Freitag, 10. Oktober 2008

El Capitan

Dass Wolfgang Kramer inzwischen häufiger ältere Werke überarbeitet, erfüllt mich mit einer gewissen Hoffnung. Hoffnung darauf nämlich, dass irgendwann DER GROSSE GALLIER an der Reihe ist. Dessen Lügen-Mechanismus finde ich nach wie vor toll. Grafisch allerdings war das Spiel völlig verhunzt. Wie übrigens auch TYCOON, der Vorgänger von EL CAPITAN. Und betrachtet man nun den Nachfolger, muss man anerkennend nicken: Jawoll, bereits dafür hat es sich gelohnt!

Wie geht EL CAPITAN? EL CAPITAN ist ein Mehrheitenspiel. In neun Städten wetteifern die Spieler darum, die meisten Warenhäuser zu besitzen. Aber...
Erstens: Häuser darf nur bauen, wer mit seinem Schiff vor Ort ist. Und um von Stadt zu Stadt zu gelangen, benötigt man Reisekarten. Die kosten Geld. Geld hat man aber nicht, also nimmt man Kredite auf. Möglichst nicht zu hohe, denn die Zinsen sind horrend. Aber auch möglichst nicht zu niedrige, denn wegen eines weiteren Kredites erneut in die Bank zu ziehen, bedeutet Zeitverlust.
Zweitens: Der Wert der Städte verändert sich. Zunächst steigt er an, wenn mehr Häuser in einer Stadt gebaut werden. Ab dem neunten Haus jedoch schlägt die Bilanz ins Gegenteil um und jetzt vermindern Neubauten den Punkteertrag. Außerdem werden ältere Gebäude im späteren Verlauf zu Gunsten neuerer wieder abgerissen, was die Mehrheiten schnell ändern kann.

Was passiert? EL CAPITAN stellt die Spieler vor paradoxe Herausforderungen: Einerseits möchte man in möglichst vielen Städten vertreten sein, weil man dann an vielen Mehrheitswertungen teilnimmt und weil das Spiel Verstreuung mit einem fetten Extra-Bonus belohnt. Andererseits verbraucht ständiges Herumsegeln auch viele teure Reisekarten.
Ein weiteres Dilemma: Städte erreichen rascher ihren Maximalwert, wenn noch ein zweiter Spieler hier Häuser aufstellt. Aber natürlich ist ein zweiter Spieler auch unliebsame Konkurrenz, die einem den ersten Wertungsplatz streitig macht. Und gesellt sich gar ein Dritter hinzu, hört die Kooperation endgültig auf.

Was taugt es? EL CAPITAN ist ein Optimierungsspiel. Es zwingt dazu, mit dem Kapital gut zu haushalten und schon mehrere Züge im Voraus zu planen, nicht zuletzt um die unvermeidliche Kreditaufnahme möglichst passend zu bemessen.
Auf der anderen Seite bleibt stets eine Abhängigkeit davon, welche Reisekarten die Bank gerade anbietet. Und noch mehr die Abhängigkeit von den Entscheidungen der Mitspieler: Vielleicht lassen sie mich in Ruhe; vielleicht attackieren sie ständig meine Mehrheiten. Und dies möglicherweise nicht mal mit Vorsatz, denn auch die Mitspieler sind ja abhängig davon, welche Reiserouten ihre Karten zulassen.
Interaktion bedeutet bei EL CAPITAN häufig das Zerstören der Planungen - und Destruktion ist nicht gerade meine Lieblingsform des Interagierens. Insgesamt ein Spiel, das zu seiner Zeit (vor zehn Jahren) bemerkenswert gut war, und mit dem man auch heute noch sehr zufrieden sein kann, das sich angesichts der inzwischen großen Konkurrenz aber nicht aufdrängt.

EL CAPITAN von Wolfgang Kramer und Horst-Rainer Rösner für zwei bis fünf Spieler, ProLudo.

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