Samstag, 23. Februar 2013

Ginkgopolis

Um Krypto ist es still geworden. In MODERN ART war der Meister unverständlicher Gemälde noch der produktivste aller Künstler gewesen. Nach langer Schaffenspause meldet er sich nun eindrucksvoll mit den Sichtschirmen von GINKGOPOLIS zurück.
Okay, um nicht völlig ungerecht zu sein: Wenn man die Symbolik erst mal verstanden hat, dann versteht man sie. Trotzdem nutze ich die Sichtschirm-Grafik aufgrund schlechter Erfahrungen nicht mehr zur Erklärung von GINKGOPOLIS. Zumal es eigentlich gar nicht so viel zu verstehen gibt, und wenn man dieses Wenige erst mal verinnerlicht hat, braucht man auch die Übersichten nicht mehr.
GINKGOPOLIS hat das Problem vieler unthematischen Spiele: Wenig ergibt sich organisch; man muss die Mechanik quasi auswendig lernen. Und weil die Spielregel auch noch seltsame Begriffe einführt (die Pöppel heißen „Ressourcen“; nichts tun nennt sich „planen“), hakt es beim Einstieg gewaltig.

Wie geht GINKGOPOLIS? Angeblich sind wir Architekten der Zukunft, die sich im Jahr 2212 mit Spezialisten umgeben, um auf naturnahe Weise eine moderne Stadt... Wir können das aber auch abkürzen: Es geht um Punkte!
Anfangs besteht die Stadt aus drei mal drei quadratischen Gebäudeplättchen. Drumherum befindet sich Umland (runde Plättchen). Zu jedem Plättchen, ob rund oder quadratisch, gibt es eine Spielkarte. Jeder Spieler bekommt vier, und sie geben mögliche Bauplätze an. Wähle ich Karte B, baue ich, wo das runde Umlandsplättchen B liegt, dehne so die Stadt aus, und Plättchen B wird weiter nach außen verschoben. Spiele ich die rote Drei, überbaue ich das rote Haus mit der Zahl drei, und die Stadt wächst in die Höhe. Um überhaupt bauen zu können, muss ich 1. ein Gebäudeplättchen aus meinem Bestand verwenden, 2. eigene Pöppel auf das neue Gebäude setzen (einen pro Etage). Weil ich das nicht immer kann oder nicht immer will, muss ich manchmal auch aussetzen. Dann bekomme ich neue Plättchen und Pöppel.
Gebäude gibt es in drei Farben. Nebeneinander liegende gleichfarbige Gebäude bilden ein Stadtviertel. In jedem Stadtviertel punkten am Ende die Spieler mit den meisten und zweitmeisten Pöppeln. Darüber hinaus punkten Karten in meiner Auslage. Die gelbe Vierzehn beispielsweise besagt, ich bekomme einen Punkt für jedes meiner Häuser mit maximal zwei Pöppeln drauf.
Doch wie erhalte ich die gelbe Vierzehn? Das geschieht, indem ich das entsprechende Grundstück überbaue. Spiele ich die gelbe Karte zusammen mit beispielsweise dem blauen Plättchen Nummer zwölf (und ein paar Pöppeln), kommt die blaue Zwölf als neue Karte ins Spiel, während die gelbe Vierzehn nicht mehr benötigt wird. Der Bauplatz ist ja verschwunden. Zur Belohnung erhalte ich die Karte.

Was passiert? Von den vier Handkarten wird immer eine gespielt, der Rest an den linken Nachbarn weitergegeben. Jeder zieht eine Karte nach; alle spielen simultan wieder eine und so fort. Dieses System sorgt für eine starke Abhängigkeit von der Situation. Ich kann keine Karten aufsparen; ich sollte auch nicht davon ausgehen, dass eine Karte noch mal wiederkommt. Also versuche ich, den aktuell besten Zug zu machen. Gibt es keinen besten, lohnt vielleicht auch die Überlegung, welche Karte man dem Nachbarn besser nicht vererbt.
Die Entscheidungen bei GINKGOPOLIS sind selten trivial. Oft hakt es irgendwo: zu wenige Pöppel, unpassende Plättchen, falsche Karten. Also vielleicht doch mal eine Runde nichts tun und Vorräte sammeln? Jeder Spieler startet mit unterschiedlichen Boni. Der eine kriegt mehr Belohnungen, wenn er die Stadt ausdehnt. Der andere, wenn er in die Höhe baut. Meist versucht man, diesen Weg beizubehalten, und sich Karten in die Auslage zu holen, die denselben Bonus weiter erhöhen. Auf diese Weise können schöne Maschinen entstehen, so dass man die verbrauchten Materialien nach dem Bauen sofort wieder nachbekommt. Das spart Aussetzer-Züge, aber Punkte gewinnt man allein damit noch nicht.
Ich habe sowohl erfolgreiche Maschinen-Strategien erlebt als auch erfolgreiche Qualitäts-Strategien. Das heißt: Anstatt mittelmäßige Züge zu machen, lieber passen und Material für einen wichtigen Zug ansammeln. Bei knappen Vorräten besteht die Gefahr, dass im Finale genau der eine entscheidende Pöppel fehlt. Das Ende hat in GINKGOPOLIS nämlich Schicksals-Charakter: Wer hat noch Material? Wer muss ausgerechnet jetzt passen? Wer bekommt Karten, mit denen sich etwas anfangen lässt? Und wer wird am Schluss noch überbaut? In letzter Sekunde können Viertel zerteilt oder verbunden werden und Mehrheiten wieder kippen. Bisweilen spielentscheidend.

Was taugt es? Der Aufwand, GINKGOPOLIS zu erlernen, ist recht groß, zumal eine Partie noch nicht ausreicht, um zu verstehen, was man hier eigentlich tut. GINKGOPOLIS ist verzahnt und interaktiv und verfolgt das Prinzip der Überinformation: Nicht nur über die drei Karten, die ich weitergebe, kann ich mir den Kopf zerbrechen. Auch welches meiner Plättchen ich verbaue, will überlegt sein. Denn mit jedem Plättchen kommt eine neue Karte ins Spiel, und deren Eigenschaft kann mir nützen – oder dem Gegner.
Seinen vollen Reiz entfaltet GINKGOPOLIS erst, wenn alle Spieler es beherrschen und endlich in unter einer Stunde spielen können. Dann (und nur dann) ist die Spielzeit mit einer Vielzahl von Entscheidungen gut gefüllt und auch der sehr erhebliche Glücksfaktor wird vertretbar.

GINKGOPOLIS von Xavier Georges für einen bis fünf Spieler, Pearl Games / Heidelberger Spieleverlag.

1 Kommentare:

Alexander hat gesagt…

Also wenn schon Städtebau mit Xavier Georges, dann das zuvor erschienene Tournay. Das ist für mich besser beherschbar und die Interaktion kommt auch vor, als bei seinem Gingkopolis. Die Einstiegshürde liegt hier aber auch wegen der Symbolsprache hoch, aber es lohnt diese zu überwinden.

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