Donnerstag, 17. März 2022

Kokopelli

Von einem gewissen Kokopelli hatte ich vor KOKOPELLI noch nie etwas erfahren. Man könnte also sagen, Spielen bildet. Jedoch: Auch durch KOKOPELLI erfahre ich über den Kokopelli eigentlich nichts.

Wie geht KOKOPELLI? Wir legen Karten aus. Jede:r besitzt dafür vier Slots, in jeden darf eine Kartensorte. Es gibt aber zehn Sorten, weshalb man nicht jede Art gleichzeitig bei sich ausliegen haben kann. Als Ausweichmöglichkeit darf man je zwei Ablageplätze der Nachbar:innen mitbenutzen, aber nur um anzulegen, nicht um dort neue Farbreihen zu eröffnen.
Es ist erstrebenswert, immer mal wieder die Hand leerzuspielen. Dann bekommt man nicht nur einen Punkt, sondern zugleich drei neue Karten und spart sich Aktionen fürs Nachziehen. Ein schneller Kartendurchsatz ist in KOKOPELLI gut; die Schlusswertung belohnt, bei Spielende möglichst wenig Karten übrig zu haben.
Bis zu vier Punkte bringt es, wenn man in einen Slot die vierte Karte legt. Diese Karten werden dann abgeworfen, hier kann nun eine neue Sammlung begonnen werden.
Manchmal sehne ich das trotzdem gar nicht so dringend herbei. Denn jede bei mir ausliegende Kartensorte verändert – solange sie liegt – für mich die Spielregeln. Rosa Karten besagen zum Beispiel, dass ich immer einen Punkt erhalte, wenn ich fremde Reihen verlängere. Braune Karten besagten, ich bekomme statt einem sogar drei Punkte, wenn ich meine Hand leerspiele. Warum sollte ich solch schöne Privilegien aufgeben?
Erstens: Um handlungsfähig zu bleiben. Wenn ich meine Karten von der Hand auf den Tisch bekommen will, muss ich irgendwann alle und nicht nur meine Lieblingsfarben spielen. Zweitens: Weil ich mich dazu genötigt sehe. Besser, ich beende eine Sammlung, bevor es wer anders für mich tut und auch noch die Punkte dafür kassiert.


Was passiert? Nachbarschaft wird in KOKOPELLI großgeschrieben. Nicht nur weil es ein Substantiv ist. Auch weil das Spiel viel Interaktion erzeugt. Niemand darf eine Farbreihe eröffnen, die schon anderswo in Reichweite liegt. Also will ich bei den von mir als attraktiv empfundenen Farben meinen Nachbar:innen zuvorkommen, damit die angestrebte Regeländerung mir gilt und nicht ihnen.
Gleichzeitig lege ich auch gerne mal bei anderen an, um das Abschaffen ihrer Sonderregeln voranzutreiben. Wobei ich wiederum nicht gerne anlege, wenn ich damit nur die Vorlage gebe, die Reihe zu vollenden und Punkte einzusacken. Und umgekehrt ist damit zu rechnen, dass andere in meine Reihen hineinpfuschen und sie mir vor der Nase weg abschließen.
Weil von 16 enthaltenen Kartenfarben immer nur zehn mitspielen, sind die Akzente in jeder Partie etwas anders. Manche Farben erhöhen das Tempo, andere schütten mehr Punkte aus, andere machen mich beim Ausspielen flexibler.


Was taugt es? Ich spiele KOKOPELLI gern, weil immer was los ist. Dass ich anderen reingrätschen kann oder sie mir, lässt Emotionen aufkommen. Kann ich Reihen abschließen, werde ich das im Regelfall auch tun. Oft sind meine Züge aber eben nicht so klar und ich muss abwägen, ob ich mit dem arbeite, was ich habe, oder lieber eine Aktion fürs Nachziehen oder Austauschen verwende. Ob ich anderen etwas gönne, um möglichst schnell das Blatt wegzuspielen, oder noch einen Zug abwarte, ob sich Besseres ergibt. Ob es sich lohnt, einen meiner Joker einsetzen, oder ob ich ihn lieber aufspare.
KOKOPELLI erinnert entfernt an Stefan Felds REVOLTE IN ROM, bei dem ebenfalls individuelle (und wechselnde) Kartenauslagen unsere Aktionsmöglichkeiten vorgeben. KOKOPELLI ist weniger konfrontativ, schneller und direkter, indem gespielte Karten nichts kosten und auch nicht erst durch Würfel aktiviert werden müssen.
Ein einfaches Spiel ist KOKOPELLI deshalb aber noch nicht. Es passiert wiederholt, dass Effekte oder Regeln vergessen werden und Mitspieler:innen hinterher auffällt, dass ihnen für irgendwas noch Punkte zugestanden hätten. Oder Farbreihen werden eröffnet, die wegen der Reichweitenregel nicht hätten eröffnet werden dürfen. Intuitiv sind die Regelverflechtungen nicht, und das Thema gibt auch keine Hilfestellung.
Die Vielfalt hat sich als nicht so groß herausgestellt, wie man angesichts der vielen Kartensorten und der damit verbundenen Regelvarianten denken könnte. Die Partien laufen ähnlich ab und fühlen sich ähnlich an. Angesichts des Aufwandes, der zu Beginn einer Partie betrieben werden muss, um mitspielende Kartensorten von nicht mitspielenden zu trennen, und um, nachdem man das alles sortiert hat, die ausgewählten Decks wiederum gründlich zu mischen, hätte ich gehofft, dass manche Partien auch strategisch einen anderen Charakter annehmen. Tatsächlich bleibt KOKOPELLI taktisch und situativ geprägt und damit eher oberflächlich.


**** solide

KOKOPELLI von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler:innen, Queen Games.

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