Sonntag, 30. Juni 2013

Gern gespielt im Juni 2013

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

HANABI: Ich glaube, nach 100 Partien kann man seine Note getrost von 9 auf 10 anheben.

POTATO MAN: Evil Potato zu Potato Man: „Isch mach dich Kartoffelbrei!“ – Potato Man: „Haha!“

TOP 5 RUMMY: Bewegt sich auf Augenhöhe mit RONDO und hätte eigentlich auch so heißen können.

DOMINION – DARK AGES: Ist wie ein Doppelalbum, in das man sich lange reinhören muss. Sehr viel neue Musik auf einmal.

AGRICOLA – NL-DECK und BELGIEN-DECK: Sorry, Belgien: Niederlande spielt nicht nur den besseren Fußball, sondern auch das bessere AGRICOLA.

DIE BURGEN VON BURGUND: Ich bin voll benachteiligt, weil ich die Mini-Erweiterung mit den vier Zusatzplättchen nicht habe. Denn genau diese Teile hätten mir mehrfach zum Sieg verhelfen können. Ganz bestimmt.


Mittwoch, 26. Juni 2013

Spielejahrgang 2012/13:
Was meine Mitspieler gerne spielen (2)

1. STILLE POST – EXTREM
***** reizvoll

2. TZOLK’IN
****** außerordentlich

3. TERRA MYSTICA
***** reizvoll

4. MAKE’N’BREAK PARTY
*** mäßig


5. HANABI
******* genial


6. BORA BORA
****** außerordentlich


7. LA BOCA
**** solide

8. QWIXX
***** reizvoll

9. RIALTO
***** reizvoll

10. KEYFLOWER
****** außerordentlich




Meine Mitspieler sind extrem privilegiert. Sie dürfen nicht nur viele neue Spiele mit mir spielen. Obendrein dürfen sie die Spiele sogar mit Noten von 1 bis 10 versehen. Und dies beides auch noch vollkommen kostenlos!
Bin ich etwa ein Gutmensch? Na klar. Und ein bisschen auch ein Vampir. Wenn ich spiele, muss es sich für mich lohnen. Und der Begriff „lohnen“ umfasst zwar auch, dass ich eine angenehme Zeit mit netten Menschen verbringe. Die Hauptbedeutung von „lohnen“ aber ist, dass ich eines Tages eine Rezension über die gespielten Spiele schreiben möchte.

Eine bloße Notensammlung ergibt nun noch keine Rezension (ein entsprechendes Computerprogramm hat zu meinem Leidwesen bislang niemand entwickelt), doch die Noten helfen mir, meine bisherigen Einschätzungen zu überprüfen und nötigenfalls zu hinterfragen.
Insbesondere bei größeren Spieletreffen kann ich im Gegensatz zum amerikanischen Geheimdienst nicht an allen Tischen dabei sein und kriege so manches Feedback nicht mit. Um möglichst wenig Resonanz ungenutzt verpuffen zu lassen, dienen mir die Noten als eine Art Kürzestfeedback.

Die in dieser Statistik erfassten Bewertungen stammen aus den vergangenen neun Monaten. Neuheiten aus dem zweiten Halbjahr 2012 konnten im Regelfall häufiger gespielt werden als Neuheiten aus dem ersten Halbjahr 2013. Dennoch sind auch alle drei Spiele, die es 2013 neu in diese Top 10 geschafft haben (BORA BORA, LA BOCA und RIALTO) von so vielen verschiedenen Spielern bewertet worden, dass ich das Ergebnis als einigermaßen aussagekräftig ansehe. Das von den zehn Spielen insgesamt am seltensten benotete ist BORA BORA mit 20 Bewertungen. Spitzenreiter ist HANABI mit 132 Versuchskaninchen.

Die Durchschnittsnoten innerhalb der Top 10 reichen von 8,0 (STILLE POST - EXTREM) bis 7,2 (QWIXX, RIALTO und KEYFLOWER). Wer – anders als ich – DER HEIDELBÄR als Neuheit ansieht, muss sich die Tabelle mit folgender Einfügung vorstellen:

5. DER HEIDELBÄR
****** außerordentlich




Wie schon bei der Halbzeitwertung im Februar fällt auf: Zwischen den Freakspielen und den Spielen mit leichtem Einstieg existiert in der Top 10 meiner Mitspieler kaum ein Gewichtsklassen-Mittelfeld. Vielleicht ist das auch dem aktuellen Jahrgang geschuldet, der seine Stärken in den Extrembereichen hat.
Ach so, und natürlich konnte ich mir nicht verkneifen, unter jedes Spiel auch noch meine Wertung zu setzen. Gedacht ist dies als Service für all jene Leser, die gerne wissen wollen, wie gut die gelisteten Spiele tatsächlich sind. Als Gutmensch liegt mir das Helfen einfach im Blut.

Sonntag, 23. Juni 2013

We will wok you

„We will, we will rock you!“ singt Freddie Mercury. Und dann noch mal: „We will, we will rock you!“ Und dann noch mal: „We will, we will rock you!“ Und dann noch mal. Und ich denke: „Ja, und...? Wann fangt ihr denn endlich damit an?“ Doch Freddies Hymne bleibt ein leeres Versprechen. Gerockt wird da gar nichts, auch wenn alle Queen-Fans, mit denen ich das bereits diskutiert habe, die Sache aus unerfindlichen Gründen anders sehen.

Wie geht WE WILL WOK YOU? Das Woken geschieht hier ebenfalls nur in der Phantasie. Aber immerhin werden schon mal die Zutaten dafür eingesammelt. Sie punkten am Schluss – falls der Spieler passende Rezepte besitzt. Beispielsweise verlangt ein Rezept vier Karotten und drei Thunfische und schüttet für jede dieser Kombinationen 20 Punkte aus. Ein anderes Rezept bringt pro eingesetzte Möhre einen, pro Huhni zwei Punkte.
Der Clou ist, wie man an Rezepte und Zutaten herankommt: Zutaten liegen paar- und drillingsweise aus, daneben jeweils eine Reihe Münzkarten. Die Zahl der Münzen zeigt an, wie viel ein Zutaten-Set kostet. Wer am Zug ist, kauft und fügt seine Münzen hinzu. Oder er kauft nicht und nimmt eine der Münzen auf die Hand, wodurch der Preis sinkt.
Die Zutaten tragen überdies Symbole. Wer vier gleiche Symbole beisammen hat, darf die entsprechenden Zutaten ausspielen und eins von (bei vier Spielern) 18 Rezepten wählen. Die Zutaten sind damit nicht verloren; jede darf aber nur einmal für diesen Zweck verwendet werden.

Was passiert? Der Geldmechanismus gefällt sofort. Er ist einfach und äußerst elegant. Vergleichsweise schwerer fällt es dann, den Überblick über die wachsende Zahl ausgespielter und noch auf der Hand befindlicher Zutaten zu behalten und zielgerichtet Rezepte auszuwählen. Anfänger neigen dazu, zu viel zu wollen und sich dabei zu verzetteln.
Die Doppelfunktion der Karten macht die Kauf-Entscheidungen recht komplex. Zumindest theoretisch. Nachdem man aber mal für ein Kartenpaket Münzen rausgehauen hat, ist man zwangsläufig eine Weile mit Geldsammeln beschäftigt und muss gar nichts entscheiden. Letztendlich gehört Glück dazu, ob im passenden Moment eine passende Reihe zu einem bezahlbaren Preis daliegt oder nicht.
Am spannendsten finde ich das Zocken um die Rezepte. Begehrt sind zunächst diejenigen, die einen festen Punktwert ohne Zutateneinsatz zählen oder den Koch noch nicht allzu sehr auf bestimmte Kombinationen festlegen. Doch wie lange kann man dasjenige Rezept liegen lassen, das eigentlich am besten mit den bisher gesammelten Zutaten harmoniert? Besteht die Gefahr, dass noch jemand diese Karte anpeilt? Und kriegt man überhaupt noch eine weitere Vierer-Symbol-Kombination zusammen?

Was taugt es? Auch wenn es lustig aussieht, ist WE WILL WOK YOU nicht unbedingt das, was man unter einem typisch lustigen Kartenspiel versteht. Taktieren, Spekulieren, Haushalten und Berechnen sind die vorherrschenden Spielerhandlungen.
Die Abläufe sind sauber komponiert. Das erkenne ich gerne an, und die Frage lautet nun, warum diese Anerkennung nicht in Begeisterung mündet. Nach meinem Empfinden liegt es am Widerspruch zwischen gefühlter Überinformation einerseits und gefühlter Handlungseinschränkung andererseits. So hat WE WILL WOK YOU sowohl was von einem Schwer- als auch von einem Leichtgewicht, bedient aber letztlich weder die Zielgruppe des einen noch des anderen.

WE WILL WOK YOU von Sebastian Bleasdale für zwei bis vier Spieler, Pegasus Spiele.

Samstag, 15. Juni 2013

Suburbia

Ein kleiner Vorgriff auf meine Serie „Vor 20 Jahren“: Im Oktober 2020 werde ich zu berichten haben, wie ich 20 Jahre zuvor in Essen mit drei Fremden erstmals CARCASSONNE spielte. Alle vier fanden wir es „na ja, ganz nett“. Von der im späteren Verlauf der Messe bereits erkennbaren Begeisterungswelle für das Spiel wurde ich deshalb überrascht. Meine drei Mitstreiter vermutlich ebenso.
In ähnlicher Weise irritieren mich nun die 303 (oder sagen wir 302, denn eine stammt vom Autor selbst) Wertungen auf boardgamegeek mit 9 bis 10 Punkten (von 10 möglichen) für SUBURBIA.

Wie geht SUBURBIA? Wie CARCASSONNE handelt es sich um ein Legespiel. Jeder baut seine eigene Stadt. Wer am Zug ist, kauft ein Plättchen und legt es bei sich an. Drei Standardplättchen plus sieben wechselnde stehen zur Auswahl. Plättchen, die neu in den Markt gekommen sind, kosten Aufschlag.
Das gelegte Plättchen kann Einwohnerzahl oder Bargeld sofort erhöhen. Oder es wirkt sich längerfristig aus und verändert das Bevölkerungswachstum oder Einkommen pro Runde. Die Effekte hängen auch davon ab, wie das Plättchen platziert ist. Beispielsweise addiert der „Parkplatz“ generell eins zum Einkommen sowie nochmals eins pro angrenzendem (schwarzen) Behörden- oder (blauen) Gewerbe-Plättchen.
Gewinner ist der Spieler mit den meisten Einwohnern. Es gibt allerdings eine starke Bremse: Sobald die Bevölkerung bestimmte Marken überschreitet, senkt dies sowohl Einkommen als auch Wachstum.
Wenn im Nachfüllstapel das Ende-Plättchen auftaucht, läuft die vorletzte Runde. Fette Bevölkerungs-Boni bei Spielende bringen die für alle Spieler geltenden, offen ausliegenden Ziele (beispielsweise die wenigsten Industrie-Plättchen haben) sowie ein geheimes persönliches Ziel. Weil es 20 Ziele gibt und maximal zwei Drittel der Stadtplättchen ins Spiel kommen, laufen die Partien unterschiedlich.

Was passiert? Das Startkapital ist ziemlich schnell verpulvert. Es zeigt sich, dass den Strategietipps der Spielregel Folge zu leisten ist: „Bei Spielbeginn ist es wichtig, für stetiges Einkommen zu sorgen“ und „Es ist riskant, früh im Spiel eine hohe Bevölkerung anzusammeln.“ In demselben Maße wirken die Ziele kanalisierend. Die Boni sind so hoch, dass man sie nicht ignorieren und kampflos den anderen Spielern überlassen darf.
SUBURBIA ist somit kein Spiel der vielschichtigen Strategien. Die Ziele und die zufällig in den Markt kommenden Plättchen geben die sinnvollen Möglichkeiten vor. Zur Taktik gehört es dann, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um von Geld auf Einwohner umzuschwenken und zu erkennen, wann auch mal destruktiv gespielt werden und dem Mitspieler ein bestimmtes Teil weggeschnappt werden muss, selbst wenn dies Geld kostet.
Immerhin spielt sich SUBURBIA recht unterhaltsam. Je nach Zielvorgabe ergeben sich stets andere, teilweise extreme Stadtbilder. Die thematisch gelungenen Verknüpfungen (eine „Müllkippe“ senkt den Wohnwert nebenan, aber was soll’s, sie bringt Einkommen) befeuern das Geblödel am Tisch.
Am Anfang denkt man noch, es sei kompliziert, die ganzen Wechselwirkungen aller Plättchen stets im Blick zu behalten. Tatsächlich klappt das aber recht schnell. Als Stilbruch empfinde ich lediglich die Verdopplungsmarker, mit denen man gegen erneute Zahlung der Baugebühr ein Plättchen am selben Ort klont. Wo eine Müllkippe war, sind plötzlich zwei. Alle Auswirkungen verdoppeln sich.

Was taugt es? SUBURBIA ist ein angenehm zu spielendes Legespiel, das sich thematisch heraushebt. Die Ziele und die in den Markt kommenden Plättchen determinieren die Spieler allerdings spürbar. Auch können unspannende Monster-Kombinationen entstehen, wenn zu viele Gebäude auftauchen, deren Boni sich gegenseitig hochschaukeln.

SUBURBIA von Ted Alspach für einen bis vier Spieler, Lookout Spiele.

Dienstag, 11. Juni 2013

Vor 20 Jahren (6): Spiel des Jahres

1993 wurde BLUFF Spiel des Jahres. Völlig überraschend. Denn ich in meinem kleinen Kämmerlein hatte mir etwas anderes ausgemalt. Eines Tages (es muss kurz nach dem in der vorigen Folge erwähnten TUTANCHAMUN-Endlosschleifen-Abend mit Karen und Guido gewesen sein) nahm ich die Auswahlliste scharf ins Visier und kam auf den einzig logischen Gewinner.
Stolz über meine Erkenntnisse spazierte ich in den Spieleladen Am Schwarzen Bären und fragte erleuchtet in die versammelte Runde: „Hey, wie schätzt ihr eigentlich die Chancen ein, dass TUTANCHAMUN Spiel des Jahres wird?“ – „Höhö“, tönte es mir hämisch entgegen: „Gleich null!“ Denn was ich nicht wusste: Just an diesem Tag war der Siegertitel bekannt gegeben worden.

Vor zwanzig Jahren gab es noch keine Nominierten. Theoretisch war also jedes Spiel der Auswahlliste im Rennen. Und 1993 waren auserwählt: BLUFF, MODERN ART, PUSHER, QUARTO!, RHEINGOLD, SPIEL DER TÜRME, TUTANCHAMUN, ZATRE. Aus eigener Anschauung kannte ich davon exakt die Hälfte (BLUFF übrigens nicht). Über den Rest hatte ich in Spielezeitschriften gelesen. Um mitzureden war das vollkommen ausreichend. Denn wären die mir unbekannten Spiele tatsächlich gut, würde ich sie ja kennen! Quod erat demonstrandum.

Seit 1990 hatte ich angefangen, mir über ein mögliches Spiel des Jahres Gedanken zu machen. Das Interesse begann in dem Moment, als ich zumindest einige der zur Wahl stehenden Spiele schon vorher kannte. Ganz automatisch passiert dann dies: Man hat seinen Liebling und drückt ihm die Daumen.
Bei mir war das 1990 ganz klar ADEL VERPFLICHTET. Das liebte ich heiß und innig. Und es gewann. 1991 war es DRUNTER & DRÜBER. Und es gewann auch. 1992 hatte ich ausnahmsweise keine Vorliebe. Die Jury hatte meinerseits also einen Freifahrtschein und hätte daraufhin im Gegenzug 1993 doch gerne mal wieder meine Wünsche berücksichtigen dürfen. – Aber Pustekuchen!

Das dachten wohl auch andere. In dieser Zeit ging es los mit den Verschwörungstheorien, Reiner Knizia würde niemals das Spiel des Jahres gewinnen. Viele in der Fachpresse hatten MODERN ART als ihren Favoriten auserkoren. Und wenn der eigene Favorit nicht gewinnt, liegt der Verdacht einer Verschwörung generell nahe.
Wenn ich mir heute MODERN ART als Spiel des Jahres ausmale, glaube ich allerdings nicht, dass es ein idealer Preisträger gewesen wäre. Selbst in meinen Kennerrunden blieb so manchem verschlossen, wie man die Versteigerungen zum eigenen Nutzen gestaltet und nicht nur andere Spieler reich macht. Doch dazu ein anderes Mal. Denn wie schon vormals erwähnt, muss ich mir meinen kargen Stoff klug einteilen.


Teil 5: Tutanchamun
Teil 7: Bluff

Freitag, 7. Juni 2013

Myrmes

Hei, das waren lustige Zeiten, als manche Plättchen noch „Kacheln“ hießen. Hihi. Neuerdings heißen sie „Pheromone“, und seitdem ist definitiv Schluss mit lustig. Denn wir sind spielerisch zu Besuch bei den Ameisen. Also ausnahmsweise nicht bei den musischen Tagträumern aus Rom, Sparta oder Ägypten, sondern bei jenem krassen Völkchen, das ich seit Biene Maja als strikt organisiert in Erinnerung habe.
Möglicherweise besitzt Autor Yoann Levet dieselben Quellen wie ich. In seinem MYRMES jedenfalls setzt sich derjenige Ameisenstamm durch, der am gnadenlosesten optimiert.

Wie geht MYRMES? MYRMES ist ein Ausbreitungsspiel. Wenn eine unserer Arbeiterameisen den Bau verlässt, platziert sie draußen ein Plättchen, das unser Territorium absteckt, Siegpunkte zählt und vorübergehend ein Einkommen an Rohstoffen bringt. Die Ameise haucht dabei allerdings ihr Leben aus.
Wesentlicher Planungsmechanismus ist der Einsatz von zunächst drei Ammen. Sie werden zu Rundenbeginn verschiedenen Aktionen zugeordnet, beispielsweise um weitere Ameisen oder Ammen zu produzieren oder um (gegen Ressourcen) die Fähigkeiten des Volkes zu erhöhen. Je besser ein Volk entwickelt ist, desto größere Plättchen darf es platzieren. Das ist ökonomischer, zählt mehr Siegpunkte und bringt mehr Rohstoffe.
Variablen im Spiel sind erstens die wechselnden Ereignisse (sie sind im Voraus bekannt, was Raum zum Taktieren bietet), zweitens die von Partie zu Partie unterschiedlichen Aufgaben. Deren Erfüllung bringt so viele Punkte, dass die Strategie darauf ausgerichtet werden muss.

Was passiert? Ich bin immer wieder überrascht, wie lange die Partien dauern. Denn so viel ereignet sich eigentlich gar nicht. Als besonders heikel erlebe ich die Ammen-Einsetz-Phase. Neun Mal im Spiel muss hier vorab ein kompletter Spielzug unter Berücksichtigung von Einkommen, Ausgaben, Lagerkapazität, Aufgabenerfüllung, aktuellen und zukünftigen Ereignissen durchgerechnet werden. Nur dann lassen sich die Ammen optimal aufstellen. Jeder Fehler wirkt sich entscheidend aus.

Was taugt es? Über die gängige Knobelaufgabe hinaus, eine Mangelwirtschaft halbwegs zum Laufen zu bringen, besteht der interessanteste Aspekt von MYRMES darin, den richtigen Zeitpunkt für das Erfüllen von Aufgaben zu erwischen. Jede Aufgabe kostet eine Amme und oft weitere wichtige Ressourcen; sie wirft einen also zurück. Doch für jeden Spieler, der dieselbe Aufgabe später erfüllt, erhalten die Schnelleren einen Punkte-Nachschlag. Das verlockt trotz der Verluste.
Auch wenn MYRMES thematisch ungewöhnlich daherkommt und die Kombination aus Arbeiter-Einsatz und (bisweilen aggressiver) Ausbreitung untypisch ist, fühlt es sich nur wenig neu an. Optimierung allein bedeutet für mich noch keinen Spielreiz. Sicher: Die Elemente sind gut abgestimmt, das Spielgeschehen ist anspruchsvoll, über mehrere Partien hinweg zeigt sich eine klare Lernkurve. Doch gibt es von dieser Art bereits so viele Spiele, dass es auf eins mehr nicht mehr ankommt.
Noch ein Satz zur Spielregel: Ich habe den Eindruck, dass die deutschen Verlage hier im Durchschnitt ein bis zwei Schritte voraus sind. Von Ystari kriegen wir eine leseunfreundliche Bleiwüste vor den Latz geknallt. Hat man MYRMES dennoch verstanden, bietet die Symbolik der Spielertableaus immerhin gute Merkhilfen.

MYRMES von Yoann Levet für zwei bis vier Spieler, Ystari.