Montag, 19. Dezember 2011

Der Letzte Wille

Liebe Millionäre unter meinen Lesern, sicherlich habt ihr euch für 2012 vorgenommen, Gutes zu tun. Und das ist gar nicht so schwer, wie man denkt: Nehmt einfach ein Blatt Papier und einen Stift und setzt ein kurzes, nettes Testament auf, in dem ihr mich zu eurem Universalerben bestimmt.
Aber wehe, ihr verknüpft das mit irgendwelchen idiotischen Bedingungen! Ich will weder eure 101 Dalmatiner in Pflege nehmen, noch mit anderen potenziellen Erben einen Wettbewerb austragen. Einfach Geld her und keine weiteren Fragen. Danke!

Wie geht DER LETZTE WILLE? Nicht so, wie eben beschrieben. Man muss nämlich doch mit anderen potenziellen Erben in einen Wettbewerb treten. Jeder bekommt dasselbe Startkapital, und wer es am schnellsten verjubelt, ist der wahre Erbe und Gewinner des Spiels.
Entsetzlicherweise darf man das Geld nicht einfach verbrennen, vergraben oder verschenken. Es muss mit Stil ausgegeben werden, und dafür gelten Regeln. Die Vorgaben finden sich auf Karten wieder. Es gibt Einmal-Karten wie etwa die „Bootsfahrt“, die beim Ausspielen Geld kostet und dann verbraucht ist. Es gibt Permanent-Karten, die Platz auf dem eigenen Spieltableau benötigen, in der Folge aber jedes Mal wieder zum Geldverprassen zur Verfügung stehen. Es gibt Immobilien-Karten, die man kauft, verrotten lässt und mit Verlust wieder abstößt. Und es gibt Gefährten-Karten, mit denen man andere Ausgabeposten kombinieren und so die Kosten in die Höhe treiben kann. Eine Bootstour mit der Herzdame ist ruinöser als eine Bootstour allein. Ein Restaurant-Abo kostet extra, wenn der Leibkoch mitkommen soll.
Karten zu nutzen oder aufs eigene Tableau zu legen kostet Aktionen. Und Aktionen muss man sich erst verdienen. Wie viele man bekommt, stellt sich zu Beginn jeder Runde heraus. Die Spieler legen mit einem einzigen Spielstein fest: in welcher Reihenfolge sie agieren, wie viele Karten sie verdeckt vom Stapel ziehen, wie viele sie aus der offenen Auslage bekommen und wie viele Aktionen ihnen zur Verfügung stehen.

Was passiert? DER LETZTE WILLE ist ein Optimier-Spiel. Es geht darum, mit möglichst wenig Aktions-Aufwand möglichst viel Geld zu verprassen. Der Aufbau der eigenen Auslage kann langfristig angelegt sein und zunächst vor allem viele Aktionen verbrauchen, um schließlich, wenn die Maschine läuft, umso mehr Verlust zu erwirtschaften. Entscheidend ist, dass die Karten auf dem eigenen Tableau harmonieren und ihre Effekte einander verstärken.
Zwei Dinge gefallen mir dabei nicht: 1. Ich bin generell kein Fan davon, dass sich verschiedenste Aspekte in einem einzigen Spielzug verdichten. Im ersten Zug soll ich mich hier auf die Zahl meiner Aktionen festlegen, obwohl ich noch gar nicht weiß, welche Karten mir später zur Verfügung stehen werden. Das provoziert unnötige Grübelei und unnötige Fehlplanung. 2. Das Spiel enthält zu viele Details. Die Symbolik ist extrem umfangreich und ich bezweifle, dass sämtliche der vorhandenen Effekte entscheidend für den Spielspaß sind. Weil es so viele Elemente gibt, kann man viele Karten gerade nicht gebrauchen. Damit man dennoch Brauchbares erhält, setzt DER LETZTE WILLE einen hohen Kartendurchsatz in Gang. Es wird viel gezogen und viel wieder abgeworfen, und das ist unnötig unelegant.

Was taugt es? Bei der Regelerklärung müssen Mitspieler noch lachen. Die Karten sind toll gestaltet und die möglichen Kombinationen von Gefährten mit Aktivitäten sind amüsant. Beim Spielen lacht dann aber keiner mehr. Das Thema verliert sich in den Mechanismen, und man könnte mit denselben Regeln auch ein Wirtschaftsspiel spielen, bei dem das Geld nicht ausgegeben, sondern eingenommen wird. Übrig bleiben das Karten-Kombinieren und das Spielzüge-Optimieren, aber beides gibt es in anderen Spielen interessanter und besser.
Oft vereinfachen Spiele die Realität. Hier ist es umgekehrt, und das fühlt sich seltsam an. Wäre Geld-Ausgeben in Wirklichkeit so kompliziert wie in diesem Spiel, fiele Sparen viel leichter.

DER LETZTE WILLE von Vladimir Suchy für zwei bis fünf Spieler, Heidelberger Spieleverlag / Czech Games Edition.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also wir haben viel gelacht. Mit Deiner Meinung dürftet Ihr so ziemlich alleine da stehen. Gruß Markus

Anonym hat gesagt…

Kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Wir fanden es auch nach mehreren Partien klasse...
Gruß Tom

Daniel hat gesagt…

Udo, du sprichst mir aus der Seele. Ich hatte das Gefühl: Alles prima ausbaldowert, die "Mathematik" stimmt, etc. pp - aber ich kam und kam nicht rein. Der eine Setzstein ist zu gewaltig als Entscheidung und das Thema vollkommen hirnrissig, weil es wohl in der Realität Marktregeln fürs Geldvermehren gibt, aber eben keine zum Geldausgeben. Diese sind im Spiel völlig willkürlich, weswegen ich mir als Spieler schlicht alles einzeln erarbeiten und merken muss. Frust hoch zehn. Wenn man dann sein Geld nicht mal loswerden kann und fertig, sondern seine Immobilien erst verkaufen und wieder Geld reinholen MUSS, bevor das Spiel endet, wird es völlig absurd. Schade irgendwie.

Hendrik hat gesagt…

Mist, hätte mir die Rezension mal durchlesen sollen, bevor ich mir das Spiel geholt habe... Na ja, mal schauen, wie's wirklich ist.

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