Samstag, 9. Januar 2021

Red Outpost

Es wird immer schlimmer mit den Einleitungen. Jetzt fällt mir nicht mal mehr ein Vorwand ein, warum ich angeblich keine schreiben kann.

Wie geht RED OUTPOST? Wir befinden uns auf einem obskuren Planeten, der für den unbedarften Betrachter starke Ähnlichkeiten mit der Sowjetunion zu haben scheint. Es gibt zwölf Orte wie etwa die Mine, das Bierhaus, den Palast der Sowjets, und sechs Figuren, die beispielsweise Fischer, Bürokratin oder Kommissarin heißen.
Wir befinden uns außerdem in einem Arbeitereinsatzspiel, in dem jede*r jede Figur bewegen darf. Je nachdem, wo man die Figur hinschickt, um die ortstypische Aktion auszuführen, verbessert oder verschlechtert sich ihre Laune: Der Aufenthalt im Bierhaus gefällt den meisten, in der Mine den wenigsten. Wer eine Figur am häufigsten bewegt hat (Chips kennzeichnen das), bekommt am Ende des Arbeitstages Plus- oder Minuspunkte entsprechend ihrer Laune.
Die Bewegungsmöglichkeiten unterliegen strikten Regeln. Man darf nur zu unbesetzten Orten ziehen und nur mit Figuren, die während dieser Tageszeit noch nicht aktiv waren. Daraus ergeben sich Zwänge, zumal bestimmte Orte zu bestimmten Tageszeiten gesperrt sind.
Punkte gewinnt man hier und da auch nebenbei, zum Beispiel wenn man seine Figuren viele Waren produzieren lässt. RED OUTPOST ist sehr knapp gehalten. In einer Partie zu zweit bewege ich insgesamt 18-mal eine Figur und führe eine Mini-Aktion aus, zu viert zwölfmal.


Was passiert? RED OUTPOST ist ein durch und durch thematisches und zugleich satirisches Spiel. In der Anleitung finden sich ironiestrotzende Beschreibungen, die die Auswirkungen sämtlicher Orte plausibel machen, falls sich diese nicht sowieso schon aus der Natur der Sache erschließen: Natürlich verbessert es die Laune, früher Feierabend zu machen oder morgens länger liegenzubleiben. Natürlich verlockt ein frei zugängliches Lagerhaus dazu, Teile des Gemeinschaftsbesitzes zu missbrauchen.
Trotz einfacher Struktur fällt es nicht so leicht, sich einen Plan zurechtzulegen. Je größer die Spielrunde, desto geringer die Freiheiten. Wir sind sehr davon abhängig, welche Figuren und welche Orte in unserem Zug überhaupt zur Verfügung stehen.
Einerseits ist es amüsant, anderen eins reinzuwürgen und beispielsweise Chips per Denunziation von attraktiven auf unattraktive Charaktere zu verschieben. Die Geschädigten fühlen sich aber meist ausgeliefert und gespielt, und manches wird als systematisch ungerecht wahrgenommen. Zwar haben alle dieselbe Zahl Züge, doch sie verteilen sich unterschiedlich auf die einzelnen Phasen. Zu dritt und zu viert sind nicht alle gleich häufig Startspieler*in. Einige Spezialkarten (nur im Spiel für Fortgeschrittene) lassen sich leichter nutzen als andere.


Was taugt es? RED OUTPOST bietet vieles, das man sich – eigentlich – wünscht: Es ist als Einsatzspiel innovativ, indem es sich vor allem um die Befindlichkeit der Eingesetzten dreht. Es hat Witz, folgt einem Thema und erzählt eine Geschichte. Es hat recht einfache Regeln und besitzt dennoch Spieltiefe.
Trotzdem hat keine meiner Partien einen überdurchschnittlich starken Wunsch nach Wiederholung ausgelöst. Und ich vermute, es liegt letztendlich daran, dass RED OUTPOST den Spieler*innen zu wenig Positives gibt. Die meisten möchten konstruktiv spielen, etwas aufbauen, etwas entwickeln. So aber ist RED OUTPOST nicht angelegt.
Nur vordergründig geht es darum, etwas für die sozialistische Gemeinschaft zu tun. Tatsächlich ist uns das kollektive Wohlergehen völlig schnurz; jeder kocht nur taktisch, kurzfristig und situativ sein eigenes Süppchen. Man lauert auf Gelegenheiten und unabsichtliche Vorlagen. Dass man dabei klare Fehler machen kann, die von anderen prompt ausgenutzt werden, fühlt sich weniger reizvoll an, als zwischen vielem Richtigen auszuwählen zu dürfen.
Das macht RED OUTPOST nicht zu einem schlechten Spiel. Es ist lediglich ein ungewöhnliches Spiel mit begrenzter Zielgruppe. Das größte Stück Fleisch am Knochen ist hier das Thema. Die Mechanismen an sich sind unspektakulär. Wer die Züge einfach nur trocken runterspielt, erfährt nicht den Reiz. RED OUTPOST will ein bisschen gelebt werden.


**** solide

RED OUTPOST von Raman Hryhoryk für zwei bis vier Spieler*innen, Lifestyle Boardgames.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich stimme voll zu. Das Spiel muss gespielt werden wie damals Kreml. Mit einem Augenzwinkern und Ausschmückungen.
Nichts für Leute die gerne Legen oder Aufbauen. Eher für Leute die kleine Gemeinheiten charmant verpacken....

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