Mittwoch, 10. September 2014

Vor 20 Jahren (21): Manhattan

Im Jahr 1994 war ich endlich Geek genug, um mir das Spiel des Jahres zu kaufen, bevor es Spiel des Jahres wurde. Schuld daran war wieder einmal die Fairplay, deren Comic Review Team MANHATTAN in einem Preview (Heft 27) frühzeitig umjubelt hatte.

Meine Spielrunden und ich empfanden das Spiel dann allerdings nur als ganz nett: sich nirgends zum Feind machen, nicht auffallen, passende Karten ziehen: Das ungefähr war es, und das war schon vor 20 Jahren nicht überragend. Immerhin brachte MANHATTAN dieses Prinzip sehr schlank auf den Punkt, verknüpfte gelungen Thema und Mechanismus und sah toll aus. Neben der Dreidimensionalität faszinierten mich vor allem die Spielkarten. Ich fand die Gestaltung erstaunlich modern, nicht nur im Vergleich mit anderen Kleinverlagen, sondern auch im Vergleich mit den Großen.

Verantwortlich für die Grafik war keiner der üblichen Verdächtigen (nebenbei bemerkt: damals waren die üblichen Verdächtigen noch gar nicht so verdächtig), sondern eine Firma namens Zeilbeck & Natzeck Design Company, die mir bereits bei MODERN ART überaus positiv aufgefallen war und die ich fortan als meine Helden betrachtete. Oder betrachtet hätte. Wenn denn weitere Heldentaten gefolgt wären. Die folgten aber nicht. MANHATTAN war das letzte von Zeilbeck & Natzeck gestaltete Spiel – warum auch immer.

Heutzutage könnte man einen Shitstorm lostreten, eine Online-Petition anstrengen oder zumindest empört ins spielbox-Forum bölken. Damals in den 90ern musste man Enttäuschungen aller Art einfach schlucken. Also schluckte ich. Und im Nachhinein betrachtet, mal ehrlich: Der Spielplan von MANHATTAN sieht eigentlich ziemlich schrill aus. 90er eben. Eine Online-Petition wäre mir nachträglich sehr peinlich.

Auch wenn ich MANHATTAN nur „ganz nett“ fand: Um die 20 Partien werde ich sicher gespielt haben. Damals gab man Spiele nicht so schnell auf. Jahre später erfuhr ich zudem von einer Godzilla-Version, in der die Hochhäuser durch ein wütendes Monster wieder abgetragen wurden. Als erklärter Liebhaber von Stadtzermalmungsspielen schuf diese Variante für mich einen neuen Reiz und war der Grund, MANHATTAN doch noch hin und wieder zu entstauben.

Und wer sich nun fragt, wo die lustige Anekdote bleibt, dem sei gesagt: Ich bin ein Spiele-Nerd! Mein Leben enthält nicht so viele lustige Anekdoten wie vielleicht die Leben anderer Menschen, die ein echtes Leben haben. Und es war auch niemals die Rede davon, dass in der Rubrik „Vor 20 Jahren“ ausschließlich lustige Anekdoten erzählt werden. Natürlich steht jedem Leser die Möglichkeit offen, einen Shitstorm loszutreten, eine Online-Petition anzustrengen oder empört ins spielbox-Forum zu bölken. Am Ende wird man aber feststellen, dass sich seit den 90ern gar nicht so viel getan hat: Bestimmte Dinge muss man einfach schlucken.

Lektüre-Tipp: Christof Tisch: Das Auge spielt mit (spielbox: Hans im Glück – Der Almanach)

Vor 20 Jahren (20): Indiscretion
Vor 20 Jahren (22): Auf Heller und Pfennig

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als Kind habe ich das Spiel geliebt und heute spiele ich es immer noch gerne. Wo gibts einen Hinweis auf die Godzilla-Variante? Einfach nur ne Regeländerung oder neue Karten?

Jan

Udo Bartsch hat gesagt…

Zum Beispiel hier: http://www.boardgamegeek.com/thread/90010/godzilla-variant
Ich habe es allerdings ein bisschen anders gespielt. Der schwarze Startspieler-Stein ist Godzilla. Godzilla zerstört nicht das gesamte Gebäude, sondern frisst das oberste Bauteil weg, und setzt sich aufs Gebäude. Solange er auf einem Gebäude sitzt, nimmt dieses nicht an Wertungen teil.

Anonym hat gesagt…

Hört sich ganz gut an. Das probier ich demnächst mal aus!
Jan

Graf hat gesagt…

Meine Ausgabe von Manhattan ist falsch bestückt, da hat die graue Farbe einen zusätzlichen großen Bauklotz anstelle eines kleinen. Die Pointe ist: Uns ist das erst nach Jahren des Spielens aufgefallen. All die Jahre hatte Grau einen Vorteil und keiner hat's bemerkt... Insofern denke ich vor allem an diese Geschichte, wenn ich Manhattan höre.

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