Ach, damals, 1800, die gute alte Zeit, als es noch Einleitungen gab …
Wie geht ANNO 1800? Wie im gleichnamigen PC-Spiel bauen wir während der Industriellen Revolution ein Insel-Imperium auf. Wir starten mit ein paar Produktionsgebäuden und ein bisschen Bevölkerung. Was wir brauchen, ist Wirtschaftswachstum: um a) bessere Waren produzieren zu können und b) mehr und qualifiziertere Arbeitskräfte zu gewinnen. Jeder Bevölkerungsstein, den ich ins Spiel bringe, beschert mir auch eine neue Aufgabenkarte.
Erfüllte Aufgaben bringen den Großteil der Punkte. Beispielsweise verlangt eine Karte, dass ich ein Bier und eine Konserve herstellen soll, wofür ich drei Punkte und ein Extra bekomme. Weil ich vor allem in der Anfangsphase meine Bevölkerung stark vermehre, wächst auf meiner Hand ein Wust von Aufgabenkarten an.
Diese Aufgaben sollte ich filtern und priorisieren. Manche greifen gut ineinander. Manche passen gar nicht zusammen, wären deshalb zu aufwendig und sollten lieber per Austauschaktion abgestoßen werden, bevor ich da zu viele Züge investiere. ANNO 1800 endet, sobald jemand seine kompletten Aufgaben ausgespielt hat. Diese*r Spieler*in hat gute Chancen auf den Sieg. Neben den Aufgaben punkten allerdings noch ein paar andere Errungenschaften; in jeder Partie sind es andere.
Was passiert? Leider konnte ich (aus bekannten Gründen) ANNO 1800 nicht ein einziges Mal mit drei oder mehr Personen spielen. Im Spiel zu zweit sind so viele Gebäude vorhanden, dass jede*r jedes haben kann. Zu dritt geht das nicht mehr, und ich hätte gern erfahren, ob das einen wesentlichen Unterschied bedeutet.
Allerdings ist es auch im Zweierspiel schon nicht die beste Idee, einfach alles zu bauen. Im Gegenteil hofft man in bestimmten Situationen darauf, dass das Gegenüber freundlicherweise ein bestimmtes Gebäude ins Spiel bringt. Denn gegen Bezahlung darf man es nun ebenfalls nutzen, und sofern man es nur eins, zwei Mal benötigt, ist das oft die bessere Variante.
In ANNO 1800 häufen wir keine Waren an. Alles wird zum sofortigen Verbrauch hergestellt. Diese Vereinfachung beschleunigt das Spiel und hält es übersichtlich. Benötige ich wie oben ein Bier und eine Konserve, bedeutet das, jeweils einen blauen Arbeiterwürfel in meine Fleischfabrik und in meine Brauerei zu ziehen.
Anfangs verlangen viele Gebäude grüne Würfel, später blaue, dann rote. Mein Würfelpool sollte meinen Produktionsgebäuden angepasst sein. Weil es einen Zug kostet, alle Figuren wieder in den Vorrat zurückzunehmen, möchte ich mein Material möglichst lange und möglichst komplett ausnutzen.
Wie sich zeigt, ist das allein aber nicht der Schlüssel zum Erfolg. Wichtiger als die Figurenoptimierung ist die Aufgabenoptimierung. Gebäude zu bauen, nur weil ich es kann und noch unbeschäftigte Würfel herumliegen habe, ist letztlich schädlicher als die Rückholaktion.
Man kann sich in ANNO 1800 ein wenig verlieren und munter vor sich hinbauen, dem Ziel dabei aber kaum näherkommen. Mir ging es in einigen Partien so, dass ich kaum ein Gefühl dafür hatte, ob ich vorn oder hinten liege und wie sehr sich die einzelnen Aktionen auszahlen. Trotzdem fühlte sich das Spielen gut an. ANNO 1800 ist immer konstruktiv, man erschafft was, das Imperium wächst – diese Wohlfühl-Atmosphäre entspricht dem PC-Spiel.
Was taugt es? ANNO 1800 ist ein ruhiges, unaufgeregtes Spiel mit langsamen Entwicklungen. Jede*r puzzelt vor sich hin, man kommt sich nicht groß in die Quere. Ich verspüre in ANNO 1800 nicht einmal so richtig einen Wettbewerbs-Charakter, aber das kann an mir liegen.
Die Aktionen an sich sind schnell abgehandelt; gerade in den ersten Partien entstehen jedoch lange Pausen, während die Mitspielenden sich in der Informationsflut zurechtfinden müssen. Und selbst nach etlichen Partien geht es mir noch so, dass ich doppelt und dreifach überprüfe, ob ich Produktionsstätten für Getreide, Kartoffeln oder Schweine weiterhin benötige oder überbauen kann. Eine Übersichtsgrafik, die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Industrien verdeutlicht, hätte geholfen.
Weil in jeder Partie fünf andere Zielvorgaben gelten, muss man von seiner Lieblingsspielweise auch mal abweichen. Der Zufallsfaktor bei den Aufgaben und vor allem beim Erkunden neuer Inseln ist nicht wegzudiskutieren. Ich erlebe ihn im Rahmen eines Spiels, das ansonsten viel Optimierung verlangt, aber als bereichernd. Und auch wenn sich während der Partie die Abläufe wiederholen, indem man meist nur irgendwelche Klötzchen verschiebt, ist dennoch eine Dramaturgie wahrnehmbar, und das langsame Aufbauen mündet gegen Ende in einen Wettlauf. Die zwei Stunden Spieldauer sind gut verbrachte Zeit.
***** reizvoll
ANNO 1800 von Martin Wallace für zwei bis vier Spieler*innen, Kosmos.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.