1999 war auf der Messe in Essen vieles neu: Es gab erstmals einen Comic-Bereich, die Fairplay führte erstmals ihre Scout-Aktion durch, und ich hatte mich erstmals als Presse akkreditiert. – Und wie viele Rezensionsexemplare sackte man so als ein als Presse? In meinem Fall waren es … neun: vier Kartenspiele, fünf große Spiele.
Niedlich, nicht wahr? Verglichen mit den Loot-Wolkenkratzern, die man heutzutage auf YouTube bestaunen kann, mutet das an wie voriges Jahrhundert. Und was soll ich sagen: Es war auch voriges Jahrhundert. Doch neun Spiele waren selbst im Jahr 1999 nicht viel, wenn man, wie ich, seit einem halben Jahr eine Spieleseite in einer Tageszeitung zu bestücken hatte. Aber die Sache lief nicht so. Die Seite, die monatlich erscheinen sollte, machte immer längere Pausen. Und weil ich stets fleißig weitergeschrieben hatte, war ein beträchtlicher Rückstau entstanden.
Ich lernte auf dieser Messe, dass ich anscheinend nicht sonderlich seriös rüberkomme. Ein Verlag, dessen Spiel ich in der Fairplay besprechen sollte, wollte es nicht rausrücken. Obwohl die Fairplayer angekündigt hatten: Achtung, da kommt ein Udo Bartsch und holt für uns das Spiel. – Nö. Man kannte mich nicht, man traute mir nicht, es gab so viele Abzocker. So musste sich dann einer aus der Fairplay-Redaktion aufmachen, um das vereinbarte Spiel abzuholen und mir schlussendlich in die Hand zu drücken.
Geradezu traumatisiert hat mich mein Erlebnis bei einem größeren Verlag. Ich hatte einige der Frühjahrs-Neuheiten bekommen und ungefähr die Hälfte in der Tageszeitung besprochen. Und auch die andere Hälfte hatte ich besprochen, nur waren die Seiten eben noch nicht gedruckt worden. In meiner Unerfahrenheit hatte ich gedacht, dass ich mich um nichts kümmern muss, weil eine Tageszeitung – selbstverständlich – Belege an die Verlage rausschickt. Jetzt lernte ich: Äh … nein.
Der Verlagsmensch teilte mir mit, er haben meinen Namen auf seiner langen Schwarzen Liste derer notiert, die Spiele erhalten, aber nichts veröffentlicht hatten. Essen sei voll von Schnorrern, da müsse man hart sortieren. Und zutiefst erschrocken dachte ich: „What?!“ (Oder was man im vorigen Jahrhundert so dachte, wenn man zutiefst erschrocken war.)
Seitdem verschickte ich meine Zeitungsbelege in Kopie grundsätzlich selbst. Und führte sorgsam Protokoll darüber, von welchem Verlag ich was bekommen und was wo besprochen hatte, damit ich bloß nichts übersah. Was aber nicht heißt, dass jede Pressestelle meine Werke auch zur Kenntnis nahm. Noch Jahre später und obwohl ich da längst regelmäßig für diverse und auch große Zeitungen schrieb und für mein Empfinden sehr, sehr produktiv war, geriet ich an Presse-Verantwortliche, die mich beim Termin irritiert fragten: „Wer sind Sie? Für wen schreiben Sie?“
Lag es an meinen langen Haaren, dass man mir meine journalistische Tätigkeit nicht abnahm? Trat ich zu schüchtern auf? Hätte ich mit Rollkoffer und Visitenkarte erscheinen sollen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Ab Ende 2007 wurde es schlagartig besser.
- Vor 20 Jahren (81): Krieg und Frieden
- Vor 20 Jahren (83): Millennium
2 Kommentare:
Lieber Udo,
Deine Texte sind genial und höchst unterhaltsam. Kennst Du den leider viel zu früh verstorbenen Michael Knopf? Dessen Buch lese ich immer wieder mit großer Begeisterung. Wirst auch Du mal ein Buch veröffentlichen? Ich hoffe sehr darauf!
Danke für das Kompliment! Ich kannte Michael Knopf. In sechs Jahren oder so hätte ich dann auch eine kleine gemeinsame Anekdote zu erzählen.
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