Dienstag, 19. Februar 2013

Vor 20 Jahren (2): Choco Crossies

Vor mehr als 20 Jahren hatte ein Freund namens Heiko mal erwähnt, dass er gerne Choco Crossies isst. Wie sich herausstellten sollte, waren derartige Privatoffenbarungen in einer Clique total gewitzter Typen (oder solcher, die sich dafür hielten) ein schlimmes Eigentor. Schnell entwickelte sich die Tradition, dass Heiko zum Geburtstag von uns allen nur noch Choco Crossies geschenkt bekam. Damit das Konzept mehrere Jahre lang unterhaltsam blieb, wechselten die Darreichungsformen: Choco Crossies ließen sich nicht nur eingehüllt in schönem Geschenkpapier überreichen, sondern auch getarnt in der Verpackung anderer Köstlichkeiten oder eines kleinen Elektrogeräts. Noch besser aber machten sie sich in verfremdeter Umgebung, beispielsweise abgefüllt in einer ausrangierten Socke.

Der in unseren Augen nahezu unerschöpfliche Gag machte Heikos Geburtstage zu einem der besonderen Jahresereignisse, vor allem wenn auch uneingeweihte Gäste kamen, die versehentlich etwas anderes schenkten und sich – im Gegensatz zu Heiko übrigens – lachend auf die Schenkel schlugen, wenn der Gastgeber die nächste Ladung Choco Crossies auspackten musste.
Kaum zu glauben, dass wir trotz allem nett bewirtet wurden. Denn es gab ein zweites jährliches Highlight, und das war Heikos Geburtstagssalat: ein Salat mit Miesmuscheln, der so lecker war, dass man nicht wieder aufhören konnte, wenn man einmal davon gekostet hatte.

Und trotzdem habe ich einmal Heikos Geburtstag sausen lassen!


Lange, lange hatte ich meinem erweiterten Umfeld in den Ohren gelegen, bis ich endlich genügend Leute beisammen hatte, um eine Partie CIVILIZATION anzugehen. Und der einzige Termin, auf den wir uns einigen konnten, war ausgerechnet Heikos Geburtstag.
Weil ich überzeugt war, dass jeder Spielen gut finden müsse, insbesondere solch (nach damaligem Empfinden) tolle Spiele wie CIVILIZATION, machte ich mir keine weiteren Gedanken, ob dies wohl das richtige Spiel für die Gruppe war, wie viel man den Mitspielern überhaupt zuzumuten konnte und mit welchen Erwartungen sie an die Sache herangingen. Die Antworten auf meine nicht gestellten Fragen sollte ich dennoch bald bekommen. Sie lauteten: Nein. Wenig. Die falschen.

Das Spielen war richtig schlecht. Meine Spielpartner waren unkonzentriert und abgelenkt, sie überlegten ewig, machten dumme Züge und besprachen nebenbei am Telefon Pläne für das weitere Wochenende. Außerdem nörgelten sie über das Spiel und motzten, sie hätten keine Chance mehr und müssten trotzdem noch stundenlang weiterspielen. Wir brachen die Partie schließlich ab, und reumütig fuhr ich doch noch zu Heiko.
Der Salat war längst aufgegessen, alle Choco Crossies ausgepackt, und ich schämte mich und nahm als Lektion mit, dass man nicht immer alles im Leben dem Spielen unterordnen sollte.
Und wie mein weiterer Werdegang zeigt, habe ich mich eisern daran gehalten.

4 Kommentare:

Maddin hat gesagt…

Oh - aus der Reihe "legendäre CIVILISATION-Partien" hab ich auch noch was - allerdings inzwischen fast 30 Jahre her.
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Rückfahrt von der Mittelstufen-Klassenfahrt an die Mosel im damals grad ganz neuen, modernen IC-Großraumwaggon (die mit den ekelhaft-gelben Kunstledersitzen). Wir acht CIVI-Spieler besetzten die beiden Tische in der Mitte - und damit zum Misfallen aller Klassen"kameraden" und sonstiger Fahrgäste die mehr oder weniger einzigen Tische im ganzen Zug.
Und Henne, der eigentlich mit Abstand beste CIVI-Spieler von uns wurde ständig von dem Mädel abgelenkt, das aus einer anderen Klasse irgendwo sonst in D kommend, zufälligerweise zur gleichen Zeit wie wir in der gleichen Jugendherbege weilend, nun zufälligerweise den gleichen Zug zurück nehmend und sich vorher zufälligerweise ausgerechnet in Henne verknallt habend, jetzt einen Sitzplatz auf seinem Schoß beanspruchte und uns ständig die Pöppelhaufen auf dem den Tisch überlappenden Spielplan verrutschte...
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Ach ja.
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Mit Hannes Wader gesprochen:
"Schöööööön ist die Jugend,
so glücklich und frei!
Gott sei Dank ist sie endlich vorbei.
Und sie kommt zum Glück
auch nie zurück..."

Jan hat gesagt…

So, so, sie "besprachen nebenbei am Telefon Pläne für das weitere Wochenende". Sicher, dass dich deine Erinnerung nicht täuscht? 1993 waren Handys in meiner Erinnerung noch nicht sehr weit verbreitet und zudem sündhaft teuer (manche Menschen besaßen deshalb Handyattrappen).

Meine erste und einzige Partie Civilization war im AStA: 21Uhr Regeln lesen, 23Uhr Spiel beginnen, 5Uhr Kaffee machen, 9Uhr Schlafen gehen.
Ach ja, noch nicht 20 Jahre her, aber das waren tatsächlich noch Zeiten!

Udo Bartsch hat gesagt…

@Jan: Ich habe geahnt, dass so etwas kommt... Also: Man konnte früher tatsächlich auch ohne Handy telefonieren. Es gab Telefone mit Kabel. Und "nebenbei" heißt: Man geht vom Tisch weg, während ein anderer Spieler am Zug ist. Und wenn man (viel zu spät) wiederkommt, muss man sich ganz neu wieder eindenken, weil man völlig den Faden verloren hat; und es macht total viel Spaß, unter solchen Umständen zu spielen.

Henning hat gesagt…

Ich empfehle dazu wahlweise "20. Jahrhundert" oder "Die 90er" von Rainald Grebe zum besseren Verständnis dieser lange vergangenen Zeit... :-)

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