Freitag, 31. Januar 2020

Gern gespielt im Januar 2020

MARCO POLO II – IM AUFTRAG DES KHAN: MARCO POLO im mobilen Zeitalter.


ORLÉANS STORIES: Mit dem Besten aus PHASE 10.


LITTLE TOWN: Zeigt sehr anschaulich, was geschieht, wenn eine Handvoll Menschen ein idyllisches Fleckchen Erde mit Wäldern, Bergen und Seen für sich entdeckt.


COLOR BRAIN: Gut gelaufen: Schon jetzt habe ich ein Erlebnis im Kasten, um damit im Januar 2040 einigermaßen spektakulär die Rubrik „Vor 20 Jahren“ zu bestücken.


AZUL – DER SOMMERPAVILLON: Der nächste Sommer kommt bestimmt.


MIYABI: Die Begriffe „Gartenbau“ und „Landschaftsarchitektur“ sind mir nun um einiges klarer.




Donnerstag, 30. Januar 2020

Smart 10

Gemäß meines Acht-Tage-Rhythmus wäre diese Rezension eigentlich erst morgen an der Reihe. Logisch also, dass ich unter diesen Umständen heute noch keine Einleitung fertig habe.

Wie geht SMART 10? Wir spielen Quiz. Und wir zocken. Zentrales Spielelement ist die „Smartbox“, ein quadratischer Kasten, in dem 100 beidseitig bedruckte Quizkarten stecken. Eine Aussparung in der Mitte verrät sowohl das allgemeine Thema (Beispiel: „Erfunden in welchem Jahrhundert?“) als auch die zehn konkreten Fragen („Buchdruck“, „Dosenöffner“, „Wäscheklammer“ usw.).
Reihum sind wir am Zug. Erst gibt man die Antwort, dann zieht man an der entsprechenden Stelle einen Stecker heraus und überprüft: Lag man falsch, ist man für den Rest der Fragekarte raus. Lag man richtig, kommt man später, nachdem die Box die Runde gedreht hat, erneut an die Reihe. Man darf aussteigen und die Box einfach weitergeben. Dann kriegt man Punkte entsprechend der gesammelten Stecker. Wer falsch antwortet, kriegt grundsätzlich keine Punkte.


Was passiert? SMART 10 erinnert an das leider nicht sehr populär gewordene FINGER WEG! Da wie hier wird Wissen abgefragt, und es ist erstaunlich, wie häufig Menschen kneifen, sobald sie etwas zu verlieren haben. Einen dritten Punkt machen? Oder lieber die bereits erspielten zwei absichern? Man traut sich nicht und sichert ab, um nur wenige Sekunden später zerknirscht festzustellen: Natürlich! Meine Antwort wäre richtig gewesen!
Das Kribbeln in FINGER WEG! erinnere ich sogar als noch stärker, denn dort pokerte man auch auf die Antworten der Mitspieler*innen und hing eventuell mit drin, wenn sie sich verzockten. Auch in SMART 10 bin ich an den Antworten anderer interessiert. Wenn ich aus irgendwelchen Gründen weiß, wann der Dosenöffner erfunden wurde, hoffe ich, dass mir niemand diese Antwortmöglichkeit wegschnappt.
Allerdings: Die Smartbox ist so klein, dass nicht alle am Tisch sie einsehen können. Sie muss herumgegeben werden. Und bin ich der Letzte der Runde, kann es eine ganze Weile dauern, bis ich überhaupt erfahre, welche Antwortmöglichkeiten es gibt.
Die in die Box integrierten Punktezähler sind recht mikroskopisch geraten, manche Stecker sind selbst nach etlichen Partien noch schwergängig und – das ist am ärgerlichsten – die laut Anleitung einfach zu bedienende Seitenklappe lässt sich alles andere als einfach bedienen. Der Aufwand, sie nach jeder Runde zum Auswechseln der Fragekarte herauszubrechen und wieder einzuschieben, nervt jedes Mal. Lässt man die Klappe aber offen, fallen beim Weitergeben der Box die Karten heraus, und das nervt noch mehr.

Was taugt es? SMART 10 hat drei Kategorien von Fragen. Erstens solche, die man auch aus anderen Quizspielen kennt: genaue Namen, Zahlen, Länder oder Jahrhunderte sind gefragt. Zweitens – und diese gefallen mir wegen der Zockermöglichkeit besonders gut – Ja-Nein-Fragen: Ist es ein Schlaginstrument: Djembé? Cabasa? Piccolo?
Sowie drittens und aus meiner Sicht überwiegend reizlos: Sortierungen von 1 bis 10. „Reihenfolge der Länder nach Anzahl von Pfadfindern“ oder „Reihenfolge der Länder nach ihrer Größe“. Und zur Auswahl steht da nicht mal ein bunter Mix, sondern ausschließlich die kleinsten Staaten, die sich auf der Erde finden ließen, und man soll sich jetzt Gedanken machen, ob St. Kitts und Nevis größer ist als Nauru und an welche Stelle des Rankings wohl die Marshallinseln gehören.
Auch mehrere Fehler auf den Karten sind in meinen Spielrunden schon aufgefallen. Diese Schwächen und dazu die mäßig praktikable Box stören beim Spielen immer wieder. Die Spannung, die das Spielprinzip hervorruft, ist merklich größer als bei den meisten anderen Quizspielen, wiegt aber die Mängel nur teilweise auf.


**** solide

SMART 10 von Arno Steinwender und Christoph Reiser für zwei bis vier Spieler*innen oder Teams, Piatnik.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Deep Blue

„Der Taucher: Gluck, gluck, weg war er.“ – Diese hochkarätige Schiller-Parodie fanden wir, als ich Kind war, tatsächlich witzig und erzählten sie uns immer wieder. Heute kann ich mich darüber nur noch wundern. Zum Glück hat sich der Humor in den vergangenen Jahrzehnten auch dank Privatfernsehen und Social Media prächtig weiterentwickelt, so dass in Deutschland nur noch über wirklich Witziges gelacht wird.

Wie geht DEEP BLUE? Wir tauchen nach Schätzen. Jede*r Spieler*in verfügt über zwei Schiffe. Mit denen tuckern wir über den Spielplan. Bei einem Wrackplättchen darf getaucht werden. Wer das tut, zieht einen Edelstein nach dem anderen aus dem Beutel, bis entweder eine tödliche Dosis Gefahrensteine gefunden wurde. Oder bis man freiwillig aufhört. Im Falle des Aufhörens kriegt man den Wert der geborgenen Schätze ausbezahlt. Im Falle des Scheiterns gibt es ein paar Trostmünzen.

Oft kassiert die Konkurrenz mit. Wer ebenfalls vor Ort oder zumindest auf einem Nachbarfeld ankert, darf hinzueilen und passiv am Tauchgang teilnehmen. Gefahrensteine lassen sich mittels passender Handkarten abwehren. So kann es geschehen, dass Mittauchende einen gescheiterten Tauchgang überleben und sogar fettere Beute machen. Oder dass diese lästigen Zecken schon mitten im Tauchgang eliminiert werden.
Wir haben also Handkarten, mit denen wir auf die Funde aus dem Beutel reagieren. Es gibt einerseits Karten zur Gefahrenabwehr. Und es gibt Karten, die für herausgezogene Edelsteine Prämien ausschütten. Und das sogar im Falle des späteren Ablebens.
Außerdem gibt es noch Karten, um die eigenen Schiffe fahren zu lassen. Und Karten, die als Geld fungieren, um damit weitere Karten zu kaufen. Womit eine gute Gelegenheit gekommen wäre, um mal die vier Aktionsmöglichkeiten aufzuzählen: Wer am Zug ist, kann entweder eine neue Karte kaufen oder seine Schiffe ziehen oder einen Tauchgang starten oder seinen Ablagestapel (dort landen alle Karten nach Benutzung) mischen und drei davon ziehen. Am Schluss gewinnt natürlich der Reichste.


Was passiert? Zu wenig. DEEP BLUE suggeriert, ein Deckbauspiel zu sein. Allerdings decken sich alle nur zu Spielbeginn mit Karten ein. Später wird es als Zeitverlust angesehen.
DEEP BLUE suggeriert, man könne sich gezielt in verschiedene Richtungen entwickeln: ein Deck, das mehr Geld generiert, einerseits; ein Deck, das mehr Sicherheit verspricht, andererseits. Und tatsächlich werden sich die Decks unterschiedlich entwickeln, jedoch nicht gezielt. Man hat weder die nötige Auswahl beim Einkaufen noch die nötige Anzahl Kaufaktionen, um sein Spiel im Sinne einer Strategie zu beeinflussen.
Viele der Spielhandlungen sind nicht spannend. Taucht jemand anderes, zücke ich als passiver Beteiligter ab und zu eine Karte, ansonsten schaue ich zu. Bin ich nicht mal an der Tauchstelle, schaue ich ausschließlich zu. Ein heruntergespieltes Blatt wieder auf die Hand zu ziehen, kann dauern, weil ich pro Aktion nur drei Karten zurückbekomme. Und bis ich nach dieser Mini-Aktion wieder an der Reihe bin … schaue ich zu.


Was taugt es? DEEP BLUE ist toll gestaltet und hervorragend ausgestattet. Das Spiel macht sehr neugierig und fängt auch sein Thema gut ein. Allerdings steckt hinter all dem großen Material-Aufwand vergleichbar wenig Substanz. Zu selten lässt mich DEEP BLUE relevante Entscheidungen treffen.
Gemessen am Glücksanteil betreibt DEEP BLUE zu viel Brimborium um Kartenkauf, Karteneinsatz und Kartennachziehen. Kartenerträge und Sonderbedingungen durch die Wrackplättchen machen es außerdem kompliziert. Vielen Mitspieler*innen musste ich mehrfach vorrechnen, wie viel Geld sie sich nun eigentlich ertaucht hatten.
Emotionale Höhepunkte erlebt man immer dann, wenn man mal selber unter Wasser geht. Doch das zu tun, ist nicht attraktiv, falls sich zu viele Spieler*innen einklinken. Deshalb wählt man gerne eine andere Aktion und DEEP BLUE kommt nicht recht voran.


*** mäßig

DEEP BLUE von Daniel Skjold Pedersen und Asger Harding Granerud für zwei bis fünf Spieler*innen, Days of Wonder.

Sonntag, 19. Januar 2020

Subtext

Diese Bonusrezension ist für alle, die finden, dass die Ananas in MAMMA MIA! kein Käse, sondern tatsächlich eine Ananas ist.

Wie geht SUBTEXT? Kurz gesagt: LINQ mit Zeichnen. Aber vielleicht kennen nicht alle LINQ?
Deshalb genauer: In jeder Runde gibt es (reihum abwechselnd) eine*n Spieler*in Nummer 1. Die Nummer 1 zieht eine Wortkarte, auf der beispielsweise „Regenbogen“ steht und malt auf einem kleinen Stück Papier einen Hinweis auf das Wort Regenbogen. Vielleicht einen Wassertropfen, vielleicht einen Himmel, vielleicht auch nur zwei Striche. Ein bisschen subtil sollte es schon sein.
Noch vor dem Losmalen wird die Wortkarte mit anderen zusammengemischt, und alle anderen Beteiligten ziehen ebenfalls eine. Irgendwer hat nun auch „Regenbogen“, die anderen haben Begriffe wie „Gestank“, „Krokodil“ oder „Zorro“ und malen ihrerseits Hinweise. Ziel des „Regenbogen“-Paares, das nichts voneinander weiß, ist es, sich gegenseitig zu erkennen, ohne von den anderen erkannt zu werden.
Alle Bilder werden aufgedeckt und die Spieler*innen geben einen Tipp ab, wer Partner*in der Nummer 1 ist. Richtige Tipps werden belohnt. Je weniger Spieler*innen richtig geraten haben, desto mehr Punkte gewinnen sie.


Was passiert? Das hängt stark von der Runde ab. Manche malen zu gegenständlich. Das Paar wird dann regelmäßig erkannt und man fragt sich, wo eigentlich der Witz ist. Andere malen zu abstrakt. Jetzt wird zufällig herumgeraten und wieder fragt man sich, was das eigentlich soll.
Im Bestfall pendelt sich die Runde auf einem mittleren Niveau ein, alle knobeln engagiert mit, stellen Vermutungen an und diskutieren nach der Auflösung ihre Bildideen und Interpretationen. SUBTEXT kann sehr unterhaltsam sein. Und was viele andere Malspiele nur versprechen: Auf zeichnerisches Können kommt es hier wirklich nicht an, sondern auf die kreative Umsetzung.
Allerdings ist da die Wertung. Ich kann nachvollziehen, warum sie ist, wie sie ist. Aber sie ist kompliziert und manche Mitspieler*innen haben bis zum Ende der Partie noch nicht verinnerlicht, wer wann wie viele Punkte bekommt. Zudem wirkt die Punktvergabe erst dann gerecht, wenn das Mal-Niveau stimmt. Stimmt es nicht und es wird zu undeutlich gezeichnet und viele raten falsch, sahnt ein Zufallstreffer paradoxerweise ganz besonders viele Punkte ab.

Und da ist das Gefühl, oft vergeblich kreativ zu sein. Ich kann mir die tollsten Gedanken zur Visualisierung von „Gestank“, „Krokodil“ oder „Zorro“ gemacht haben: Um mein Bild geht es am Ende nur, wenn ich im Team mit der Nummer 1 bin. Ansonsten habe ich Beiwerk erschaffen.
Genauso wie ich (statistisch) relativ selten Partner der Nummer 1 bin, gibt es im Spiel auch relativ selten die Gelegenheit, um Punkte zu sammeln. So habe ich bei SUBTEXT schon viel Frustration erlebt. Spieler*innen haben drei, vier, fünf Mal falsch geraten und standen nach zwei Dritteln der Partie beschämt noch immer bei null Punkten.
SUBTEXT bietet wenig sichtbare Belohnung. Die Belohnung soll sich durch die gemeinsame Kommunikation und die Freude über die Bilder ergeben. In manchen Runden gelingt das, in anderen nicht.


Was taugt es? SUBTEXT ist mir sympathisch. Wie wir hier mit Bildern und immer nur in Andeutungen kommunizieren, finde ich unterhaltsam und originell.
Allerdings habe ich nicht so viele Runden erlebt, in denen SUBTEXT sein volles Potenzial entfalten konnte. Obwohl es um Punkte geht, legt SUBTEXT seinen Schwerpunkt nicht auf Wettbewerb. Das ist gewöhnungsbedürftig. Und trotz aller SUBTEXT-Qualitäten ist mir das Risiko, einen Flop zu landen, doch zu hoch, um SUBTEXT zukünftigen Runden schmackhaft machen zu wollen.


**** solide

SUBTEXT von Wolfgang Warsch für vier bis acht Spieler*innen, Edition Spielwiese.

Mittwoch, 15. Januar 2020

Rune Stones

Ihr wollt auf den Thron! Erobert den Thron! Holt euch den Thron! – Immer wieder geht es in Spielen um den Thron. Und man fragt sich: Von welchem Thron ist die Rede? Hier ist doch keiner.
RUNE STONES liefert endlich Abhilfe: Da ist das Ding! Der Thron. Zusammengesteckt aus vier Pappteilen und … mäßig prunkvoll, nicht sehr stabil, ohne weitere Funktion während des Spiels. Wenn ich das jetzt so sehe, muss ich sagen: Manchmal ist es doch besser, wenn Dinge der Fantasie überlassen bleiben.

Wie geht RUNE STONES? Auf den Thron gelangen wir mit 65 Siegpunkten. Punkte gewinnen wir mit Karten, die wir ausspielen, und vor allem mit Artefakt-Sammlungen, die wir eintauschen. Artefakte wiederum kaufen wir mit Edelsteinen. Und Edelsteine sammeln wir ebenfalls über die Karten.
Den Ausgangspunkt bilden also Karten. Alle Spieler*innen starten mit demselben Set. Jede Karte besitzt eine Funktion und einen Geldwert. Ein Spielzug könnte sein, Karten derselben Farbe auszuspielen und ihre Geldwerte zu addieren, um damit weitere Karten aus der Auslage zu kaufen. Warum das immer mal wieder nötig ist, erklärt Zugmöglichkeit zwei: Man legt exakt zwei Karten aus und nutzt ihre Funktion, was bedeutet, dass man Punkte, Edelsteine oder andere Dinge erhält. Allerdings: Die Karte mit der höheren Zahl wird verschrottet.
Die Edelsteine tauscht man in einem weiteren Spielzug gegen Artefakte und diese wiederum gegen einen schönen Batzen Punkte plus einen Runenstein (außer man hat schon vier). Runensteine verleihen für den Rest der Partie eine starke Sonderfähigkeit (höheres Handkartenlimit, aufgewertete Kartenfunktionen etc.). Acht verschiedene Runensteine gibt es, der Vorrat ist begrenzt. So unterscheiden sich bald nicht nur die Decks der Spieler*innen, sondern auch ihre Fähigkeiten.


Was passiert? Mit Menschen, die nicht zum ersten Mal RUNE STONES spielen, entwickelt sich ein zielgerichtetes Wettrennen um Punkte. RUNE STONES-Neulinge machen, ohne es zu ahnen, Umwege. Sie verwenden zu viele Züge darauf, immer mehr Karten zu kaufen und anzuhäufen, anstatt sie einzusetzen und damit zwangsläufig auch zu opfern – was viele offenbar nicht so leicht übers Herz bringen. Aber RUNE STONES ist nun mal ein Deckbau- und Deckabbau-Spiel gleichermaßen. Karten zählen am Schluss nichts, und im Optimalfall hat man keinen Zug zu viel fürs Kartenkaufen verwendet und rettet sich mit einem Minimalbestand ins Ziel.
Im Laufe der Partie ergeben sich spannende Timing-Fragen. Ich muss abwägen, wann ich Karten einsetze und wann ich kaufe. Ob ich kaufe, hängt davon ab, ob Karten im Markt liegen, die mich interessieren, und wie viel Geld ich gerade auf der Hand habe. Ob und wann ich Karten nutze, hängt nicht nur vom Ertrag ab, sondern auch von meinen Zahlenwerten.
Starke Karten haben oft hohe Zahlen und laufen somit leichter Gefahr, nach Gebrauch im Müll zu landen. Gelingt es mir aber, zwei hohe Werte miteinander zu kombinieren, bewahre ich eine dieser Karten und kann sie später noch einmal nutzen. Kombiniere ich zwei niedrige Zahlen, werde ich eine los, die mich vielleicht sowieso eher stört.
Manchmal spiele ich auch einfach die, die ich nicht auf der Hand behalten möchte. Beispielsweise lege ich Gelb und Grün und bewusst nicht die beiden Roten in der Hoffnung, weitere rote Karten und damit auch rote Geldwerte nachzuziehen, um im nächsten Zug schön einkaufen gehen zu können.
Und ganz offensichtlich stellen sich auch strategische Fragen: Welche Runensteine will ich? Und will ich sie möglichst schnell oder baue ich meine Artefaktsammlung vor dem Umtauschen lieber noch aus, weil das erheblich mehr Punkte bringt? Glaubte ich anfangs noch, es sei ziemlich offensichtlich, welche Runen die besten seien, hat sich bald gezeigt: So simpel ist es nicht. Mit angepasster Spielweise lassen sich alle Runen irgendwann recht gut einsetzen. Man kann hier einiges durchprobieren. Das ist gut austariert und von einem Spiel dieser Machart erwarte ich das auch.


Was taugt es? RUNE STONES ist sauber komponiert. Alle Effekte greifen ineinander, keine Element ist zu viel. Dass wir wenig interagieren, haben Spiele dieser Art nun mal an sich und immerhin kann RUNE STONES dadurch Tempo aufnehmen.
Die handwerkliche Seite von RUNE STONES stimmt also und man müsste mich zu einer weiteren Partie nicht überreden. Doch obwohl ich spüre, wie viel man im Detail doch zu entscheiden hat und wie hier Zufallsfaktoren (Was kommt in den Markt? Ziehe ich das Erhoffte nach?) das angemessene Quäntchen Hoffen und Bangen ins Spiel bringen, bleibt RUNE STONES in seiner Gesamtanmutung technisch. Ich wüsste nicht, wie ich außer durch eine Aufzählung der Mechanismen erklären sollte, was wir bei RUNE STONES eigentlich tun.
Außer mechanisch fühlt sich RUNE STONES auch linear an und selbst die Runensteine brechen diese Linearität nicht auf. Von Beginn bis Ende führe ich recht ähnliche Handlungen aus, tausche dies, erhalte das. Und immer so weiter und ohne zwischenzeitliche Höhepunkte bis zum Ziel.
Ich erwarte nicht, dass Spiele einen Film vor meinen Augen ablaufen lassen; ohnehin ist mir das – denn anscheinend bin ich ein emotionsloser Klotz – noch nie passiert. Dennoch fühlen sich für mich (und ich glaube, für viele Menschen) Spiele meistens wärmer und faszinierender an, wenn das Spielerlebnis über die reine Kopfangelegenheit hinausgeht.


**** solide

RUNE STONES von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler*innen, Queen Games.

Samstag, 11. Januar 2020

Vor 20 Jahren (85): Mamma mia!

Im Jahr 2000 hatte ich als Rezensent (natürlich ganz anders als heute) noch viel Luft nach oben. Meine Möglichkeiten, um Kritiken zu veröffentlichen, waren begrenzt, folglich war ich in meiner Akquise von Rezensionsmustern eher defensiv. Gewiss hatte diese Haltung auch mit einem Messe-Trauma gleich zu Beginn meiner Karriere zu tun, das ich nach seiner schriftlichen Niederlegung eigentlich endgültig verdrängt haben wollte ... aber das hat wohl nicht ganz geklappt.

Worauf ich hinauswill: Einige Spiele gingen mir damals komplett durch die Lappen oder ich lernte sie kennen, wenn es für eine Rezension zu spät war. MAMMA MIA! war so ein Fall. Ich kaufte es mir erst 2000, nachdem ich es einige Male im Spieleladen gespielt hatte. Ich erwartete, dass es auch in anderen Runden gut ankommen würde, und die Tatsache, dass MAMMA MIA! auch 20 Jahre später noch Bestandteil meiner Sammlung ist, darf als geniale Bestätigung dieser Annahme gewertet werden.


Auch wenn ich mittlerweile SOLE MIO! bevorzuge und obwohl ich da wie hier eine sehr schlechte Erfolgsbilanz habe, finde ich MAMMA MIA! weiterhin toll. Das liegt an zwei Gründen. Der erste: Pizza! Pizza ist zentraler Baustein meiner Ernährungspyramide, ich könnte jeden Tag Pizza essen und einer der Höhepunkte meines Lebens war 1995 oder 1996 die Pizza-Aktionswoche in der Mensa Italia in Göttingen.

Der zweite Grund: die Spielmechanik. Wir spielen Pizza-Zutaten und Rezepte reihum auf einen Haufen. Hinterher drehen wir den Stapel um und gehen Karte für Karte durch. Obwohl das nicht viel mehr ist als eine reine Auswertungsphase, ist das Aufblättern der Karten höchst spannend: Taucht ein Rezept auf, wird geprüft, ob genügend Zutaten da sind. Falls ja, sind die Zutaten verbraucht. Falls nein, bleiben sie liegen und dürfen von nächsten Spieler fürs nächste Rezept verwendet werden. Und genau darauf hofft man: Dass die anderen scheitern und man selber davon profitiert.

Theoretisch könnte man versuchen, sich die Bestückung des Stapels zu merken und Karten mit einem gewissen Konzept abzuspielen oder gezielt aufzubewahren. Tatsächlich gelingt mir das zwei bis drei Spielzüge lang, danach werfe ich einfach irgendwas auf gut Glück, so wie meine Mitspieler*innen das auch tun – die allerdings bei der Auswertung Rezept für Rezept erledigen und dabei genau die Zutaten verwenden, die für mich eingeplant waren.

Ließ sich das die ersten zehn bis 15 Jahre vielleicht noch unter „seltsamer Zufall“ verbuchen, glaube ich daran mittlerweile nicht mehr. Wäre MAMMA MIA! ein reines Glücksspiel, müsste ich in einer Viererrunde 25 Prozent der Partien gewinnen. Ohne dass es darüber Aufzeichnungen gäbe, fühlt es sich für mich so an, als gewänne ich nur 0,01 Prozent. Und es gibt nur eine Sache, die meine Mitspieler*innen ganz offensichtlich anders machen als ich: Sie nennen die Ananas penetrant „Käse“.


Und das lenkt mich ab, denn als Gelb-Spieler habe ich immer die Rezepte mit dem Käse … äh, ich meine, die mit der Ananas. Natürlich ist es Ananas, das sieht jede*r. Und natürlich korrigiere ich die falsche Benennung jedes Mal. Aber es hilft nichts: „Käse!“, „Käse!“, „Käse!“ schnattern die Mitspieler*innen unverdrossen weiter. „Ich brauche einen Käse!“, „Ich lege zwei Käse!“, „Jetzt fehlt nur noch ein Käse!“

Es ist zwecklos; sie sind unbelehrbar. Ich habe das Thema schon mit verschiedenen Therapeut*innen erörtert, aber es zeichnet sich keine echte Lösung ab. Es ist die kollektive Leugnung des absolut Offensichtlichen, die einen so fertigmacht. Manchmal zweifle ich sogar schon an meinem Verstand und denke: Na, wenn es alle sagen, ist es am Ende vielleicht doch Käse?!

Aber nein!
Es ist Ananas!
A-na-nas!
A! NA!! NAS!!!
Und das Schlimmste bei alledem: Ich mag auf Pizza keine Ananas.




Dienstag, 7. Januar 2020

Sherlock

SHERLOCK war im vergangenen Jahrgang eines der beliebtesten Spiele meiner Mitspieler*innen. Bei der Veröffentlichung der Favoritenliste am 13. September 2019 schrieb ich dazu: „Werde ich bei Gelegenheit vielleicht mal rezensieren.“ Und … na bitte: Hier ist die Gelegenheit auch schon.

Wie geht SHERLOCK? Es ist ein kooperatives Detektivspiel. Auf nur 32 Karten, von denen sich einige sogar als Nieten herausstellen, wird ein Kriminalfall erzählt oder sagen wir: umrissen. Jede*r besitzt drei dieser Karten. Wer am Zug ist, spielt eine aus oder schmeißt eine ab (aber sollte sich die Informationen darauf merken) und zieht nach. Sobald sämtliche Karten gespielt oder abgeworfen wurden, muss die Gruppe Fragen zum Fall beantworten.
Apropos Fragen: Was ist der Sinn des Abwerfens? Für die Punktwertung macht es sich gut, irrelevante Karten nicht gespielt zu haben. Obendrein verlangt die Spielregel, bis zum Ende mindestens sechs Karten zu eliminieren.


Was passiert? Die Beantwortung der Fragen ist selten ein Selbstläufer. Auch wenn sich die Gruppe eigentlich sicher wähnt, gelingt es den Autoren, immer wieder Zweifel zu säen. Die Antwortenphase ist der stärkste Teil des Spiels, weil hier rege diskutiert und Wissen vereint wird, um Theorien und Gegentheorien aufzustellen.
In der Spielphase davor ist die Diskussion eingeschränkt. Man darf nur auf den Karten Hervorgehobenes verraten, was meist so nichtssagend ist, dass zu diesem Zeitpunkt kaum sinnvolle Gruppenentscheidungen getroffen werden können. Über ausliegende Karten darf geredet werden, über alle anderen bis zur Antwortenphase nicht, was in meinen Spielerunden zunehmend dazu führte, die Gespräche kurz zu halten und bis zum Finale aufzuschieben, wann es endlich erlaubt ist.
So ist letztendlich jede*r selber verantwortlich für das, was er oder sie spielt oder abschmeißt. Was den Vorteil hat, dass jede*r eigene Entscheidungen treffen muss. Und den Nachteil, dass diese Entscheidungen sehr falsch sein können und eventuell harte Konsequenzen haben. Weil niemand die Punktwertung durch das Ausspielen irrelevanter Karten ruinieren möchte, wird auch immer mal Wichtiges abgeworfen mit der optimistischen Behauptung, man habe den Inhalt der Karte komplett erfasst. Und hinterher stellt sich heraus: Tja, da wäre noch so ein Detail gewesen …

Was taugt es? Obwohl ich die Kartenphase nicht völlig gelungen finde, erlebe ich es aber doch als spannend, wie sich hier nach und nach ein Fall geradezu entblättert, indem später hinzukommende Karten weitere Informationen ins Spiel bringen oder die Sache in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Überwiegend – aber nicht immer – empfinde ich auch die Auflösungen als befriedigend. Zum Glück sind die Fälle nie so simpel konstruiert, dass irgendwer irgendwen ermordet hat, nur weil es mal eine Meinungsverschiedenheit gab oder weil er in Wirklichkeit der geheime Vetter dritten Grades mit dunklem Geheimnis ist.
Trotzdem war ich nicht mit allen Schlussfolgerungen einverstanden. Die Auflösung gibt stets an, aus welchen Karten sich welche Antwort hätte ergeben sollen und hin und wieder fand ich das nicht so eindeutig, wie es mir das Spiel Glauben machen wollte.
SHERLOCK ist kein präzises Rätselspiel wie EXIT. Die Lösung der Fälle erfordert oft auch kreatives Denken und geht teilweise in die Richtung der BLACK STORIES. Mit wachsender Erfahrung komme ich damit – wie ich bei den drei neuen Fällen feststellen durfte – immer besser zurecht.
Allerdings befinde ich mich wie auch meine Spielrunden in einer Luxussituation: Wenn ein Fall nicht so gefällt, wenn man völlig neben der Spur ist oder falsch abgeworfen hat, ist das halb so wild, denn es liegt ja gleich der nächste Fall zum Ausprobieren da. Ich glaube, dass eine Einstiegsbox mit mehreren Fällen besser gewesen wäre, um Menschen an die Art des Spiels heranzuführen. Weil aus der Anleitung allein noch nicht zu entnehmen ist, was das Spiel eigentlich von einem will, muss man für diese Erkenntnis einen Fall komplett spielen – und dann ist er gespielt und hat sich als reine Lernpartie verbraucht.
Die drei neuen Fälle gefallen mir allesamt, wenn auch allesamt mit Abstrichen. DER PATE fiel meiner Gruppe eher zu leicht. Auch 13 GEISELN war für uns nicht so schwer, wie es dessen Einstufung in die höchste Kategorie hätte befürchten lassen; nur einen vermeintlichen Beweis fand ich nicht sonderlich schlüssig. DAS LABOR habe ich als am interessantesten erlebt, auch wenn mir die Geschichte ziemlich unrealistisch vorkam.
Vielleicht ist es am Ende Geschmackssache: Ein EXIT-Fall fühlt sich für mich üblicherweise runder und einleuchtender an als ein SHERLOCK-Fall. Deshalb und obwohl ich es sehr gelungen und erstaunlich finde, wie SHERLOCK aus wenig viel macht und mit so geringen Mitteln zum Denken und zu Diskussionen anregt, geht es für mich im Durchschnitt nicht über „solide“ hinaus.


**** solide

SHERLOCK von Josep Izquierdo und Marti Lucas (und bei DER PATE Jesus Otero) für eine*n bis acht Spieler*innen, Abacusspiele.