Samstag, 1. Juli 2017

Century – Die Gewürzstraße

Wer hätte das gedacht: Zum Begriff „Gewürzstraße“ existiert kein Eintrag in der deutschen Wikipedia. Das ist eine Zumutung, ein Eingriff in die Pressefreiheit! Mir als Journalist wird es unmöglich gemacht, eine Einleitung zu schreiben.

Wie geht CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE? Wir tauschen und tauschen und tauschen. Einerseits Gewürze gegen Gewürze. Die gespielte Karte bestimmt den Tauschkurs. Beispielsweise drei gelbe Gewürze (Kurkuma) gegen rot (Safran) und grün (Kardamom). Falls ich genügend gelbe Steinchen habe und hergeben möchte, darf ich den Tausch auch mehrfach durchführen. Theoretisch beliebig oft, allerdings kann ich höchstens zehn Gewürze lagern.
Andererseits Gewürze gegen Punktekarten. Eine kostet beispielsweise zwei Safran und drei Kardamom und zählt 13 Punkte. Solche, die links im Markt liegen, bringen obendrein eine Münze und somit Extrapunkte ein. Wird eine Karte genommen, rücken die restlichen nach links.

Pro Spielzug entscheidet man sich für eine der folgenden Möglichkeiten: 1. Handkarte ausspielen und ausführen. Die meisten Karten bewirken einen Tausch. Wenige schütten Gewürze ohne jede Vorbedingung aus.  2. Alle gespielten Handkarten wieder aufnehmen. 3. Punktekarte kaufen. 4. Handkarte kaufen. Stolze zwei Stück besitzt man von Anfang an. Will man nicht zu viele Züge mit Aufnehmen verschwenden, braucht man mehr. Immer sechs Karten liegen im Angebot. Wieder verlockt die ganz linke am meisten. Sie kostet nämlich nichts. Ansonsten gilt: Auf alle Karten links der gewählten Karten muss der Spieler zur Bezahlung eines seiner Gewürze ablegen. Der spätere Käufer dieser Karte erwirbt es dann mit.
CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE endet, sobald einer eine bestimmte Menge Punktekarten besitzt.


Was passiert? Jeder Tausch bringt Wertzuwachs. Solange man nicht völlig wirr spielt, wird man also irgendwann auch Punktekarten kaufen können. Und weil die so austariert sind, dass ihr Wert dem Gewürzeinsatz entspricht, kann man gar nicht viel falsch machen.
Um zu gewinnen, muss man allerdings auch Dinge richtig machen, effektiver als die Konkurrenz. Denn CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE ist ein Wettrennen. Besser als irgendwas zu tauschen ist: gleich mehrfach tauschen. Besser als nach zwei, drei Karten wieder aufnehmen ist: die gesamte Hand runterspielen. Um stets handlungsfähig zu sein, habe ich gern Karten, die niedere Gewürze (gelb, rot) in hochwertige (grün, braun) umwandeln, aber auch solche, die den umgekehrten Weg gehen und wenige grüne / braune zu vielen gelben / roten machen.
Auf dem Kartenmarkt ist anfangs noch viel, später immer weniger Bewegung. Hier sehe ich einen Schwachpunkt des Spiels: Habe ich es in der ersten Spielhälfte verpasst, mir eine gute Hand zusammenzustellen, wird es im stagnierenden Markt immer schwieriger. Ein Spieler, bei dem die Maschinerie erst mal rollt, zieht davon.
CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE ist kein Spiel, bei dem man sonderlich miteinander ins Gespräch kommt. Jeder tauscht vor sich hin. Interaktion entsteht trotzdem, nämlich über die Auslage. Ich muss aufpassen, ob das Spielende droht, um am Schluss nicht auf einem überflüssigen Gewürzberg zu hocken. Ich muss überschlagen, wer in wie vielen Schritten die von mir angepeilte Punktekarte ergattern könnte, um nicht selber den entscheidenden Zug zu spät zu kommen. Ich kann sogar darauf spekulieren, wer welche Karte kaufen wird, und vorausschauend die passende Kombination für die momentan dritte Punktekarte von links ertauschen, weil sie in zwei Zügen vermutlich bis an die vorderste Stelle durchgerutscht ist und dann noch zusätzlich die Goldmünze bringt.
Wird aufmerksam gespielt, verläuft eine Partie wunderbar schnell, geradezu rasant, selbst zu fünft. Meinen nächsten Zug kann ich mir schon vorab überlegen. Dennoch liegen die Entscheidungen nicht vollkommen auf der Hand. Es gibt Abwägungen zwischen gut und ebenfalls gut, ich muss flexibel reagieren: Haben sich auf einer Tauschkarten im Markt drei Kurkuma angesammelt, könnte ich die Karte nur deshalb nehmen, obwohl ich sie vielleicht nie einsetzen werde. Aber warum sollte ich sie jemandem gönnen, der sie gut brauchen kann und obendrein die Gewürze einstreicht?


Was taugt es? Die Karten sind schön gestaltet, doch ansonsten ist CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE komplett auf den klaren, reinen Mechanismus heruntergebrochen. Atmosphäre verströmt das Spiel kaum. Was manchen stört, mich jedoch nicht. Bei einem halbstündigen Tauschrausch zählen für mich die Entscheidungen und die Spannung. Ich staune, was bei extrem schlanken Regeln möglich ist und dass Deckbau auch ohne Kartenmischen funktioniert.


CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE von Emerson Matsuuchi für zwei bis fünf Spieler, Plan B Games.

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