Mittwoch, 5. Mai 2021

Vor 20 Jahren (101): Mensch ärgere dich nicht

Ich sag’s gleich, damit’s nicht zu spannend ist: Ich habe mich geärgert! Wieder und wieder. Und es geht hier nicht um das gleichnamige Spiel. Das habe ich nur deshalb prominent als Überschrift gewählt, um Millionen Menschen auf diese Seite zu locken, denen wegen Corona zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und die nun das Internet nach hippen Freizeitideen durchforsten.

Diesmal geht es nicht um Spiele. Es geht um Spielkritik. Und um den hochtrabenden Versuch, ins Feuilleton einer bedeutenden Tageszeitung vorzudringen. Oder wenigstens ins Feuilleton. Oder überhaupt in die Zeitung. Vielleicht auf die Freizeitseite? Die Kinderecke? Verbraucher-Tipps? Egal.

Bereits vor 21 Jahren war es mir glorreich gelungen, ein paar Zeitungen zu rekrutieren (REZENSIONEN FÜR MILLIONEN berichtete), doch wirklich gut lief es immer noch nicht. Jetzt, 20 Jahre später, glaube ich, das grundsätzliche Problem erkannt zu haben. Ungeheuerlich – aber: Den Redaktionen war die Sache einfach nicht so wichtig wie mir! Die Spiele nicht. Und meine Artikel darüber auch nicht.

Auf der einen Seite gab es Redaktionen, die sich nur ganz schwer entscheiden konnten. Man schlug denen irgendwas vor, und dann musste wegen eines 35-Zeilen-Artikels erst mal intern Rücksprache mit Kolleg:innen und noch mehr Kolleg:innen gehalten werden und nach dem dritten Anruf kriegte man sehr zögerlich zu hören: „Hm, ja, gut, schicken Sie es mal. Aber unverbindlich!“

Daneben gab es Zeitungen, die einfach druckten, was sie so bekamen. Ich schrieb auf Vorrat, und irgendwann wurde es veröffentlicht. Oder auch nicht. Mal gingen Artikel verloren, mal gingen Fotos verloren. Was man natürlich erst erfuhr, wenn man sich zu wundern anfing, warum so lange nichts erschienen war. Ich glaube, es hat in all den Jahren nie jemand bei mir nachgefragt: „Hey, kann es sein, dass wir nichts mehr von Ihnen haben?“ Und: Nein, es hätte nicht sein können. Dass nichts vorlag, ist mir nie passiert, da habe ich schon sehr genau aufgepasst. Aber tatsächlich interessierte es nicht. Wenn vermeintlich nichts da war, war eben nichts da. Bringen wir halt was anderes. Rezepte. Silbenrätsel. Gartentipps.

Ja, das war alles ziemlich ärgerlich. Am meisten aber habe ich mich geärgert, als jemand in (gefühlt) „mein“ Revier eindrang. Das war ein Rezensent, der seitenweise Artikel auf gut Glück schrieb und diese dann unverlangt im Streuverfahren an Dutzende E-Mail-Adressen diverser Redaktionen rausballerte. Gegen Honorar durfte man sich bedienen ... und „meine“ kleine Tageszeitung tat es!

Ziemlich sauer rief ich damals dort an, nachdem statt meiner Rezension zu DER HERR DER RINGE nun seine erschienen war. Versehentlich, wie es hieß. Dass auch von mir etwas zu dem Spiel vorlag, war leider übersehen worden. Und als ob das die Sache wieder gut machen würde, wurde mein Text dann als „Zweitmeinung“ auf der Internetseite der Zeitung veröffentlicht. Natürlich ohne Honorar. War ja nur eine Zweitmeinung. Im Internet. Und kein echter Artikel in einer echten Zeitung.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke, Udo. Ich dachte schon, ich bin der einzige, dem es in den letzten Jahren so erging. Na, da sind wir wenigstens Leidensgenossen, und wie man so schön sagt: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Anonym hat gesagt…

Beim Lesen der sprachverhunzenden nervigen Genderksontrukte mit Satzzeichen mitten im Wort ("mit Kolleg:innen und noch mehr Kolleg:innen") wünsche ich mir doch fast, dass Zeitungen auch weiterhin andere Spielekritiker bzw. deren (hoffentlich vernünftig lesbare) Texte bevorzugen. Oder lieber Silbenrätsel oder Kochrezepte bringen.

Matthias hat gesagt…

Dass man sich daran derart stören kann? Danke Udo für deine pointierten und erfrischenden Texte, deren Inhalt mich weit mehr interessieren als wie man "richtig" gendergerecht schreibt. Auch wenn ich den Doppelpunkt bisher kaum gesehen habe, so gefällt mir seine m.E. diskretere Präsenz. Würde als einzeichige Einleitung wohl etwas mehr auffallen ;-)

Unknown hat gesagt…

Der Doppelpunkt hat gegenüber dem Stern sogar den Vorteil, dass viele Sprachausgaben ihn als die gedachte Lücke 'vorlesen', während der Stern als Stern genannt wird. Das hilft somit auch sehbeeinträchtigten Blogbesucher:innen und Menschen, denen das Lesen schwerfällt.

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