Trauriger Fun Fact: In meinem bisherigen Leben habe ich nicht wesentlich häufiger irgendwas in die Erde gepflanzt als mit einer Rakete den Mond zu besuchen oder einen antiken Tempel zu erforschen. Mag Gärtnern den meisten Menschen noch so alltagsnah vorkommen: Für mich umweht das Mysterium aus Pflanzerei, Gießerei und Düngerei ein Hauch von echtem Abenteuer.
Wie geht BOTANICUS? Wir gestalten Gärten, um Besucher:innen anzulocken. Die haben zum Glück eine selektive Wahrnehmung und betrachten nicht den gesamten Garten, sondern nur jeweils eine einzelne Zeile. Sind dort Pflanzen in der gewünschten Menge und Größe vorhanden, bringt mir das Punkte.
Pflanzen gibt es in Größen von eins bis vier. Sie gelangen in meinen Garten, indem ich sie einpflanze. Falls sie für meine Ziele noch nicht groß genug sind, muss ich sie später noch gießen. Dann wachsen sie. Genauer gesagt pflanze und gieße ich gar nicht selbst, sondern ich überlasse dies einer Gärtnerfigur, die in meinem Garten von einem Kreuzungspunkt zwischen vier Beeten zum nächsten rennt. Jeweils die vier Beete um diese Figur herum dürfen beackert werden.
An unsere Aktionen kommen wir durch einen Mechanismus, der an KINGDOMINO erinnert. Wer in der Vorrunde die nominell schwächste Aktion hatte, wählt in der kommenden Runde zuerst.
Aktionen bringen entweder einen fest definierten Ertrag (bestimmte Pflanzen, drei Geld, vier Punkte etc.) oder sie bringen Schritte auf einer von drei Skalen (Geldsack, Schubkarre, Spaten). Auf diesen drei Skalen erreicht meine Lauffigur Felder, die dann ebenfalls einen fest definierten Ertrag bringen (beim Geldsack tendenziell Geld, bei der Schubkarre tendenziell Gieß-Aktionen, beim Spaten tendenziell Pflanzen). Allerdings hängt es von der Position meiner Figur ab, welche Ertragsfelder in Reichweite sind und welche nicht. Weshalb Schritte auf diesen Skalen je nach Spielsituation attraktiver oder weniger attraktiv sein können.
Generell schreitet man gern auf diesen Skalen voran. Denn sobald ich eine Skala komplett durchlaufe, erhalte ich einen erheblichen Punktebonus (je schneller ich bin, desto erheblicher). Und ich beginne danach auf derselben Skala von vorn, könnte mir den Bonus also noch mal holen.
Was passiert? In jedem Zug muss ich die Position meiner Gärtnerfigur mit meinen geplanten Pflanzungen oder Bewässerungen abstimmen. Weil die Bewegungen der Figur Geld kosten, will ich lange Wege oder Zickzack-Kurse vermeiden.
Im ganzen Spiel komme ich nur 17 Mal an die Reihe. Schnell wird deutlich: Das ist knapp bemessen angesichts der vielen Dinge, die ich in der Zeit erledigen möchte. Aber in der Not liegt auch der Reiz: Jeder Zug stellt mich vor wichtige Entscheidungen. Ich muss mich nicht nur darum kümmern, was ich in dieser Runde erreiche; es geht auch um die Zugreihenfolge für die kommende Runde.
Neben den Zwischenwertungen für die Gartenzeilen rücken spätestens ab der Hälfte der Partie auch die Endwertungen in den Fokus. In der Profiversion besitze ich Zielkarten, auf deren optimale Erfüllung ich hinspiele. Und schon im Grundspiel werten wir am Schluss die Spalten, sofern sie komplett gefüllt sind. Ich muss also immer mehr Dinge unter einen Hut bringen.
Und dann gibt es noch die Tiere, die im Profispiel einige Beete versperren und deshalb aus dem Garten in die freie Natur überführt werden sollten. Jedes Tier schaltet einen bestimmten Dauer- oder Soforteffekt frei. Welche dieser Effekte ich anpeile und in welcher Reihenfolge, passt nicht zwangsläufig zur Reihenfolge und Dringlichkeit, in der ich meine Beete freiräumen möchte. Nur selten werde ich alle Tiere umsiedeln können (die Aktionen sind rar und begehrt), deshalb bin ich auch an dieser Stelle hin- und hergerissen. Die Entscheidung für Tier A ist zugleich eine schmerzliche Entscheidung gegen Tier B.
Was taugt es? BOTANICUS ist toll verdichtet. Jeder Zug ist spannend. Trotz Optimierungsbedarf sind die Züge nicht überkompliziert. Vor allem bleibt die Lege-Aufgabe immer sehr konkret. Ich kann mir unter dem, was ich tue, etwas vorstellen. Ich erschaffe etwas, ich spiele konstruktiv. Und ich erschaffe es jedes Mal ein bisschen anders, denn ich verfolge mehrere Pläne und Ziele gleichzeitig und kann mal mehr Gewicht auf den einen oder den anderen Aspekt legen. Zudem muss ich mich stets mit dem arrangieren, was die Mitspieler:innen mir an Aktionen übriglassen.
Das Grundspiel ist eine gute Wahl, wenn man erst mal mit weniger Regeln einsteigen möchte. Auf längere Sicht ist es aber klar schwächer als das Profispiel. Es wirkt nicht gut balanciert, so als sei es nur als Zwischenstadium gedacht, nicht als das endgültige Spiel. Ich empfehle, rasch ins Profispiel zu wechseln, denn erst dann entfaltet BOTANICUS seinen vollen Reiz.
Die Garten-Tableaus im Profispiel sind unterschiedlich und erfordern daran angepasste Spielweisen. Die Tiere erhöhen den taktischen Anspruch. Und auch das Manövrieren der Gärtnerfiguren erfordert jetzt noch mehr Management.
Der Wermutstropfen: Nur beim ersten Lesen wirkt die Anleitung von BOTANICUS noch sehr klar. Nach und nach ergeben sich dann beim Spielen Zweifelsfälle, oft hervorgerufen durch zweideutige Grafik. Die Anleitung lässt einen mit diesen Zweideutigkeiten allein.
***** reizvoll
BOTANICUS von Vieri Masseini und Samuele Tabellini für zwei bis vier Spieler:innen, Hans im Glück.
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