Zwölf Züge dauert AUF DEN WEGEN VON DARWIN, und man denkt, das sei schon krass reduziert, da kommt DIE WEISSE BURG und unterbietet es mit neun. Man staunt: Wow! Aber natürlich gab es das alles längst. Beim Schach kann ich mich in nur zwei Zügen mattsetzen lassen. Das ist das „königliche Spiel“!
Wie geht DIE WEISSE BURG? Wir platzieren Würfel, um damit Aktionen auszuführen. Irgendwer hat zu Rundenbeginn alle Würfel geworfen. Aus diesem Vorrat bedienen wir uns. Würfel gibt es in Rot, Schwarz und Weiß. Bei manchen Einsetzfeldern ist die Farbe des Würfels vorgegeben. Bei den meisten Einsetzfeldern bestimmt die Farbe des Würfels, welche Aktion ich ausführen darf. Die Augenzahl des Würfels besagt, ob ich beim Einsetzen Geld erhalte oder Geld zahlen muss.
Je mehr meiner Figuren ich aufs Brett bringe, desto mehr Punkte erhalte ich in der Schlusswertung. Figuren platzieren zu dürfen, erfordert allerdings nicht nur die passende Aktion, sondern kostet auch Rohstoffe. Gleichzeitig wertet es aber drei Aktionsfelder auf meinem Tableau auf: Je mehr Figuren ich einsetzen kann, desto stärker werden diese Aktionen.
Drei Arten Figuren gibt es: Krieger, Höflinge und Gärtner. Krieger lösen Sofortaktionen aus und gewinnen Punkte für die Anzahl meiner eingesetzten Höflinge. Höflinge können innerhalb der Burg aufsteigen. Dabei erhalten sie einen Sofortbonus, außerdem erwerben sie eine Karte, die – verkürzt gesagt – Aktionen auf meinem Tableau verändert und verbessert. Höflinge in höheren Positionen zählen mehr Punkte als niedere Höflinge.
Und schließlich die Gärtner: Sie zählen einen festen Punktwert, der mit den Rohstoffkosten fürs Einsetzen korreliert. Auch Gärtner bekommen eine Sofortaktion. Und bei Rundenende (nach drei Zügen) dürfen sie diese Aktion noch einmal ausführen, wenn die Würfel einer bestimmten Würfelfarbe nicht aufgebraucht wurden. Einen Gärtner zu platzieren, ist also wie eine Wette auf den Verlauf der Spielrunde. Wobei gehäuft kleine Augenzahlen bei einer Farbe ein ganz guter Indikator sind.
Was passiert? Ich muss mit meinem Geld haushalten, ich brauche immer wieder Rohstoffe, und ich versuche möglichst oft, mit dem gewählten Würfel nicht nur Einnahmen zu erzielen, sondern obendrein eine Figur zu platzieren. Und noch besser natürlich so, dass Kettenzüge entstehen und ich durch das Platzieren einer Figur eine weitere Figur entsenden darf.
Wenn ein Höfling eine der Karten aus der Burg nimmt, wird eine andere vom Stapel nachgelegt. Dadurch verändern sich während der Partie die Aktionsmöglichkeiten auf dem Spielplan, und es existieren mal mehr oder mal weniger Möglichkeiten, um eine bestimmte Figurensorte ins Spiel zu bringen. Ohnehin ist DIE WEISSE BURG variabel angelegt. Der Spielaufbau wird jedes Mal ein bisschen anders sein.
Was taugt es? DIE WEISSE BURG ist ein Optimierungsspiel, in dem es darum geht, neunmal den bestmöglichen Zug zu finden. Dass sich die Auslage durch Aktionen meiner Mitspieler:innen ändert, ist zwar eine Form von Interaktion, jedoch eher die chaotische, zufällige Form, die mich möglicherweise zwingt, einen Zug komplett neu zu durchdenken, weil der ursprüngliche Plan nicht mehr funktioniert.
Es ist ein sehr kompaktes, fast schon minimalistisches Spiel. Kettenzüge dehnen sich nicht ins Unendliche, und mittels der Symbole ist alles schlüssig erklärt. Wenn alle die Regeln beherrschen, kann DIE WEISSE BURG auch zu viert in etwas über einer Stunde gespielt sein, was sich verglichen mit anderen Spielen ähnlicher Komplexität kurz anfühlt – ohne dass dafür Tiefe geopfert wird. (Na gut, mit grübelnden Mitspieler:innen kann es auch locker über zwei Stunden hinausgehen, und dann fühlt es sich natürlich nicht mehr kurz an.)
Obwohl ich anerkenne, dass das Spiel gekonnt konstruiert ist, gehört es doch zu einer Art Spiel, die mich nicht mehr sonderlich lockt. Es ist einerseits kein neuer, augenfällig origineller Mechanismus da, mit dem ich herumspielen und den ich ausloten wollen würde. Und zweitens steckt kein Leben drin. DIE WEISSE BURG ist eine komplexe Verzahnung irgendwelcher abstrakter Mechanismen, die am Ende auf irgendeine Weise Punkte generieren. Sich in der Symbolwelt zurechtzufinden, ist wie Vokabellernen. Das vermeintliche Thema unterstützt die Abläufe nicht.
Es gibt sicher Fans dieser Spielegattung, die versuchen werden, noch mehr Figuren aufzustellen und noch mehr Punkte herauszuholen. Und für solche Optimierer:innen, die die Ästhetik einer gut verzahnten Spielmaschine genießen, ist DIE WEISSE BURG ein gutes Spiel, weil es sauber auf den Punkt kommt. Wie gesagt, gehöre ich nicht zu dieser Fangruppe. Wenn ich über den Spielspaß einer Partie nur berichten kann „Wir haben ganz viel getüftelt und gerechnet“, dann ist mir das angesichts der Konkurrenz auch erzählerisch stärkerer Expert:innenspiele mittlerweile zu wenig.
**** solide
DIE WEISSE BURG von Sheila Santos und Isra Cendrero für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.
2 Kommentare:
"Und zweitens steckt kein Leben drin. ...Sich in der Symbolwelt zurechtzufinden, ist wie Vokabellernen. Das vermeintliche Thema unterstützt die Abläufe nicht."
Danke... ich hab das ähnlich dröge empfunden. Endlich mal jemand, der die Schwachpunkte benennt. Ich dachte schon, es läge wirklich nur an mir.
Also bei uns hat es gefruchtet. Natürlich muss man einmal die Symbole lernen, aber bei welchem Spiel muss man das heute nicht. Wir fanden die weiße Burg sehr schön und feuen uns sehr darüber das unsere Freunde es haben und wie es ab und an spielen können. Selbst haben wir den Platz aktuell nicht wobei es mind. eine 8 ist. Vielleicht auch höher da der wiederspielreiz sehr hoch ist.
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