Im Detail ist es widersprüchlich: Nach AUF DEN WEGEN VON DARWIN dachte ich, Darwin sei immer nur im Kreis gesegelt. Jetzt heißt es: Er fuhr eher geradeaus. Immerhin in einem Punkt sind sich beide Spiele einig: Die gefundenen Tiere gehören definitiv in ein Raster.
Wie geht DARWIN’S JOURNEY? Es ist ein Figureneinsatz-Spiel. Die besondere Idee dabei: Wir bilden die Figuren im Laufe des Spiels aus, wir spezialisieren sie. Angezeigt wird das durch Farbmarkierungen an den Figuren. Manche Felder dürfen nur von Figuren mit (beispielsweise) grünen Siegeln betreten werden. Sollte meine Figur sogar zwei grüne Siegel besitzen, darf ich die Feldaktion auf ihrer höheren Stufe verwenden – sofern sie a) denn schon freigeschaltet und b) noch nicht von einer anderen Figur besetzt ist.
Für Grundaktionen benötigen Figuren nur eine oder gar keine Siegelfarbe. Spezielle Aktionen erfordern Farbkombinationen, vielleicht zwei rote und zwei blaue Siegel. Nebenbei bekommen Figuren mit mindestens drei Siegeln auf den meisten Feldern noch einen Bonus. Und mit vorgegebenen Farbkombinationen aktiviere ich „Besatzungskarten“ (und damit einen starken Einmal-Effekt). Und Punkte bei Spielende zählen die Siegel außerdem.
Figuren mit Siegeln auszurüsten, ist also eine gute Idee, und das ist auch eine der Grundaktionen. Andere Grundaktionen sind: mit meinem Schiff weitersegeln oder mit meiner Landfigur weiterlaufen. Mit dem Schiff segle ich, um zusätzlich zur Startinsel noch zwei weitere Inseln zu erreichen und dort Landfiguren abzusetzen. Mit der Schiffsreise verbessere ich außerdem meine Konditionen für die fünf Rundenwertungen. Und ab und zu entdecke ich auch ein Exemplar (Tier, Pflanze, Fossil) oder erreiche andere spezielle Felder.
Die meisten Exemplare entdecke ich mit meinen Landfiguren. Einfach indem ich das entsprechende Feld betrete. Auch alle andere Felder sind für Landfiguren sehr attraktiv. Es locken Geldeinnahmen, ich darf mir einen Auftrag auswählen, ich bekomme Ressourcen oder darf Aktionen ausführen, auf die ich nicht näher eingehe, um mich nicht in Details zu verlieren.
Entdeckungen darf ich ins Museum bringen, sofern sie dort noch nicht sind. Auch das ist eine Standardaktion, und ich werde dafür belohnt. Exemplare sollte ich zudem auch deshalb entdecken – sogar wenn sie schon im Museum sind –, weil das sowohl bei Rundenwertungen als auch bei Aufträgen gefragt ist. Erledigte Aufträge bringen übrigens nicht nur einfach Punkte, sondern schalten Dauereffekte auf meinem Tableau frei.
Was passiert? Figureneinsatz-Spiele sind immer interaktiv, weil wir uns Felder wegnehmen und typische Überlegungen deshalb lauten: Wohin zuerst, was wollen wohl die anderen? In DARWIN’S JOURNEY ist das Ganze noch etwas konfrontativer und vor allem verwickelter. Die Basisfelder der Grundaktionen nehmen zwar mehrere Figuren auf. Aber es kostet Geld, dorthin zu gehen, wo schon andere Figuren sind. Und Geld kann je nach Szenario sehr knapp sein.
Obendrein sind die Züge reichlich verzwickt. Oft stellt sich gar nicht die Frage, wohin ich mit meiner Figur will, sondern (mangels Ressourcen) wohin ich überhaupt kann. Mag ja sein, dass ich die Eintrittskosten eines Feldes noch berappen kann. Aber durch meine Aktion initiiere ich einen Zusatzeffekt, der wiederum einen weiteren Zusatzeffekt auslöst. Und für diesen zweiten Zusatzeffekt brauche ich weiteres Geld – und das fehlt mir. Oder mein Zug führt dazu, dass ich einen Auftrag erfüllen kann. Was ja schön ist. Aber ich möchte mit dem Auftrag einen besonders guten Dauereffekt freischalten, und das kostet noch mal extra.
Und so rechne ich meine Möglichkeiten durch. Und irgendwann komme ich vielleicht darauf, dass mir gar nichts gefällt und dass ich einen bestenfalls mittelmäßigen Zug hinkriege. Aber auch den muss ich noch mal gut durchplanen. Denn er soll mich ja befähigen, wenigstens mit der nächsten Figur einen besseren Zug machen zu können.
Was taugt es? Man sollte sich darauf einstellen, dass DARWIN’S JOURNEY hart und bestrafend sein kann. Mehrfach hatten Personen, die in der Zugreihenfolge hinten saßen, das Gefühl, von Beginn an hinterherzurennen. Die beliebtesten Aktionen sind sofort belegt. Man muss auf etwas anderes ausweichen oder für eine Aktion bezahlen, die andere kostenlos bekommen haben. Das fühlt sich nicht gut an. Erst recht nicht, wenn man im Spielverlauf pleitegeht und Notzüge ausführen muss, um überhaupt wieder ein bisschen Geld zusammenzukratzen.
Durch die extreme Verknappung, die starke Verzahnung und obendrein diverse Ketteneffekte wird DARWIN’S JOURNEY im Spielverlauf immer grübeliger. Das nehme ich hier aber gern in Kauf, weil das System bei aller Komplexität sehr logisch und dicht ist, und es deshalb Spaß macht, in diesem System zu agieren und gute Lösungen zu finden. Die Denkarbeit mündet in befriedigende Spielfortschritte und Belohnungen.
Das könnte man natürlich über jedes komplexe Spiel sagen, auch über solche, bei denen ich den Eindruck habe, sie seien vor allem der Komplexität wegen komplex. DARWIN’S JOURNEY ist da schon hart an der Grenze – aber noch nicht drüber, weil wesentliche Kernkonzepte (Wettläufe auf Inseln, auf hoher See und um freie Plätze im Museum) sehr konkret sind.
Trotz detailreicher Mechanik empfinde ich DARWIN’S JOURNEY nicht als überladen. Die vielen Elemente tragen dazu bei, um verschiedene Strategien zu ermöglichen und den Spielaufbau variabel zu halten. Die Idee, Figuren zu spezialisieren, ist obendrein mechanisch ungewöhnlich und trägt als Basis das gesamte Spiel.
DARWIN’S JOURNEY ist sehr schön gestaltet, die Symbole sind gut verständlich. Manche sind allerdings zu klein.
***** reizvoll
DARWIN’S JOURNEY von Simone Luciani und Nestore Mangone für eine:n bis vier Spieler:innen, Skellig Games / Thundergryph Games.
2 Kommentare:
Moin, "Mehrfach hatten Personen, die in der Zugreihenfolge hinten saßen, das Gefühl, von Beginn an hinterherzurennen."
Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier spielmechanische Kritik an der Ausgewogenheit herauslese: Bezieht sich das auf die anfangs ausgeloste Reihenfolge oder ist das einfach eine Herausforderung, mit der jeder Spieler pro Spiel mal konfrontiert wird, weil der Startspieler rotiert o. Ä.?
Sehr schöner Blog, ich lese jeden Beitrag mit großem Interesse!
Die Reihenfolge wechselt nicht automatisch. Ich muss einen Zug dafür opfern, um mich an die erste Position zu setzen. Hinten zu sitzen, ist bei knappem Geld immer unangenehm: zu Spielbeginn und während der Partie.
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