Mittwoch, 30. November 2016

Gern gespielt im November 2016

GREAT WESTERN TRAIL: Viele Partien = viele Neuigkeiten. Erkenntnis diesmal: Man kann auch (sogar deutlich) gewinnen, ohne je ein Rind zu erwerben und ohne die fünfte Handkarte freizuschalten.

TEMPEL DES SCHRECKENS: Erschreckend ist in Tempeln vor allem die Unaufrichtigkeit. Dabei könnten wir doch offen über alles reden. Ich übrigens habe zwei Schätze. Und Feuerfallen? Neeeein!

EIN FEST FÜR ODIN: Jeder wie er meint. Aber dieser Odin muss schon ein reichlich komischer Kauz gewesen sein, wenn auf seinen Partys immer gepuzzelt wurde.

KNEIPENQUIZ: Auch Flaschen als Gegner darf man nie unterschätzen.

DR. EUREKA: Juhu, ich bin hochbegabt!

DODELIDO: Ach nee, doch nicht!





Samstag, 26. November 2016

Imagine

Damit diese Rezension tunlichst keine 10-80-10-Rezension wird (das ist nämlich pfui), muss ich diese Einleitung leider extrem kurz halten. So komme ich auf 8-84-8 (bzw. bei anderer Interpretation auf 8-27-57-8). Puh, gerade noch mal gut gegangen!

Wie geht IMAGINE? Wir sind mal wieder kreativ. Bedeutet konkret: Wir stellen was dar, die anderen sollen es erraten. Falls das gelingt, gewinnen Rater und Darsteller einen Punkt.
Was braucht man dafür? 1. Karten mit vielen, vielen, vielen Begriffen. In IMAGINE sind das knapp über 1000, also wirklich genug. 2. Lustige Einschränkungen, wie man etwas darstellen soll und wie nicht. In IMAGINE besteht unser Erklärwerkzeug aus transparenten Karten. Sie zeigen Icons wie zum Beispiel ein Auto, ein Buch, geometrische Formen, Menschen in verschiedenen Posen. Der Erklärer darf die Bilder kombinieren, arrangieren, übereinander legen, bewegen – aber er darf keine Geräusche machen und fast nicht reden. „Fast“ bedeutet: Er darf immerhin die Kategorie vorlesen, um die es gerade geht. „Natur und Tiere“ oder „Ding“ oder „Britisch“ oder „Film“ oder „Redewendung“ oder oder ...

Was passiert? Bei manchen Begriffen genügt es, die Kategorie zu nennen, und die Lösung ist da: „Comicfigur?“ – Asterix. „Lecker?“ – Eiscreme. „Gelb“? – Sonne.
Bei anderen Begriffen wiederum würde ich selbst in 100 Jahren nicht auf die Antwort kommen, weil mir das Gesuchte schlichtweg nicht bekannt ist: „Nebenrolle?“ – Patrick Star. „Im Fernsehen?“ – Richter Alexander Hold. „Film?“ – Die Muppets-Weihnachtsgeschichte. „Lied?“ – All About That Bass. Und ich könnte noch viel mehr aufzählen; anscheinend bin ich schon nicht mehr so ganz von dieser Welt.
Und mache Begriffe errate ich nicht, weil sie mir total hergeholt erscheinen. „Pech?“ – Toilettenpapier geht zu Ende. „Rüttelt dich wach?“ – Verkehrt herum fliegen.
Die meisten Gruppen werden nach einer Weile beschließen, solch blöde Begriffe außen vor zu lassen. Wesentlich besser aber wäre es gewesen, bereits die Redaktion hätte das beschlossen. Denn im Erstkontakt machen die Spieler ein Negativerlebnis. Und Negativerlebnisse sind eine ganz schlechte Voraussetzung für Zweitkontakte.
Kinderbuchfigur
Was angesichts der Spielidee nicht sein müsste, denn das Material erlaubt sehr viel Kreativität. Man nehme Mann und Frau, halte einen Vogel darüber und lasse einen Babykorb herabfallen. – Storch!
Oft war ich verblüfft, auf welche Ideen die anderen kamen und was sich alles erraten ließ. Sobald die Gruppe geübt ist, gelingt sogar die Darstellung einiger Redewendungen. Solche Herausforderungen zu meistern, macht dann besonders viel Spaß.
Weit weniger Spaß macht es allerdings, einem Anfänger dabei zuzuschauen, wie er sich mit einem der Hardcore-Begriffe abmüht. Eine Unterteilung in „leicht“, „mittel“ und „schwer“ existiert nicht. Und wenn einer die „Banane“ darstellen soll und direkt der nächste „Jemanden in den April schicken“, fühlt sich beides exakt auch so an.

Kein alltäglicher Beruf
Was taugt es? Das Potenzial der Spielidee erscheint mir recht hoch. Aber Potenziale zu bewerten, ist die Aufgabe eines Redakteurs. Als Kritiker habe ich es mit der Umsetzung einer Spielidee zu tun. Und die ist hier schlichtweg nicht gut.

IMAGINE von Shingo Fujita, Motoyuki Ohki und Hiromi Oikawa für drei bis acht Spieler, HUCH! & friends.

Donnerstag, 17. November 2016

Great Western Trail

Muh! Muh! Muh! Einleitung ist Schmu.

Wie geht GREAT WESTERN TRAIL? Wir treiben Rinderherden nach Kansas City. Unser Viehbestand ist ein Deck aus 14 Karten in vier Sorten mit Werten von 1 bis 2.
Vier davon (später bis zu sechs) halten wir als Herde auf der Hand, und das Ziel sollte sein, mit möglichst bunten Karten in Kansas anzukommen, denn jedes unterschiedliche Rind erhöht den Wert der Herde. Dieser wird in Geld ausbezahlt, allerdings muss ich die Herde anschließend auch noch irgendwo hinliefern.
Je wertvoller die Herde, desto bessere Städte interessieren sich dafür. Das Optimum wäre San Francisco. Hier sind Herden ab einem Wert von 18 willkommen. Blöd nur, dass San Francisco sehr weit weg liegt, und wenn ich mit meiner Lok noch nicht viel Strecke erschlossen habe, muss ich für die Überbrückung der Restdistanz bezahlen.
Warum liefere ich trotzdem lieber nach San Francisco, statt die Herde in Kansas zu lassen? Bei jeder Lieferung lege ich einen Chip im Zielort ab. Ein Chip in San Francisco zählt am Schluss neun Pluspunkte, ein Chip in Kansas City sechs Minuspunkte. Überzeugt? Außerdem: Die Chips entnehme ich meinem Spielertableau und schalte dadurch Aktionen und Fähigkeiten frei. Chips, die ich in weiter entfernten Städten unterbringe, aktivieren im Regelfall stärkere Optionen.
Auf dem Weg nach Kansas durchläuft meine Herde den gewundenen Weg des Spielplans. Innerhalb meiner Reichweite (die sich durch Freischaltungen erhöht) ziehe ich zu einem Ort meiner Wahl und führe dort die zugehörige Aktion aus. Ich sollte anstreben, auf einem meiner eigenen Orten zu landen oder auf einem Ort der Bank, denn in Gegnerorten darf ich nicht viel tun.
Anfangs besitzt noch kein Spieler Orte. Sie zu errichten, ist eine der möglichen Aktionen. Natürlich versuche ich so zu bauen, dass ich hinterher einen schönen Parcours habe, auf dem ich von Ort zu Ort springe und ein Aktionsprogramm in sinnvoller Reihenfolge abspule. Allerdings werden die Gegner das vereiteln, beispielsweise durch Orte, deren Betreten oder Überschreiten eine Gebühr kostet.
Weitere wesentliche Ortsaktionen sind: Lok fahren, Rinder kaufen, Geld kassieren, Leute einstellen. Angestellte gibt es in drei Sorten: Cowboys erleichtern den Erwerb von Rindern, Handwerker den Bau von Orten, Ingenieure bringen die Eisenbahn voran.
Ob man nun langsam oder schnell Richtung Kansas eilt, ist jedem selbst überlassen. Die meisten Spieler erreichen Kansas etwa sechs Mal, bis das Spiel endet. Nun gibt es Punkte für alles Erdenkliche. Der Wertungsblock fragt stolze elf Dinge ab.

Was passiert? GREAT WESTERN TRAIL dauert sehr lange, es sind sehr viele Regeln, sehr viele Einzelheiten, und man möchte meinen, das sei doch wieder Siegpunktsalat. Aber: GREAT WESTERN TRAIL hat mich von der ersten Partie an in den Bann gezogen, wie es selten einem Spiel gelingt. Ich empfinde jede Partie als spannend, ich habe immer noch nicht alle Geheimnisse ergründet, ich hätte jedes Mal gerne noch weitergespielt.
Eigentlich könnte ich das auch sofort wieder tun. Zwischendurch möchte ich meinen Millionen Lesern aber kurz mitteilen, warum mich GREAT WESTERN TRAIL so flasht. Mehrere Faktoren kommen zusammen. Der stärkste dürfte sein: Hier bin ich Spieler, nicht Rechner.
Zugegeben, auch in GREAT WESTERN TRAIL muss der erfolgreiche Spieler optimieren. Es wäre ungünstig, an einem Ort unbedacht Geld zu verpulvern, um am nächsten Ort festzustellen, dass genau eine Münze fehlt, um statt einem Cowboy gleich zwei einzustellen. Aber das empfinde ich hier als weniger dominant als in Spielen vergleichbarer Komplexität. Für mich überwiegt das Glücksgefühl, ganz viele Dinge zum Ausprobieren und Herumspielen vorzufinden: Will ich lieber Orte oder will ich lieber Tiere? Will ich Aufträge erfüllen oder behindert mich das? Sollte ich mich auf dem Weg nach Kansas beeilen? Lohnt es sich, mein Deck zu verschlanken, oder kostet das zu viel Tempo? Kann eine Eisenbahnstrategie funktionieren, indem ich lauter Bahnhöfe baue und meine Chips auf diese Weise abstoße?
Ich habe noch lange nicht alles gesehen. GREAT WESTERN TRAIL hinterlässt bei mir das Gefühl, es gäbe noch einiges zu erkunden und zu erfahren. Es verspricht spielerische Aha-Erlebnisse, die mir mehr bedeuten als das tüftelige Herauskitzeln von noch mehr Siegpunkten durch noch mehr Rechentiefe.
Dass die Spannung trägt, selbst wenn ich mittendrin merke, dass mein Plan leider gar nicht aufgeht, liegt a) an der grundsätzlichen Konzeption: In fast jedem Spielzug muss ich mich zwischen mehreren reizvollen Optionen entscheiden. Ein bisschen was klappt immer. GREAT WESTERN TRAIL bietet mir viele Teilerfolge.
Und b) liegt es ganz klar auch an den Glücksfaktoren. Viele Orte erlauben neben ihrer Hauptaktion das Abwerfen von Karten gegen Geld. Am Arbeitsamt beispielsweise darf ich ein weißes 2er-Rind abwerfen und würde dafür zwei Münzen erhalten. Hab ich eins, trifft es sich ganz wunderbar, wenn ich sowieso zum Arbeitsamt wollte. (Denn am Ende des Zuges ziehe ich wieder auf mein Handlimit hoch; es gilt das DOMINION-Prinzip.)
Der kleine Zuverdienst kann sogar ein Anreiz sein, um an einem Ort überhaupt anzuhalten. Neben dem Kleingeld lockt mich die Möglichkeit, mein Deck durchzuspielen, damit hinzugekaufte 3er-, 4er- und 5er-Rinder schneller auf meine Hand gelangen.
Beim Handkartenmanagement wird manchmal auch gezockt. Ergreife ich am letzten Ort vor Kansas noch mal die Gelegenheit, Karten gegen Geld abzuwerfen, kann meine Hand durch das Nachziehen besser werden – oder eben auch schlechter.

Was taugt es? GREAT WESTERN TRAIL besitzt nicht die Klarheit von MOMBASA. Es gibt mehr kleine Details zu berücksichtigen, mehr Faktoren und Verlockungen am Wegesrand, die einen hindern, eine Strategie so stringent durchzuziehen, wie man es gerne hätte. Normalerweise bevorzuge ich Klarheit. Hier ist es aber gerade die Verspielheit, die mich in den Bann zieht.
Bei MOMBASA habe ich jede Partie gewonnen. Die Mechanismen lagen mir einfach. Meine Quote bei GREAT WESTERN TRAIL sieht schlechter aus. Und auch das erhöht für mich den Reiz. Der Wunsch, das Spiel endlich besser zu beherrschen, treibt mich von Partie zu Partie.

GREAT WESTERN TRAIL von Alexander Pfister für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

Donnerstag, 10. November 2016

Chicken Wings

Das ist CHICKEN WINGS. Das Foto hat Udo gemacht.
Hallo, hier spricht Huhni!
Sicher habt ihr mich in Essen alle ganz doll vermisst!!! Ich hätte euch wirklich gerne besucht in euren Riesenställen, aber Udo hat mir nicht gesagt, dass schon wieder Messe ist, und ist heimlich allein losgefahren.

In der Zeit haben wir hier einige Geheimnisse rausgefunden. Hahni hat nämlich im Müll nach Futter gesucht, und da war eine Ausguck-Zeitung, da war ich drin! Das hat mir Udo nicht gesagt. Und dann war da noch ein Brief von Hanta und Crone, die wollten mich in ihre Fernsehsendung einladen. Live aus Essen! Das hat mir Udo auch nicht gesagt. Er hat sogar mit roter Tinte „Lehnen wir ab!!!“ an den Rand geschrieben.

Das sind ich und Hahni. Das Foto hat auch Udo gemacht.Ich habe Udo gefragt, warum er mir das alles nicht gesagt hat. Und Udo hat gesagt, dass er so viel Mühe in meine Ausbildung als Nachwuchsreporterhuhn gesteckt hat und dass das alles für die Katz war. Und ich habe gesagt, dass das nicht für die Katz war, weil ich ja Huhni bin. Und weil ich ganz viele Freunde habe und in Essen immer viele Süßigkeiten geschenkt kriege. Und Udo hat gesagt, um Süßigkeiten geht es in diesem Knochenjob doch gar nicht. Oder nicht nur. Man muss auch Rezessionen schreiben. Und da habe ich gesagt, dann schreibe ich jetzt eine Rezession. Und da hat Udo gesagt, dazu muss ich erst mal was spielen. Und da habe ich gesagt, dann spiele ich jetzt eben was. Und das war ein Fehler, denn dann musste ich CHICKEN WINGS spielen.

So krumm und schief hat Udo die Zielscheibe aufgehängt. Das Foto habe ich gemacht.
Das ist das ekligste Spiel, das ich je gesehen habe, denn da sind gerupfte tote Hühner drin. Echt wahr! Stellt euch das mal vor! Aber Udo hat gesagt, das sind keine toten Hühner, das sind Nachbildungen aus Silikorn. Dasselbe, was Hahni und Frau Trumpf in ihren Brüsten haben. Aber das stimmt gar nicht, das mit Hahni. Und da habe ich gesagt, ich spiele nicht mit und gucke nur zu.

Deshalb hat Udo alleine gespielt und musste dazu erst mal die Zielscheibe aufbauen und an die Tür hängen. Das hat aber gar nicht geklappt, und Udo hat rumgemeckert und gesagt, dass das total billiges Material ist.

Dann hat er total eklig mit den toten Hühnern auf das Bild vom Bauernhof geschossen. Aber er hat fast immer verfehlt und gemeckert. Und dann hat er doch getroffen, aber schon wieder gemeckert, weil das tote Huhn langsam vom Plakat heruntergerutscht ist. Und da wusste Udo nicht, ob er das Pferd getroffen hatte oder nicht. Und was denn nun gilt: Das, was man getroffen hat. Oder das, wo es hinrutscht.

Das steht wirklich alles in den Regeln drin. Das habe ich fotografiert.
Udo hat dann beschlossen, dass er das Pferd getroffen hat. Er hat sich den Chip mit dem Pferd herausgesucht und festgestellt, dass der nur einen Punkt zählt. Da hat er schon wieder gemeckert! Denn der Maulwurf zählt neun, das Schwein fünf, der Misthaufen drei, der Hahn acht, die Maus vier, die Holzkisten sieben, das Eichhörnchen minus drei und das andere Eichhörnchen plus sechs. Da hat Udo einen Tobsuchtsanfall bekommen und gebrüllt, dass das total beliebig ist. Aber ich habe gesagt, dass das gar nicht beliebig ist, sondern genau so in der Regel steht. Und wenn Udo den Chip vom Pferd und den von der Kuh und den vom Schwein sammelt, kriegt er viele Extrapunkte. Es gibt elf Kombinationen, die man sammeln kann. Man darf natürlich nicht so doof sein und muss richtig zielen.

Da hat Udo mir das Regelheft aus den Krallen gerissen und in die Ecke geworfen. Er hat gesagt, ich darf in meiner Rezession auf keinen Fall schreiben, dass das für Familien bestimmt ein tolles Spiel ist. Denn Udo findet das Spiel gar nicht toll, und wenn der Kritiker das Spiel nicht toll findet, dann hat das niemand toll zu finden.

Udo hat gesagt, ich muss auch die ekligen toten Hühner fotografieren.
Und ich habe gesagt, dass ich ganz bestimmt nicht schreibe, dass das toll ist, weil da sind nämlich eklige tote Hühner drin. Und wenn ich als Huhni das nicht toll finde, dann hat das niemand toll zu finden. Und da hat Udo Tränen in die Augen bekommen und hat gesagt, er ist jetzt ganz doll stolz auf mich, weil meine Ausbildung ja doch nicht völlig für die Katz war.

CHICKEN WINGS von Manfred Reindl und Silke Briedl für einen bis vier Spieler, HUCH! & friends.

Freitag, 4. November 2016

Costa Rica

Das waren noch Zeiten! Als ich vor acht Jahren in diesem Blog STONE AGE eine etwas bessere Bewertung gab als im Notenblock der spielbox, verursachte das einen Mini-Shitstorm im spielbox-Forum. Ich fürchte, heutzutage interessiert so etwas niemanden mehr. Aber ich mache mal den Versuch.
Hier: COSTA RICA hatte ich in der spielbox mit 6 Punkten bewertet. Aber das erscheint mir mittlerweile um einen Punkt zu hoch. Und jetzt mal sehen ...
Meine Klickstatistik hat damals jedenfalls sehr profitiert.

Wie geht COSTA RICA? Wir wollen die wertvollsten Tiere einsammeln. Konkret wollen wir a) viele gleiche, denn je mehr Tiere einer Sorte, desto höher der Punkteertrag. Und wir wollen b) viele verschiede, denn jedes Set aus sechs verschiedenen zählt einen schönen Bonus. Oder kurz: Wir wollen viele.
Das Territorium von COSTA RICA ähnelt in seiner Sechseckigkeit der Insel Catan, ist mit 61 Feldern aber deutlich größer. An jeder Ecke startet ein Forschertrupp. Jedem Spieler gehört darin eine Figur. Gemeinsam dringt der Trupp ins Land vor. Wer Tiere nimmt, scheidet aus der Gruppe aus. Die anderen können in einem späteren Spielzug weitergehen.
In welche Richtung, bestimmt immer der Spieler am Zug. Er wählt zunächst einen Trupp, dem er angehört, und deckt dann ein angrenzendes Plättchen auf. Beginnend beim Chef entscheidet reihum jeder, ob er die abgebildeten Tiere haben möchte. Falls niemand will, deckt der Chef ein weiteres angrenzendes Plättchen auf. Die Prozedur wiederholt sich, bis irgendwann irgendwer die Tiere nimmt.
Oder bis zwei Tierplättchen mit Gefahrensymbolen aufgedeckt wurden. Dann muss der Chef die Tiere nehmen, allerdings abzüglich der Gefahren-Plättchen. Die Beute kann also auch null Tiere betragen. Das Risiko trägt der Chef. Er kann sich aber an Wahrscheinlichkeiten orientieren: Im Gebirge lauern mehr Gefahren (und mehr Tiere), im Wald von beidem weniger.

Was passiert? Das Grundkonzept (Zocken und dabei rechtzeitig den Absprung aus der Gruppe schaffen) und die damit verbundenen Emotionen sind bekannt, beispielsweise aus DIAMANT. Aber COSTA RICA fügt eine überraschende Komponente hinzu: Weil das Land mit jedem entnommenen Tier schrumpft, geht es auch um den Zugriff auf das Territorium. Als böser Chef kann ich mein Gefolge in eine Sackgasse navigieren, dann sofort aussteigen und den Tross sich selbst überlassen. Oder ich kann fremde Trupps (denen keine meiner Figuren mehr angehört) komplett vom Feld abschneiden und damit aus dem Spiel kicken.
Welche Figurengruppe ich für meinen Spielzug auswähle und wohin ich ziehe, hängt also nicht allein von der erhofften Beute ab. COSTA RICA gewinnt so eine zusätzliche Dimension, kann aber auch tragische Verläufe nehmen. Wer einmal abgeschnitten wird und sich dann noch einmal verzockt, spielt fortan nicht mehr in dem Glauben, Gewinnchancen zu besitzen.

Was taugt es? Bis hin zu den gelungenen Spielhilfen und dem dicken Pappmaterial macht COSTA RICA nichts falsch. Und auf die erste Partie folgt oft direkt eine zweite. „Wenn es schon mal auf dem Tisch liegt“, sozusagen. Aber ist COSTA RICA erst mal wieder eingepackt, so meine Beobachtung, fragt niemand mehr danach.
Warum eigentlich? Mein Kopf sagt, dass die Kombination von Zocken und Wege-Abschneiden eine interessante Sache ist. Mein Bauch allerdings zweifelt, ob das wirklich einen Mehrwert bringt.
Dazu eine Rechnung: Weil in jedem Zug unweigerlich eine Figur ausscheidet, ist im Schnitt jeder sechs Mal an der Reihe. Wird aggressiv gespielt, sogar seltener als sechs Mal. Außerhalb meines Zuges bin ich dann noch beteiligt, indem ich bei anderen Spielern „Passe!“ oder „Her damit!“ sage. Als aktiv Bestimmender aber eben nur fünf oder sechs Mal. Und in diesen paar Zügen sollen sich gleich zwei sehr unterschiedliche Spielkomponenten entfalten. Ich fürchte, diesem kurzen Spiel wird damit zu viel aufgebürdet. Und wahrscheinlich deshalb hat sowohl das Zocken als auch das Wege-Abschneiden anderswo schon mehr Mitfiebern ausgelöst als hier.

COSTA RICA von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert für zwei bis fünf Spieler, Lookout Spiele.