Dienstag, 31. Oktober 2023

Gern gespielt im Oktober 2023

E-MISSION: Dieses Spiel verhindert, wenn gewonnen, zig andere, die in einer apokalyptischen Welt nach dem Untergang der Menschheit spielen. Danke allein schon dafür!

PASST NICHT: MAU-MAU in schlau.

KARVI: Seefahrt als Brotberuf.

MY ISLAND: Weil Inselwissen bekanntermaßen gefährlich ist, wird hier nichts verraten.

GET IT: Bitte lächeln!







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM OKTOBER:

THE SAME GAME: Den hitzigen Diskussionen entnehme ich, wie überfällig die Klärung der Frage war, ob es weltweit mehr Kletterseile gibt oder Zahnimplantate.





Montag, 30. Oktober 2023

My Island

Wenn ich als Rezensent eines Tages etwas erfahrener bin, unterläuft mir bestimmt nicht mehr der doofe Fehler, ein Legacy-Spiel erst dann zu fotografieren, wenn das meiste Material bereits beschrieben oder mit Aufklebern versehen ist. Versprochen!

Wie geht MY ISLAND? So ähnlich wie MY CITY, das schon so ähnlich wie FITS ging: Eine Karte vom Stapel bestimmt, welches Legeteil wir alle in unser Raster einbauen müssen. Auf Kosten eines Minuspunkts können wir das Einbauen auch verweigern. Das sollte man aber nicht zu häufig tun, weil sonst leere Felder bleiben, die negativ zählen.

Die Teile bestehen in MY ISLAND aus zwei bis vier Sechseckfeldern statt zuvor Viereckfeldern. Und sie sind nicht mehr einfarbig, sondern zwei-, drei- oder vierfarbig. Die Bauregeln sind in der Praxis verflixter, als sie sich beim Regelstudium anhören: Man muss immer benachbart legen zu dem, was man schon hat. Und mindestens eine Farbe des neuen Teils muss an dieselbe Farbe eines schon vorhandenen Teils angrenzen. (Außer natürlich beim allerersten Teil). Das schafft mitunter gemeine Zwänge. Am Anfang der Partie muss man mit der Leere des Spielplans klarkommen. Man ist in seiner Startecke gefangen und möchte sich schnell ausbreiten, um mehr Anlegemöglichkeiten zu schaffen. Gegen Ende muss man immer mehr mit der Enge klarkommen.
Wie MY CITY ist auch MY ISLAND ein Legacy-Spiel, was bedeutet, dass sich durch den Ausgang einer Partie die Voraussetzungen für die nächste ändern. Wer gewinnt, erhält Punkte für die Schlusswertung. Wer nicht gewinnt, bekommt meist irgendeinen Ausgleich, beispielsweise in Form eines hilfreichen Aufklebers auf dem Tableau oder auf einem der Legeteile. Oder wer gewinnt, kriegt nebst Punkten auch irgendein Hindernis für die Zukunft.
Gespielt werden 24 Partien. Regeln und Materialien für jeweils drei Partien befinden sich in einem von acht Umschlägen. Jeder Umschlag stellt ein Kapitel dar, in dem alle drei Partien demselben mechanischen Leitgedanken folgen.


Was passiert? MY ISLAND ähnelt MY CITY. Das Spielgefühl ist dasselbe. Von Umschlag zu Umschlag steigert sich der Schwierigkeitsgrad. Es geht nicht immer nur darum, lückenlos die Fläche vollzupuzzeln und bestimmte Muster zu legen. Nebenbei gibt es Wettrennen, Zwischenziele und übergeordnete Aufgaben, die sich über mehrere Partien ziehen. Dieser Aspekt ist sogar noch ausgeprägter als in MY CITY, und ich finde das sehr gut gemacht. So sind es nicht einfach beliebig aneinandergereihte 24 Partien, die in Summe eine Siegpunktzahl ergeben. Die längeren Spannungsbögen verknüpfen mehrere Partien zu einer Komposition.
Trotz Ähnlichkeit zu MY CITY wiederholt MY ISLAND aber nicht einfach dieselben Bauaufgaben, jetzt eben nur mit Sechseckplättchen. Im Detail ist alles neu. Und: Es ist komplexer. Allein schon das Material ist komplexer. In vielen Partien, vor allem in den ersten Kapiteln, als man sich der Gefahr noch nicht so bewusst war, passierte es, dass jemand ein falsches Teil eingebaut hatte, was erst später bemerkt wurde und schwer rückgängig zu machen war.
Auch die Aufgaben sind komplexer. Teilweise muss man sehr viele Ziele gleichzeitig im Blick haben, mehr als man erreichen kann. Eine wesentliche Herausforderung besteht deshalb darin, zu filtern und sich auf das Machbarste und Wichtigste zu fokussieren. Benötigt man anfangs für eine Partie noch nicht die angegebenen 30 Minuten, geht es später durchaus in Richtung 60 Minuten. Weil man wirklich nachdenken und knobeln muss. Selbst erfahrene Spieler:innen.


Was taugt es? Dass Zurückliegende einen Ausgleich bekommen, führt nicht zu Beliebigkeit. Und auch wenn das Finale den Spielstand noch gehörig durcheinanderwirbeln könnte, zeichnet sich in ungleich spielstarken Gruppen recht bald ab, wer gewinnen wird und wer nicht. Aber das System gewährleistet immerhin, dass auch Zurückliegende Punkte machen werden und einzelne Partien gewinnen oder Platz zwei erreichen.
Im Vergleich zu MY CITY finde ich die Aufgabenstellung in MY ISLAND noch etwas raffinierter und herausfordernder. Andererseits finde ich die Thematik in MY CITY schlüssiger. In ganz groben Zügen erzählt das Spiel reale Stadtbaugeschichte, MY ISLAND bietet dagegen nur eine austauschbare Mystery-Story.
Alles in allem nehmen sich beide Spiele nicht viel. Wer MY CITY mochte, wird voraussichtlich auch MY ISLAND mögen. Und wer nicht, der nicht.
Wer nur zu zweit ist, kann die Kampagne mit einem Exemplar von MY ISLAND gleich doppelt durchspielen. Der Verlag hat extra Aufkleber beigelegt, um bestimmte Komponenten in ihren Ursprungszustand zurücksetzen zu können.


***** reizvoll

MY ISLAND von Reiner Knizia für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Tiwanaku

Wer schreibt, TIWANAKU basiere auf einem abstrakten Logikrätsel, hat es offenbar nicht kapiert. In Wahrheit geht es bei TIWANAKU um eine Andengöttin, die das Volk auf der Suche nach fruchtbarem Land in unbekanntes Gebiet leitet. Damit erklärt sich übrigens auch das Vorhandensein eines goldenen verzierten Drehrades: Göttinnen haben goldene verzierte Drehräder.

Wie geht TIWANAKU? Das Spiel basiert auf einem abstrakten Logikrätsel. Bei Spielbeginn ist uns der Spielplan weitgehend unbekannt. Wir versuchen kompetitiv (in einer Variante auch kooperativ) herauszufinden, wie er aufgeteilt ist.
Erstens gibt es auf dem Spielplan farbige Gebiete der Größe eins bis fünf. Wir wissen, dass sich gleichfarbige Gebiete nie berühren, auch über Eck nicht. Und weil zu Spielbeginn eine vom Szenario vorgegebene Menge Plättchen bereitgelegt wird, wissen wir auch, wie viele Felder welcher Farbe es insgesamt gibt.

Zweitens trägt jedes Feld jedes Gebietes eine Zahl. In Gebieten mit fünf Feldern gibt es alle Zahlen von eins bis fünf exakt einmal, in vierfeldrigen Gebieten gibt es alle Zahlen von eins bis vier. Und so weiter. Gleiche Zahlen verschiedener Gebiete liegen niemals nebeneinander, auch nicht diagonal.
Ein paar Felder samt Zahlen werden beim Spielaufbau schon platziert. Nun sind wir abwechselnd an der Reihe. Wer am Zug ist, bewegt eine eigene Figur. Man darf nicht über Felder ohne Plättchen hinwegziehen, aber dort stehenbleiben. Dann wird enthüllt, welche Farbe der Untergrund hier hat. Ich bekomme Punkte.
Alternativ darf ich auch versuchen, die Zahl eines Feldes zu nennen, auf dem eine meiner Figuren steht. Stimmt meine Vorhersage, gewinne ich Punkte und darf die Zahl eines weiteren Feldes nennen, auf dem ich stehe. Ansonsten Minuspunkte und Zug vorbei.


Was passiert? Zur Überprüfung nutzen wir sowohl bei den Untergrundfarben als auch bei den Zahlen ein Drehrad, in das wir bei Spielbeginn ungesehen die zum Szenario gehörende Pappscheibe eingebaut haben. Außer dass es Atmosphäre bringt, hat das Rad allerdings einige Nachteile: Der Ein- und Ausbau der Scheiben geht nicht gerade leicht von der Hand. Mein Rad hat schon ziemlich gelitten.
Ab und zu öffnet irgendwer versehentlich das falsche Sichtfenster oder vergisst, das Sichtfenster nach dem Zug wieder zu schließen. Vielleicht sieht man dann etwas, das man gar nicht sehen durfte. Aber nicht immer, denn: In den kleinen Sichtfensterchen ist die Information ohnehin schwer zu erkennen.
Auch die Mechanismen empfinde ich nicht als optimal. Figuren können sich gegenseitig blockieren. Das ist offenbar taktisch gemeint, hat sich in meinen Partien aber eher destruktiv ausgewirkt. Manchmal ist man gezwungen, eine Figur wieder aus dem Raster herauszuziehen, was einfach nur ein verlorener Zug ist. Und manchmal hätte man eine tolle Idee, wo man gerne hinziehen wollte, aber das Feld ist nur für andere Spieler:innen erreichbar. Aber nicht, weil sie das schlau vorhergesehen und geplant hätten. Sondern weil es sich so ergeben hat.

Und schließlich: die umständliche Wertung. Für Gebietsfarben punkte ich dann besonders stark, wenn ich Farben möglichst gleich häufig entdecke. Abgesehen davon, dass das oft auch einfach Glückssache ist, müssen für die Statistik, wer welche Farben bislang wie oft entdeckt hat, viele Marker in einer großen Tabelle verwaltet werden. Und das für ein paar Pünktchen, die oft keinen Ausschlag geben. Den größten Teil der Punkte bringen üblicherweise die Zahlen.
Und auch hier ist vieles Glückssache. Es kann sich herausstellen, dass ich auf einer Vier oder Fünf stehe, was ich beim Hinziehen noch überhaupt nicht ahnen konnte. Und eine Vier oder Fünf richtig zu benennen, bringt nun mal am meisten Punkte, nämlich vier bzw. fünf. Das Spiel versucht da einen Ausgleich herzustellen, indem man auch punktet, wenn man möglichst viele verschiedene Zahlen vorhersagt, doch in meinen Partien hat sich das nicht nennenswert ausgewirkt. Um viele verschiedene Zahlen vorhersagen zu können, brauche ich nun mal unweigerlich trotzdem die Vier und / oder Fünf.
Den Glücksfaktor an sich finde ich gar nicht schlimm, auch nicht, dass man manchmal schlicht zum Raten gezwungen ist oder den Mitspieler:innen Vorlagen gibt. Nur passt der Aufwand von TIWANAKU für mich nicht zur spielerischen Tiefe.

Was taugt es? Das SUDOKU-artige Rätsel an sich mag ich. Es macht mir Spaß, aus den offen liegenden Informationen kombiniert mit den Gesetzmäßigkeiten Schlussfolgerungen abzuleiten und dabei vielleicht ein Detail mitzubedenken, das die anderen noch übersehen.
Der Versuch, hieraus ein großes Brettspiel zu machen, scheint mir allerdings nicht ganz geglückt. Regel, Wertungen und Handling machen alles nur aufwendiger, aber nicht reizvoller. Dabei ist TIWANAKU als abstraktes Logikrätsel eigentlich elegant und klar.


*** mäßig

TIWANAKU von Olivier Grégoire für eine:n bis vier Spieler:innen, Sit Down!

Sonntag, 22. Oktober 2023

Arkeis

Ich erinnere mich, dass an den Seitenrändern der Schachtel von MEDINA (2001) der Hinweis zu sehen war: „Viel Holzmaterial!“ Und so ändern sich die Zeiten. Heute scheint bei Kickstarter-Kampagnen „Viel Plastikmaterial!“ deutlich mehr zu ziehen.

Wie geht ARKEIS? In Ägypten nehmen wir an einer Expedition teil, um bereits geplünderte archäologische Ausgrabungsstätten nochmals zu untersuchen. Wir steigen in Gebäude ein, begegnen Kontrahent:innen und Monstern, die wir bekämpfen. Wir erkunden Räume und finden hilfreiche Dinge.
ARKEIS ist ein storybasierter Dungeoncrawler, es ist zugleich ein Kampagnenspiel über sieben Episoden plus Prolog. Nicht zuletzt ist es ein Miniaturenspiel. Die Plastikfiguren nehmen die Hälfte der riesengroßen Schachtel ein.

Die Regeln sind mittelkomplex und werden durch ein Tutorial gut eingeführt. Wer am Zug ist, führt zwei Aktionen aus: bewegen, helfen, erkunden (wenn es was zum Erkunden gibt) oder kämpfen (wenn es jemanden zum Bekämpfen gibt). Gegenstände in meinem Besitz modifizieren die Aktionen. Jeder Charakter hat eine Spezialeigenschaft und kann noch weitere Fähigkeiten hinzugewinnen. Éléonore zum Beispiel kann von Beginn an besonders gut entdecken, Rhiat besitzt Heilkräfte. Kann man brauchen. Denn Kämpfe führen zu Verletzungen, und zu viele Verletzungen führen zu einem Trauma, das dauerhafte Nachteile einbringt.
Das Spielziel jeder einzelnen Episode muss innerhalb einer bestimmten Rundenzahl erreicht werden. Die verrinnende Zeit zählen wir mit Schicksalsmarken, von denen wir pro Runde eine abgeben. Mit wie vielen wir starten, hängt von der Mitspieler:innenzahl ab. Schicksalsmarken können auch außer der Reihe verloren gehen, teilweise unfreiwillig, teilweise durch unsere Entscheidung: Erziele ich das Würfelsymbol Pharao, darf ich den Würfel auf eine beliebige Seite drehen – wenn ich eine Marke in meinen Rucksack packe. Mit dieser Verzweiflungsaktion verkürze ich nicht nur die Spieldauer, sondern halse mir etwas auf, von dem ich nur ahnen kann, wie es sich auswirken wird. Ziemlich sicher negativ.


Was passiert? Ohne zu wissen, was uns erwartet und worauf das alles hinausläuft, tasten wir uns Raum für Raum und Episode für Episode vorwärts. Wir lesen viele Texte, und oft müssen wir würfeln. Beim Kämpfen und beim Entdecken. Die Kampfwürfel wirken sich unmittelbar aus, die Ergebnisse der Entdeckungswürfel erlauben uns, Felder in einem zur Episode gehörenden Raster abzukreuzen. Bestimmte Reihen und Spalten wollen wir komplett füllen, um Belohnungen zu erhalten und Strafen zu vermeiden. Teilweise haben wir die Wahl, ob wir bevorzugt auf Gegenstände, Geld oder positive Ereignisse abzielen.
Teilweise haben wir keine Wahl, weil die Würfel es schlichtweg nicht zulassen. Insgesamt bin ich überrascht, wie wenig Ausgleich das Spiel herstellt. Legacy-Spiele habe ich bislang so kennengelernt, dass weniger erfolgreiche Gruppen vom Spiel ein bisschen Hilfe bekommen. In ARKEIS bringt der negative Ausgang einer Episode eine Bestrafung, fehlende Kreuze im Raster bedeuten fehlende Ausrüstung, und wenn man kein Geld eingenommen hat, kann man sich keine Lagerverbesserungen kaufen, die der gesamten Gruppe helfen. Wer eine Episode erfolgreich abschließt, hat damit auch für kommende Episoden bessere Chancen. Und umgekehrt. Insgesamt ist ARKEIS allerdings eher leicht. Die Negativspirale, die sich vielleicht entwickeln könnte, habe ich nicht erlebt.

Die allermeisten Monster sind statisch. Sie warten, bis man zu ihnen hinzieht. Das mag unlogisch sein, hält das Regelwerk aber angenehm schlank. Sobald ich in einer Episode zum ersten Mal auf eine bestimmte Art von Gegner treffe, zum Beispiel auf einen Skorpion, ziehe ich eine Karte, die für den Rest der Episode definiert, wie die Skorpione gegen mich agieren. Da kann man natürlich Pech haben, eine schwierige Karte zu erwischen, die nun für lange Zeit an einem kleben bleibt. Trotzdem finde ich dies eine gute Lösung, um die Monster mit geringem Aufwand von Episode zu Episode und von Spieler:in zu Spieler:in abwechslungsreich zu halten. Und es eröffnet etwas Taktik. Denn natürlich können wir uns für den Rest des Kapitels auf die Eigenschaften der Monster einstellen. Insgesamt dominiert aber das Glück, nicht die Taktik. Die Kämpfe machen einen großen Teil des Spiels aus, und ich habe sie zunehmend als zäh und ermüdend empfunden.
Die Spielerzählung liefert keine brauchbaren Hinweise für unsere Entscheidungen. Die Handlung ist komplett vorgegeben, Freiheiten bieten sich uns kaum. Ich fand es weitgehend willkürlich, welchen der vielen in den Räumen verstreuten Marker man zuerst erkundet. Oft muss man für das Weiterkommen unweigerlich einen Schlüssel oder Ähnliches finden. Und weil Anhaltspunkte fehlen, wo der Schlüssel sein könnte, grast man eben einen Marker nach dem anderen ab.

Was taugt es? Spielerisch ist ARKEIS herkömmlich und frei von Überraschungen. Wir laufen rum, wir erkunden, wir kämpfen. Von Episode zu Episode werden wir stärker, aber unsere Gegner auch. Die atmosphärische Geschichte überrascht mit Steampunk-Elementen. Explizit reihen sich „Grabräuber“ auf der Gegenseite ein und gehören zu denen, die uns bekämpfen. Wir sind also die Guten, die keine Kulturschätze rauben. Gut so! Nichtsdestotrotz sacken aber auch wir alles ein, was wir finden. Es könnte sich ja noch als nützlich erweisen.
ARKEIS bietet einen schönen Spielkomfort. Alles, was wir für das nächste Kapitel benötigen, kommt in einer kleinen Box daher, die wir zu Beginn der Episode öffnen. Flache Schachteln, in die wir verschiedene Böden legen, lassen sich durch die Türen miteinander verklammern und bilden das variable Spielfeld. Alle Räume sind groß genug, dass auch wirklich alle Miniaturen Platz haben. Die Miniaturen sind hochwertig, nach meinem Empfinden sogar pompös. Ich bin kein Miniaturen-Fan und frage mich, ob man wirklich zehn Zentimeter große Plastikfiguren braucht, um sie im Spiel ein oder zwei Mal einzusetzen. Besonders lächerlich finde ich in dieser Hinsicht die Sphinx, die als Anzeiger benutzt wird, wo es in anderen Spielen ein kleiner Pappmarker getan hätte.


**** solide

ARKEIS von Antoine Bauza, Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc und Théo Rivière für eine:n bis fünf Spieler:innen, Board Game Box.

Mittwoch, 18. Oktober 2023

Vor 20 Jahren (130): Die Wilden Fußballkerle – Das Kartenspiel

Hier muss ich Abbitte leisten, diesem Fußball-Kartenspiel von Thorsten Löpmann und Andreas Wetter habe ich Unrecht getan. Denn ich hielt es seinerzeit für nur mittelmäßig. In den meisten Spielsituationen war ja relativ klar, welche der Karten man spielen musste, man konnte gar nichts entscheiden. Und ob ein Tor fiel, war am Ende pures Glück.

Aber na und?!

Entscheidend ist doch der Spaß, und dieser Spaß stellte sich bei mir erst mit langer Verzögerung ein. Deutlich später als 2003 wurde DIE WILDEN FUSSBALLKERLE zu einem häufig gespielten Aufwärmer. Ein Teilnehmer meiner Spielerunde traf oft etwas vor der vereinbarten Zeit ein, und dann spielten wir schnell noch eine Partie FUSSBALLKERLE, manchmal auch nur eine Halbzeit und machten mit der zweiten Hälfte in der Folgewoche weiter.

Okay, unbestritten, es war tatsächlich meist klar, welche Karte man spielen musste, und ob ein Tor fiel, war am Ende pures Glück. Aber bei aller Lotterie: Das Spiel schaffte Fußballatmosphäre und denkwürdige Erlebnisse. Mal gingen Partien 5:4 aus, mal 0:0. Mal wurde aus einer 3:0-Halbzeitführung noch ein 3:3. Mal hatten drei Spieler:innen (ja, es waren gemischte Teams!) eine rote Karte bekommen und beide Seiten waren im weiteren Spielverlauf unangenehm limitiert.

Viele Partien waren spannend und standen auf der Kippe, es gab brenzlige Situationen. Hatte ich nur eine letzte Abwehrkarte auf der Hand, war ich natürlich froh, den Ball irgendwie ins Mittelfeld bolzen zu können und dort zu halten. Es kam wie gerufen, wenn ein:e übereifrige:r Gegenspieler:in mich dort auch noch foulte!

Oder ich hatte eine rote Karte kassiert und musste jetzt zusehen, meinen knappen Vorsprung über die Zeit zu zittern. Besonders vor der gegnerischen Karte „Der dicke Michi“ hatte ich großen Respekt. Für ein hineingestochertes Tor aus dem Nichts war dieser Michi immer gut. Ich habe weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen, trotzdem konnte ich mir den dicken Michi immer sehr gut vorstellen: ein körperlich überlegener Typ, der seine physische Präsenz einzusetzen weiß und schwer wieder vom Ball zu trennen ist.

Meine kleinen Kicker:innen waren natürlich reinste Engel, zumindest behauptete ich das. Rote Karten gegen mich waren Irrtümer des Kartenstapels. Verlor ich, waren die Spiele übelst geschoben. Um nicht zu sagen: abgekartet! Kurzum: DIE WILDEN FUSSBALLKERLE war eine Quelle schönsten Trashtalks.

Wie ich wohl CHALLENGERS vor 20 Jahren beurteilt hätte? Nicht alle, mit denen ich das aktuell spiele, sind so hingerissen wie ich. Und ihre Begründungen ähneln sehr stark dem, was ich damals über DIE WILDEN FUSSBALLKERLE dachte: Man kann gar nichts entscheiden, und am Ende ist es pures Glück. Aber erstens stimmt das nicht, und zweitens wäre es ja nicht einmal tragisch. Entscheidend ist der Spaß. Entscheidend ist auf dem Platz.


Samstag, 14. Oktober 2023

Lacrimosa

Um Mozarts letztes und unvollendetes Werk, das Requiem, entstanden zahlreiche Legenden. LACRIMOSA kreiert eine weitere. In der Einleitung heißt es: „Seine Witwe Constanze hat beschlossen, bis zu vier der großzügigsten Mäzene des verstorbenen Komponisten zu kontaktieren, damit sie ihr dabei helfen, die richtigen Komponisten zu beauftragen, um das Werk zu vollenden. Dieses Spiel erzählt die Geschichte dieser Treffen, die Constanze (möglicherweise) mit Mozarts Mäzenen nach seinem Tod hatte.“ Das Zauberwort hier ist „möglicherweise“. Denn so war es nun mal nicht. LACRIMOSA „erzählt“ nicht „die Geschichte“, sondern erfindet etwas, um irgendwie bis zu vier Spieler:innen (als Mäzene) in das Geschehen hineinzustricken.


Wie geht LACRIMOSA? Jede:r startet mit demselben Kartendeck. Die Karten zeigen oben eine Aktion und unten ein Einkommen bei Rundenende. In jedem Zug stecke ich eine Karte in den oberen Slot und eine in den unteren Slot meines Tableaus. Bei der oberen Karte ist nun nur noch die Aktion sichtbar, und ich führe sie aus. Bei der unteren ist nur das Einkommen sichtbar. Bei beiden Karten wähle ich also eine von zwei Anwendungsmöglichkeiten und verzichte gleichzeitig auf die andere.
LACRIMOSA hat einen Deckbuilding-Aspekt: Im Laufe des Spiels kommen immer mächtigere Karten ins Spiel. Ich kann sie erwerben und dafür eine meiner vorhandenen Karten verschrotten. LACRIMOSA hat auch einen ökonomischen Aspekt: Neben Geld gibt es noch drei weitere Währungen. Für Fortschritte muss ich bezahlen, und natürlich muss ich mit meinen Ressourcen haushalten.
LACRIMOSA hat Wettrenn-Komponenten: Wer Komponisten-Plättchen zuerst kauft, bekommt sie billiger und nimmt anderen die Plätze weg. Außerdem reisen wir mit einer gemeinsamen Figur über den Spielplan, immer auf der Jagd nach vorteilhaften Plättchen, die in den europäischen Städten ausliegen.
Und wir betreiben in LACRIMOSA Engine-Building, indem wir uns mit Opus-Karten eine Punktemaschine aufbauen. Opus-Karten kommen nicht in mein Deck, sondern werden vor mir ausgelegt. Diese Werke kann ich später mehrmals aufführen (tappen) und bekomme jeweils etwas dafür. Im Bestfall habe ich mir Boni freigeschaltet, die ich zusätzlich erhalte, wenn ich eine ganz bestimmte Sorte Werk aufführe, die ich mir natürlich gezielt besorgt habe. Und vielleicht besitze ich obendrein das Privileg, dass ich, wenn ich aufführe, gleich noch mal aufführen darf.
Mit anderen Worten: LACRIMOSA ist ein vielfach verzahntes Eurogame mit diversen Mechanismen und Möglichkeiten, an Punkte zu kommen. Und wer am meisten Punkte hat, gewinnt und geht als bedeutendster Mäzen Mozarts in Constanzes Memoiren ein. Jedenfalls ist das noch die Aussage auf Seite 2 der Anleitung. Auf Seite 10 scheinen die Memoiren schon wieder in Vergessenheit geraten zu sein, und dass es ganz ursprünglich darum gehen sollte, das Requiem zu vollenden, ist sowieso kein Thema mehr. Jetzt heißt es: „Siegpunkte (SP) sind ein Indikator dafür, wie sehr sich Constanze für eure Erzählungen begeistert. Je mehr SP du erzielst, umso imposanter wird dein Wirken in der ersten Mozart-Biografie dargestellt.“


Was passiert? Die Story hakt an allen Ecken und Enden. Mal abgesehen davon, dass sie die Historie verdreht, unterstützt sie auch nicht das Spiel, sondern erschwert im Gegenteil dessen Verständnis. Eine Karte fürs Deck zu kaufen, nennt sich „Erinnerungen aufschreiben“. Das ist Quark, denn man schreibt nichts auf. Leider muss man es trotzdem wissen, denn das Symbol für den Kartenkauf zeigt ein Tagebuch und eine Kerze. Und wer käme schon darauf, dass Tagebuch und Kerze für das Kaufen einer Karte stehen? Und unglücklicherweise ist das Symbol für „Opus in Auftrag geben“ Schreibfeder und Papier. Bis zum Ende der Partie wird das immer wieder mit „Erinnerungen aufschreiben“ verwechselt. Begriffe und Symbole sind in LACRIMOSA schlecht gewählt. Die Benennungen und die Optik sollen ein Thema vortäuschen, LACRIMOSA ist aber nicht thematisch. Und so wird durch die Einkleidung alles nur verkompliziert.
Das Spiel selbst ist durchaus ordentlich: Die Mechaniken sind konstruktiv. Man entwickelt sich, baut sich etwas auf. Man kann taktisch und strategisch agieren. Das alles sind Elemente, die sich generell gut anfühlen. Detaillierter will ich das gar nicht beschreiben, denn: LACRIMOSA hat auf der anderen Seite nichts, das sich irgendwie außergewöhnlich anfühlt. Es ist solide komplexe Eurokost.


Was taugt es? Außergewöhnlich an LACRIMOSA ist nur das Thema. Und das Thema trägt nicht. Ich behaupte sogar: Ein Standardszenario, bei dem wir Waren ausliefern und Handelsverträge erfüllen, um am Ende als bedeutendste Kaufleute in die Geschichte einzugehen, hätte hier vieles besser erklärt.
Letztendlich ist LACRIMOSA aber nicht schlechter als andere seelenlose Mechanikspiele. Und denen kreide ich ihr seelenloses Thema ja auch nicht an. Wenn man also einfach vergisst, dass es hier um Mozarts letztes Werk gehen soll (und man vergisst es sehr schnell), bleibt ein Spiel übrig, das über seine gesamte Dauer gut unterhält und herausfordert.
Herausgefordert war ich übrigens auch durch die Anleitung. Vielleicht bin ich schlichtweg alt geworden. Oder (und das wäre tendenziell meine Haupttheorie) die Anleitung ist schlichtweg schlecht strukturiert.


**** solide

LACRIMOSA von Gerard Ascensi und Ferran Renalias für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Freitag, 6. Oktober 2023

Mosaic

Kommt MOSAIC von „mosern“? Na, dann moser ick.

Wie geht MOSAIC? Wir sind antike Staaten, die sich in der Mittelmeerregion ausbreiten. Wir gründen Städte und Dörfer, errichten Weltwunder, entwickeln Technologien und so weiter.
Viele Aktionen führen dazu, dass wir Karten ausspielen, was etwa mit TERRAFORMING MARS vergleichbar ist. Manche Karten erfordern das Vorhandensein bestimmter Symbole. Karten wiederum bringen auch Symbole. Symbole will ich sammeln. Denn es gibt Karten wie die Projektkarte „Stadtmauern“, die für jedes Symbol „Militär“ einen Punkt zählt, oder die Technologiekarte „Zement“, die für jede Projektkarte zwei Punkte zählt. Wer außerdem zuerst sechs Symbole einer der neun Sorten besitzt, gewinnt eine Urkunde namens „Goldenes Zeitalter“. Die bringt einen Sofort-Bonus und zählt Punkte in der Schlusswertung.
Ein Wettrennen entsteht auch um „Zivilisations-Errungenschaften“. Hier geht es beispielsweise darum, zuerst 60 Geld oder zwölf Bevölkerung zu haben. Neun (von 15 möglichen) dieser Urkunden liegen für jede Partie aus.

Dörfer und Städte und Weltwunder punkten bei Spielende und zahlen sich auch schon während der Partie aus. Bei drei Zwischenwertungen gibt es Punkte für Einflussmehrheiten in den Regionen, und den gewünschten Einfluss bringen eben Dörfer, Städte und Weltwunder (sowie Militäreinheiten).
Die Aktionen selbst sind in MOSAIC einfach gehalten. Wer am Zug ist, führt genau eine Aktion aus, entwickelt beispielsweise eine Technologie, was „Idee“-Ressourcen kostet. Oder erhöht die Bevölkerung, was „Nahrung“ kostet. Weil alle Spieler:innen dieselbe Anzahl Aktionen haben, hat MOSAIC über die vielen kleinen Wettläufe innerhalb des Spiels hinaus auch insgesamt einen Wettlaufcharakter. Man will möglichst mit jedem Zug Punkte machen. Allerdings muss man ab und zu auch Ressourcen produzieren und verliert dadurch Tempo.


Was passiert? In der Theorie ist recht klar, worauf man generell hinauswill: schnell Symbole sammeln, sich ausbreiten, Mehrheiten bilden, eine gute Produktion aufbauen. Im Detail kommt es dann auch noch darauf an, welche Weltwunder man wo baut oder welche Regierungsform man erwirbt, weil jedes dieser Plättchen auf andere Weise punktet. MOSAIC hat taktische und interaktive Elemente, beispielsweise indem ich bestimmte Karten anderen Spieler:innen wegschnappe, oder indem ich abschätze, welcher der vielen Wettläufe für mich aussichtsreich wäre.
Die Praxis allerdings ist viel holpriger als die Theorie, weil MOSAIC krasse Fehler hat, die ich in dieser Häufung schon lange nicht mehr erlebt habe. Es beginnt mit Schreibfehlern, „Bevöalkerung“ steht auf manchen Tableaus. Auch die Anleitung enthält Fehler, sie wurde unvollständig und teilweise schlicht falsch übersetzt. Im Anhang (ebenfalls fehlerhaft), wo ich detailliertere Erläuterungen zu einzelnen Karten erwarten würde, steht größtenteils noch einmal genau dasselbe wie schon auf den Karten. Begriffe gehen durcheinander. Kartenanweisungen lauten „erhalte eine Stadt“, „nehme eine Stadt“ oder „platziere eine Stadt“, und man fragt sich: Ist das jeweils dasselbe oder gibt es Unterschiede?
MOSAIC ist schrecklich unübersichtlich. Um Funktionalität und Spielkomfort hat sich offenbar niemand geschert. Während bei den Stein-Plättchen ein Einer logischerweise einen Stein zeigt und der Fünfer logischerweise fünf Steine, zeigt bei den Nahrungs-Plättchen der Einer Getreide, der Fünfer aber einen Fisch. Warum? „Imperienkarten“, die ich vor jeder Partie aus vielen anderen Karten heraussuchen und dann auf bestimmte Weise in die verschiedenen Stapel einmischen muss, sehen den Karten, aus denen ich sie heraussuchen soll, unsinnigerweise sehr ähnlich.
Und dann das Gesuche auf dem Spielplan! Immer wieder geht es um Mehrheiten in Regionen. Aber bei einzelnen Feldern lässt sich schlecht erkennen, zu welcher Region sie gehören. Bei den Weltwundern wiederum lässt sich schlecht erkennen, welchem Staat sie gehören, und bei Dörfern und Städten lässt sich ein Unterschied schlecht erkennen, sie sehen nahezu identisch aus. Das macht das Auszählen der Mehrheiten ziemlich nervtötend. Und leider geschieht es mehrmals pro Spiel.
Vor allen Spieler:innen entsteht eine große Kartenauslage, für die es nicht so recht ein durchdachtes Ordnungssystem gibt. Effekte werden vergessen, und wofür man am Ende Punkte erhält, gerät aus dem Blick. Für die Übersicht fehlen in MOSAIC auch eine Siegpunktskala oder ein Aufschreibblock.
Selbst Kleinigkeiten sind noch extradumm geregelt: Das erste Weltwunder kostet 20 Steine und fünf Getreide, jedes weitere fünf Steine und fünf Getreide mehr. Warum gibt es dafür keine Kostentabelle auf dem Spielplan? Jedes Mal muss man neu losrechnen. Das vierte Weltwunder … äh, Moment, 20 Steine plus fünf plus fünf plus fünf. Sowie fünf Getreide plus fünf plus fünf plus fünf.


Was taugt es? Das Ausmaß, in dem die redaktionelle Aufarbeitung des Spiels misslungen ist, wäre allein schon ein Grund, MOSAIC in den Boden zu stampfen. Negativ hinzu kommt, dass zu Beginn einer Partie sehr, sehr viel angeordnet, ausgelegt und vorsortiert werden muss. Der Aufbau dauert ungewöhnlich lange. Und nicht einmal spielerisch ist alles rund. Fühlt sich die erste Hälfte einer Partie noch spannend an, weil man sein Reich heranwachsen lässt, eine bestimmte Richtung einschlägt und hier und da anderen zuvorkommen möchte, mündet es in der zweiten Hälfte in ein zähes Abarbeiten und Warten auf das Auslösen der Endbedingung.
MOSAIC ist eine Ansammlung von Negativbeispielen, was man bei einem Spiel alles schlecht machen kann. Fast wäre es ein Kandidat für die Kategorie „schlimm“. Allerdings: Beim Spielen schimmern auch Qualitäten durch, die ahnen lassen, dass MOSAIC ein interessantes Spiel sein könnte. Es hat einen guten Rhythmus, es ist überwiegend konstruktiv, lässt viele Freiheiten und ist angesichts der großen Vielfalt nicht überkompliziert. Es fehlt nur sehr viel Feinschliff.


** misslungen

MOSAIC von Glenn Drover für zwei bis sechs Spieler:innen, Sylex / Forbidden Games.