Manchmal ist es vorteilhaft, Spiele spät zu rezensieren.
So rede ich mir das jetzt mal schön. Denn meistens ist es nachteilig: Der Eindruck ist nicht mehr frisch. Angesichts der vielen anderen Spiele zwischendurch muss ich mich erst mal wieder reindenken. Und obendrein interessiert es kaum noch jemanden. Ist ja nicht mehr neu. – Buh!
Der seltene Fall, in dem eine späte Rezension tatsächlich von Vorteil ist: Wenn ein Spiel im Ansehen immer mehr wächst und ich es ein paar Wochen oder Monate zuvor noch ein bisschen niedriger eingestuft hätte.
Und warum schreibe ich das wohl? Weil es eine mitreißende Einleitung ist und weil es zu PASST NICHT passt.
Wie geht PASST NICHT? Wir spielen MAU-MAU und legen reihum eine Karte. Auf den Stapel gehören gleiche Farbe oder gleiche Zahl.
Beende ich die Runde mit meiner letzten Karte, erhalten meine Mitspieler:innen Minuspunkte für ihre Handkarten. Aber: Es gibt auch Pluspunkte, und 50 Pluspunkte sind das Ziel. Pluspunkte sammle ich für alle Karten, die am Ende der Runde vor mir ausliegen. Auslegen darf ich, wenn die entsprechende Karte nicht auf den Stapel passt, also weder die gleiche Zahl noch die gleiche Farbe hat. Allerdings werde ich so keine Karte los. Wenn ich auslege, muss ich nachziehen.
Der Witz und zugleich die Gemeinheit von PASST NICHT: Kann ich nachweislich den Stapel bedienen, muss ich das tun. Liegt eine gelbe Fünf vor mir, und der Stapel zeigt Gelb, muss ich entweder eine passende Handkarte legen – oder meine gelbe Fünf opfern. Letzteres wäre doppelt ärgerlich: Mir gehen fünf Punkte durch die Lappen, und um die Fünf auszuspielen, habe ich einen Zug vergeudet, ohne wenigstens die Handkarten zu reduzieren.
Was passiert? Relativ schnell kommen Mitspieler:innen auf die Idee, ganz gezielt Gelb auf den Stapel zu legen, um mir meine Fünf abzuluchsen. Und vielleicht hat die Spieler:in nach mir eine gelbe Vier ausliegen. Na, wenn das kein schöner Ketteneffekt wäre!
PASST NICHT ist also ein Spiel, das sich wunderbar gemein spielen lässt. Stets lauere ich auf Gelegenheiten, so auf den Stapel zu spielen, dass es andere in Schwierigkeiten bringt. Gleichzeitig versuche ich, wenig angreifbar zu sein. Etwa indem ich Karten in meiner Auslage mit anderen derselben Farbe überdecke. Oder bevorzugt solche auslege, von deren Farbe ich noch weitere auf der Hand habe.
PASST NICHT ist durch und durch interaktiv. Auch wegen des Rundenendes muss ich die Mitspieler:innen im Blick behalten: Hat irgendwer nur noch zwei Handkarten? Oder gar eine? Falls ich noch hohe Werte halte, sollte ich mich beeilen, sie loszuwerden.
Was taugt es? PASST NICHT habe ich schon im Oktober 2023 auf der Messe in Essen spielen können und war sofort angefixt. Warum ich das Spiel trotzdem fast unterschätzt hätte? Ich hätte erwartet, dass der Reiz nachlässt. Aber er lässt nicht nach. Seit Monaten nicht.
Man kann PASST NICHT einfach nur fröhlich und schadenfreudig herunterdreschen. PASST NICHT bietet aber auch Raum zum Taktieren. Anhand der ausliegenden Karten lassen sich Dominoeffekte erahnen, die man mal auslösen, mal unbedingt vermeiden möchte. Und hat man einen Joker und darf sich Farbe oder Zahl wünschen, kann sowohl der Zeitpunkt des Einsatzes als auch der Wunsch einen entscheidenden Unterschied machen.
Natürlich ist auch viel Glück im Spiel. Bekomme ich nur niedrige Zahlen, bietet mir das für Pluspunkte wenig Optionen. Habe ich eine hohe Karte nachgezogen, direkt bevor jemand Schluss macht, sind das unweigerlich Minuspunkte. Und vor allem bei meiner letzten Handkarte habe ich überhaupt keine Wahl, wohin ich sie spiele. Passt sie, muss sie auf den Stapel. Passt sie nicht, muss sie in die Auslage.
Aber das ändert nichts an den Emotionen, die PASST NICHT auslöst. Das vorgetäuschte Bedauern, leider nicht den Stapel bedienen zu können, bevor man grinsend eine Fünf auslegt. Der Triumph, anderen etwas zu zerstören. Oder sie darauf hinzuweisen, dass sie leider nicht auslegen dürfen, sondern für alle sichtbar passend den Stapel bedienen können. Das Ätsch, wenn man einen Angriff lässig mit einer Handkarte abwehrt. Und die Sorge, dass der Stapel eine Runde später noch genauso daliegt – und jetzt kann man nicht mehr abwehren.
Leider ist PASST NICHT fehleranfällig („Du musst nachziehen!“, „Du musst schon wieder nachziehen!“), und ich habe beobachtet, dass Menschen, die die Zielgruppe wären, den Witz des Spiels nicht immer erkennen. Wird bevorzugt auf den Stapel gespielt, weil man das von MAU-MAU ja nun mal so kennt, macht die Partie weniger Spaß und zieht sich wegen fehlender Pluspunkte in die Länge.
Ich hoffe sehr, die Qualitäten von PASST NICHT sprechen sich herum. Für mich spielt PASST NICHT in der L.A.M.A.-Liga, und die ist bekanntlich sehr weit oben.
****** außerordentlich
PASST NICHT! von Thomas Weber für zwei bis sechs Spieler:innen, Schmidt.
6 Kommentare:
YESSS!
Habe erst heute wieder ein Paar zur Erstpartie überreden können, denen es beiden sofort gefallen hat: Wegen der vermeintlichen Einfachheit und der dahinter verborgenen taktischen Tiefe, die es durchaus entfalten kann. Aber auch, weil es so schön böse sein, die eigene Boshaftigkeit aber durchaus auch wieder auf einen selbst zurückfallen kann. Und es eben sehr kommunikativ ist, weil jeder auf jeden aufpasst: Obs wirklich nicht passt, und wenns nicht passt, ob auch brav nachgezogen wird.
Und ich finde auch die Ziellinie mit 50 Punkten gut gewählt, denn auch wenn das Kartenglück mal nicht so hold sein sollte, über die Runden gleicht es sich dann doch meisst recht gut aus, und die Gesamtdauer eines Spiels passt dann meisst ganz gut.
Mir macht es auch seit Herbst immer wieder diebischen Spass, und nicht wenige, denen ich es gezeigt hatte, haben es direkt angeschafft oder zumindest vorgemerkt.
Das Grafikdesign dieses in der Tat guten Kartenspiels hat leider einen unnötigen und unverständlichen Mangel: Wie kann man nur für zwei von sechs Farben dunkle Rottöne verwenden, die nur bei guter Beleuchtung ohne Anstrengung zu unterscheiden sind?
@ Ulrich Roth:
Da für Farbsehschwache ja auch alle Farben mit unterschiedlichen Formenmustern hinterlegt worden sind (Pink=Sterne, Rot=Rechtecke), kann man auch diese Farben auch bei kritischer Beleuchtung daran mE gut genug unterscheiden.
Es gibt halt nur drei Grundfarben...
BTW, es sind nur fünf Farben im Spiel ;-)
Ja, man KANN die Farben unterscheiden, und die gute Absicht der Hintergrundformen ist mir nicht entgangen.
Aber die Praxiserfahrung ist halt, dass bislang so gut wie alle Mitspieler der Meinung waren, das hätte man besser machen können, eigentlich müssen.
@ Ulrich Roth:
Vielleicht kann man den Verlag ja bewegen, bei künftigen Auflagen einen der Rottöne gegen eine andere Farbe - zB grau, das wär am weitesten von allen weg - auszutauschen, um jede Verwechslungsgefahr auszuschliessen.
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