Dienstag, 20. April 2010

Hansa Teutonica

Das Internet hat der Essener Messe ihren Zauber genommen. Ausführlichste Vorschauen erlauben dem professionellen Messebesucher, schon Tage vorher seinen Einkaufszettel, die Marschroute und den Finanzbedarf genauestens auszubaldowern. Um den straffen Zeitplan einzuhalten, darf vor Ort nichts schief gehen, die Vorbestellungen müssen abholbereit da liegen, keine Warteschlange darf länger sein als kalkuliert.
Alles bricht zusammen, sobald im Messegeflüster wiederholt ein Spiel genannt wird, das man vorher gar nicht auf der Rechnung hatte. Ein überraschend auftauchendes gutes Spiel ist der größte anzunehmende Unfall.

Wie geht HANSA TEUTONICA? Entgegen dem aktuellen Trend, Spiele mit Aktionsfeldern oder –karten vollzustopfen, passiert bei HANSA TEUTNICA vorrangig eins: Wir setzen Klötzchen. Auf Straßen.
Wer eine Handelsroute zwischen zwei Städten komplett belegt, errichtet entweder in einem der Orte eine Niederlassung oder nutzt die Sonderfunktion der entsprechenden Stadt: Groningen vergibt mächtigere Großhändler-Klötzchen, Köln schüttet Sonderpunkte aus; Göttingen erhöht die Zahl der pro Spielzug erlaubten Aktionen.
Punkte zählen schlussendlich aber nur die Niederlassungen. Erstens alle Städte, in denen man der Boss ist (die meisten oder bei Gleichstand die tollsten Niederlassungen). Zweitens das größte eigene Handelsnetz (dazu zählen sämtliche Niederlassungen in miteinander benachbarten Städten).

Was passiert? Weil alle Spieler sich auf alle freien Straßenfelder setzen dürfen, stellt man sich anderen gern in den Weg. Verdrängt zu werden, ist bei Spielen üblicherweise von Nachteil; bei HANSA TEUTONICA besteht die Kunst gerade darin, mittels gezielter Blockaden Rauswürfe zu provozieren. Wer fliegt, darf nämlich sofort den geschlagenen plus einen zusätzlichen Stein woanders aufs Brett bringen. Ein Tempogewinn.
Tempo ist wichtig bei HANSA TEUTONICA, deshalb stürzen sich Anfänger so gern auf Göttingen. Statt zwei bald über drei, vier oder gar fünf Aktionen pro Spielzug zu verfügen ist zweifellos verlockend, doch auch eine Frage des Aufwandes. Kabbeln sich alle nur um Göttingen und einem anderen Spieler gelingt es, früh eine der Spielendebedingungen auszulösen, nützen die vielen Aktionen schon nicht mehr so viel.

Was taugt es? Konsequent aufs Wesentliche reduziert wirkt HANSA TEUTONICA zunächst spröde. Doch es gewinnt mit jeder Partie. Zu allen Strategien findet sich auch ein Gegenentwurf und die letztendlich beste Vorgehensweise ergibt sich erst aus dem Spielverlauf. Ein Spiel mit Langzeitwirkung.

HANSA TEUTONICA von Andreas Steding für zwei bis fünf Spieler, Argentum.

4 Kommentare:

Maddin =:-) hat gesagt…

Puuuhhh - Moin Udo!

Da mutest Du uns aber einiges zu...
Ich habe HANSA T. bisher genau einmal gespielt und - nun - die Möglichkeit, es könnte "mit jedem Spiel gewinnen" kann ich nicht ausschließen. Gefühlt kann es - ääähm - ja nur noch gewinnen. Bleibt aber die Frage: wieviele Chancen hat ein Spiel verdient, bevor es die "Break Even"-Marke (soll heißen: Spielspaß = Null, nicht mehr negativ) erreicht? Jedenfalls würde ich bisher immer "RAJA" bevorzugen, dass mir vom Charakter her ähnlich erscheint und viiiieeelll schöner (oder "weniger spröde") herüberkommt...

Liebe Grüße!

Udo Bartsch hat gesagt…

Hi Maddin,
im Gegensatz zu dir fand ich Hansa Teutonica schon in der ersten Partie sehr interessant, hätte zu dem Zeitpunkt bloß noch nicht gedacht, dass soo viel drin steckt. Wenn Hansa Teutonica bei dir allerdings derart tief im Minus startet, ist es vermutlich lohnenswerter, deine Zeit in andere Spiele zu investieren. Heutzutage gibt es ja durchaus Alternativen; man muss nicht mehr alles mögen.
Ganz anders als damals, ALS ICH NOCH KEIN SPIELER WAR... womit ich jetzt in sehr dezenten Großbuchstaben auf die demnächst hier startende Nachfolgeserie zum MITSPIELER DES MONATS hingewiesen hätte.

Maddin =:-) hat gesagt…

Hehehe -
ich hatte mich schon länger gefragt, wann Dir die erwähnenswerten Kollegen ausgehen...
=;-)

Dann erwarte ich auf jeden Fall mit Spannung, was da so kommt. In MEINER Erinnerung taucht die angegebene Zeit kaum auf; ich war schließlich direkt vom MONOPOLY/RISIKO-Alter in die Rollen- und Postspiel-Szene gerutscht und dann (natürlich) sehr schnell am "Brett" gelandet...

Liebe Grüße,
Maddin =:-)

Dieter Niehoff hat gesagt…

Hallo Udo,

habe gestern meine 16. Partie (bin Buchhalter in Sachen Spiele) und kann nur bestätigen: Meine erst Partie war grauselig. Ich wurde von zwei Mitspielern abgeledert, die sich stets gegenseitig von den Hansawegen hinauswarfen und dadurch ihren Klötzcgenbestand im Spiele gegenseitig hochhielten. Ich krauterte so vor mich hin und verstand nix. Ab der 2. Partie kamen erste Aha-Erlebbnisse. Dann wuchesen mein Ehrgeeiz und mein Respekt vor diesem Spiel immer mehr. Mittleweile, auch nach mehreren 2-Person-Partien lautet mein Urteil: Das für mich reizvollste und interessanteste Spiel seit PUERTO RICO.

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