Ein kleiner Vorgriff auf meine Serie „Vor 20 Jahren“: Im Oktober 2020 werde ich zu berichten haben, wie ich 20 Jahre zuvor in Essen mit drei Fremden erstmals CARCASSONNE spielte. Alle vier fanden wir es „na ja, ganz nett“. Von der im späteren Verlauf der Messe bereits erkennbaren Begeisterungswelle für das Spiel wurde ich deshalb überrascht. Meine drei Mitstreiter vermutlich ebenso.
In ähnlicher Weise irritieren mich nun die 303 (oder sagen wir 302, denn eine stammt vom Autor selbst) Wertungen auf boardgamegeek mit 9 bis 10 Punkten (von 10 möglichen) für SUBURBIA.
Wie geht SUBURBIA? Wie CARCASSONNE handelt es sich um ein Legespiel. Jeder baut seine eigene Stadt. Wer am Zug ist, kauft ein Plättchen und legt es bei sich an. Drei Standardplättchen plus sieben wechselnde stehen zur Auswahl. Plättchen, die neu in den Markt gekommen sind, kosten Aufschlag.
Das gelegte Plättchen kann Einwohnerzahl oder Bargeld sofort erhöhen. Oder es wirkt sich längerfristig aus und verändert das Bevölkerungswachstum oder Einkommen pro Runde. Die Effekte hängen auch davon ab, wie das Plättchen platziert ist. Beispielsweise addiert der „Parkplatz“ generell eins zum Einkommen sowie nochmals eins pro angrenzendem (schwarzen) Behörden- oder (blauen) Gewerbe-Plättchen.
Gewinner ist der Spieler mit den meisten Einwohnern. Es gibt allerdings eine starke Bremse: Sobald die Bevölkerung bestimmte Marken überschreitet, senkt dies sowohl Einkommen als auch Wachstum.
Wenn im Nachfüllstapel das Ende-Plättchen auftaucht, läuft die vorletzte Runde. Fette Bevölkerungs-Boni bei Spielende bringen die für alle Spieler geltenden, offen ausliegenden Ziele (beispielsweise die wenigsten Industrie-Plättchen haben) sowie ein geheimes persönliches Ziel. Weil es 20 Ziele gibt und maximal zwei Drittel der Stadtplättchen ins Spiel kommen, laufen die Partien unterschiedlich.
Was passiert? Das Startkapital ist ziemlich schnell verpulvert. Es zeigt sich, dass den Strategietipps der Spielregel Folge zu leisten ist: „Bei Spielbeginn ist es wichtig, für stetiges Einkommen zu sorgen“ und „Es ist riskant, früh im Spiel eine hohe Bevölkerung anzusammeln.“ In demselben Maße wirken die Ziele kanalisierend. Die Boni sind so hoch, dass man sie nicht ignorieren und kampflos den anderen Spielern überlassen darf.
SUBURBIA ist somit kein Spiel der vielschichtigen Strategien. Die Ziele und die zufällig in den Markt kommenden Plättchen geben die sinnvollen Möglichkeiten vor. Zur Taktik gehört es dann, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um von Geld auf Einwohner umzuschwenken und zu erkennen, wann auch mal destruktiv gespielt werden und dem Mitspieler ein bestimmtes Teil weggeschnappt werden muss, selbst wenn dies Geld kostet.
Immerhin spielt sich SUBURBIA recht unterhaltsam. Je nach Zielvorgabe ergeben sich stets andere, teilweise extreme Stadtbilder. Die thematisch gelungenen Verknüpfungen (eine „Müllkippe“ senkt den Wohnwert nebenan, aber was soll’s, sie bringt Einkommen) befeuern das Geblödel am Tisch.
Am Anfang denkt man noch, es sei kompliziert, die ganzen Wechselwirkungen aller Plättchen stets im Blick zu behalten. Tatsächlich klappt das aber recht schnell. Als Stilbruch empfinde ich lediglich die Verdopplungsmarker, mit denen man gegen erneute Zahlung der Baugebühr ein Plättchen am selben Ort klont. Wo eine Müllkippe war, sind plötzlich zwei. Alle Auswirkungen verdoppeln sich.
Was taugt es? SUBURBIA ist ein angenehm zu spielendes Legespiel, das sich thematisch heraushebt. Die Ziele und die in den Markt kommenden Plättchen determinieren die Spieler allerdings spürbar. Auch können unspannende Monster-Kombinationen entstehen, wenn zu viele Gebäude auftauchen, deren Boni sich gegenseitig hochschaukeln.
SUBURBIA von Ted Alspach für einen bis vier Spieler, Lookout Spiele.