaue Kiesel abzubekommen.
**** solide
CHAKRA von Luka Krleža für eine:n bis vier Spieler:innen, Game Factory.