Dienstag, 31. Juli 2012

Gern gespielt im Juli 2012

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

ECLIPSE: Ich mag ja nicht so gerne Spiele mit Kämpfen. Aber die Neutronenbombe brauche ich natürlich schon.



DUNGEON PETZ: Wunder der Dressur: Nachdem mir der bekloppte Pinguin letztes Mal pausenlos den Käfig vollgekackt hat, um sich anschließend auf Nimmerwiedersehen wegzuzaubern, habe ich jetzt immerhin neun Punkte mit diesem Rohrkrepierer erzielt.

DIE SPEICHERSTADT - KAISPEICHER: Falls der Verlag dem Autor als Arbeitsauftrag gegeben hat, sein Spiel so zu verändern, dass ich nicht mehr so oft gewinne, dann ist dies eine Erfolgsmitteilung.


CROSSWISE: Ich will keine Namen nennen. Aber hielten sich nicht bis neulich zwei Mitspieler für vollkommen unschlagbar? Faselten sie von einer angeblichen Siegesserie? Derlei Hirngespinste dürften sich erledigt haben.

7 WONDERS - CITIES: Ändert nicht viel. Sieht aber gut aus. Und das reicht mir schon. Denn was will man bei 7 WONDERS noch groß ändern?



FREEZE: Meine Paraderollen: Hitler in der Schlacht und Hitler im Bunker. Demnächst: Hitler im Nagelstudio?



Montag, 30. Juli 2012

Frigiti

Das Aufblühen meiner Spielleidenschaft haben intellektuelle Freunde nicht nur mit TRIVIAL PURSUIT zu torpedieren versucht. Ein weiteres Instrument der Abschreckung nannte sich „Lexikonspiel“. Wohl jeder kennt es: Man nimmt ein Fremdwörterlexikon, einer wählt einen der Begriffe aus und die anderen verfassen eine Phantasie-Definition. Punkte gibt es, wenn man die richtige Bedeutung errät oder andere mit seiner erfundenen auf die falsche Fährte führt.
Ich habe das Lexikonspiel gehasst. Die wirklich unbekannten Begriffe aus dem Buch konnten alles und nichts bedeuten. Nach meinem Empfinden lag man mit etwas Medizinischem oder etwas Biologischem fast immer gut. Und das war langweilig. Und noch langweiliger war der Zwang, in seiner Definitionen einen lexikalischen Wert vorzutäuschen. Gepflegter Unfug steht in solchen Büchern nun mal nicht drin. Alles, was lustig sein könnte, schied aus.

100 Jahre später: Plötzlich kommt FRIGITI daher und macht aus dem Lexikonspiel ein Spiel.

Wie geht FRIGITI? Erster Unterschied zum Lexikonspiel: Das zu definierende Wort gibt es gar nicht. Ein Spieler rollt zehn Buchstabenwürfel und bastelt mit den erzielten Buchstaben einen Phantasiebegriff nach eigenem Geschmack: Plonkatz. Pagtrieb. Furxon. Lugotirp. Bruzzigras. Hanifi. Freikohl. Sadilist. Govkial. Und so weiter. Dazu schreibt jetzt jeder eine Definition. Die Zettel werden gemischt, reihum liest jeder einen vor, anschließend vergibt jeder Punkt-Chips für die drei seiner Meinung nach besten Texte.
Zweiter Unterschied zum Lexikonspiel: Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Begriff und Definition müssen nicht lexikonwürdig sein. Das eröffnet kreative Spielräume. Der Schreiber kann versuchen, seine Mitspieler durch eine überraschende Assoziation oder eine witzige Bedeutung für seine Schöpfung einzunehmen.

Was passiert? Es stellt sich ziemlich schnell heraus, dass manche das besser und manche das weniger gut können... Aber ist es in Taktikspielen nicht genauso (wenn auch mit vertauchten Rollen vielleicht)? Allerdings hängt bei FRIGITI auch der Spielspaß mit dem Können der Runde zusammen. Je größer die Gruppenbegabung, desto besser FRIGITI. Manche Runden sind ziemlich unlustig. In anderen sind die Unsinnsdefinitionen so gut, dass ich sie ohne weiteres als absolut lexikonwürdig einstufen würde. Jedenfalls lexikonwürdiger als die dreiundneunzigste unbekannte Krankheit oder Pflanzenart.

Was taugt es? Buchstabenwürfel dienen in Wortspielen üblicherweise dazu, um existierende Wörter zu bilden. Die Idee, dieses Prinzip auf den Kopf zu stellen, ist hervorragend. Dennoch ist FRIGITI für meinen Geschmack nicht ganz oben mit dabei, wenn es darum geht, die besten Party-Spiele der jüngsten Zeit zu bestimmen. Wenn ich mir überlege, was ich noch lieber spielen würde, fallen mir spontan Spiele ein, die rasanter verlaufen. FRIGITI hat seine behäbigen Phasen, wenn manche Spieler beim Schreiben nicht in die Pötte kommen, dann die Definitionen reihum vorgelesen werden und jeder sich ein Stichwort notiert und anschließend noch mal alles aufgerollt wird, um jetzt noch die Chips zu verteilen.
Trotzdem spiele ich bei FRIGITI gerne mit. „Solide“ begreife ich (und das habe ich hier schon mal definiert) nicht als schlechte Note.

FRIGITI von Andrea Meyer für vier bis sechs Spieler, Bewitched-Spiele.

Sonntag, 22. Juli 2012

The City

Ich überlege gerade, was ich Kluges zum Thema „Stadt“ schreiben könnte. Aber einem Hannoveraner traut man da vermutlich sowieso keine Kompetenzen zu. Dabei ist hier ganz schön was los. Man sagt, wir haben die größte Kiosk-Dichte Deutschlands. Und wem das nicht imponiert, weil er vielleicht nicht so gerne auf der Straße pichelt (hier allerdings ist das Volkssport), dem empfehle ich direkt ums Eck den „Pub Polska Non Stop“ mit seinen täglich wechselnden Angeboten: „Schnaps 1€“ zum Beispiel lässt Gourmets und Sparfüchse im Gleichtakt mit der Zunge schnalzen.
Vor ein paar Tagen sind hier fünf Affen aus ihrem Zoo-Gehege ausgebrochen, am Mittwoch wurde im Stadtteil eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gesprengt, und vorgestern fand man nur drei Straßen weiter eine Frauenleiche in einem Pappkarton. Ich finde das alles sehr urban.

Aber zurück zum Thema:
Wie geht THE CITY? Jeder baut seine Stadt. Dazu besitzen wir Karten (anfangs fünf, später maximal zwölf). Simultan und geheim wählt jeder eine, die er bauen möchte. Das kostet als Bezahlung eine oder mehrere andere Handkarten, die dann abgeworfen werden. Die gebauten Karten bringen jede Runde einen Ertrag: a) Siegpunkte, die notiert werden, b) Einkommen, das man in Form von Karten auf die Hand nimmt. Sobald jemand 50 Punkte erreicht oder überschreitet, endet THE CITY. Wer am meisten Punkte hat, ist der beste Stadtplaner. Der beste Stadtplaner wiederum ist ein toller Hecht. Und tolle Hechte gewinnen natürlich.

Was passiert? In der ersten Partie ist man sehr überrascht, wie schnell THE CITY doch geht. Irritierte Fragen tauchen auf: Haben wir alles richtig gemacht? Zählen die Siegpunkte aller Karten tatsächlich jede Runde erneut? Geht es bis 50 Punkte insgesamt oder bis 50 Punkte pro Runde? Man studiert noch einmal die Regel, und... ja, alles war korrekt! THE CITY dauert wirklich nur so um die acht Runden. Etwa acht Mal wählt man eine Karte aus, notiert Punkte, zieht Karten nach. Fertig. THE CITY ist ein 15-Minuten-Spiel.
Und für ein 15-Minuten-Spiel besitzt es erstaunlich viele Wege zum Sieg. Man kann gleiche Symbole sammeln, die sich aufsummieren und für immer höhere Ausschüttungen sorgen. Man kann auf bestimmte Gebäudekombinationen abzielen, die sich gegenseitig hübsch befruchten. Natürlich hängt der Erfolg auch vom Glück ab, im richtigen Moment die passenden Karten nachzuziehen.
Allerdings fühlt sich THE CITY auch fleischlos und solitär an. Durchaus gibt es ein paar Gebäude, die sich auf Gebäude anderer Spieler beziehen. Aber im Wesentlichen spule ich für mich ein Programm herunter. Ich lege mich aufgrund meiner Blätter der ersten Runden auf einen Schwerpunkt fest und versuche, diese Spielweise durchzuziehen.

Was taugt es? Es bleibt ein zwiespältiges Gefühl: Auf der einen Seite: Ja, es steckt mehr drin, als man es einem solch kleinen und solch kurzen Kartenspiel zugetraut hätte. Auf der anderen Seite: Na ja, so richtig doller Spielspaß entsteht trotzdem nicht. Ich glaube, wenn mehrere Leute am Tisch simultan Patiencen legen, dürfte eine ähnliche Stimmung aufkommen.

THE CITY von Tom Lehmann für zwei bis fünf Spieler, Amigo.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Spielejahrgang 2011/12:
Was meine Mitspieler gerne spielen II

Was eignet sich besser für die Überbrückung das Sommerlochs als fragwürdige Statistiken? Höchstens noch Zitroneneis. Aber Zitroneneis kostet Geld. Und Geld ist das, was REZENSIONEN FÜR MILLIONEN noch immer nicht hat. Daran sind die Leser schuld, also bekommen sie zur Strafe fragwürdige Statistiken. Und außerdem ist ja auch Sommerloch.

Worum geht es hier? Meine Mitspieler müssen Noten abgeben. 10 Punkte ist die höchste Bewertung, 1 Punkt die niedrigste. Spielt jemand ein Spiel häufiger und gibt deshalb im Laufe der Zeit mehrere Noten ab, gilt immer nur die zuletzt genannte, da ich davon ausgehe, dass Einschätzungen mit gewachsener Erfahrung mehr Gültigkeit besitzen. Trotzdem beruhen viele Noten auf nur einer einzigen Partie. Diese Erhebung kann also nicht der Spiele-Wissenschaft dienen, sondern bestenfalls der Unterhaltung.
Erfasst sind alle Noten aus meinen regelmäßigen Runden (private Treffen sowie öffentlich an der Uni und in einer kirchlichen Einrichtung). Alle Noten, die ich bei anderen Spielgelegenheiten abfrage (einmalige Veranstaltungen, reine Nominierten-Tests, unregelmäßige Runden), fließen nicht in diese Liste nicht ein, weil es sonst zu inhomogen würde. Insgesamt sind die Noten von 207 Spielern erfasst. Und weil 207 Spieler irren können, stehen auch die richtigen Noten (also meine) mit dabei.

Die zehn Spiele mit der besten Durchschnittsnote:

1. ORA ET LABORA
(Notenschnitt 7,64)
****** außerordentlich
Rezension spielbox 1/2012


2. PICTOMANIA
****** außerordentlich




3. CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL
**** solide




4. TURMBAUER
*** mäßig




5. VILLAGE
***** reizvoll




6. TRAJAN
***** reizvoll
Rezension: spielbox 6/2011



7. RUHM FÜR ROM
***** reizvoll
Rezension: spielbox 5/2011


8. KINGDOM BUILDER
****** außerordentlich




9. KING OF TOKYO
****** außerordentlich
Rezension: spielbox 5/2011



10. DUNGEON FIGHTER
(Notenschnitt 6,96)
***** reizvoll
Rezension: spielbox 5/2012




Die Aufschlüsselung nach der Durchschnittsnote ist nicht unbedingt gerecht. Wenn ein Spiel mal gegen den Trend in einer Runde komplett durchfällt und alle Beteiligten miese Noten abgeben, zieht dies den Schnitt massiv nach unten. Ebenso sind Durchschnittsnoten sehr von dem Zufall abhängig, ob eher kritische oder eher begeisterungsbereite Menschen das jeweilige Spiel gespielt haben.
Deshalb folgt hier noch eine andere Tabelle. Diesmal sortiert nach der absoluten Anzahl der Mitspieler, die 8 Punkte oder mehr gegeben haben. Hier sind natürlich Spiele im Vorteil, die a) schon etwas älter sind und deshalb häufiger benotet wurden, b) schnell gehen und deshalb viel gespielt werden sowie c) von vielen Leuten auf einmal gespielt werden können, wodurch mehr Noten hereinkommen. Also ist auch diese Sortierung nicht gerecht.

Die zehn Spiele mit den meisten Bewertungen ab 8 Punkten:

1. PICTOMANIA
(46 Begeisterte)




2. KING OF TOKYO





3. KINGDOM BUILDER





4. DUNGEON FIGHTER





5. KALIMAMBO
****** außerordentlich




6. TURMBAUER





7. WANZEN TANZEN
***** reizvoll
Rezension: spielbox 3/2012


8. ORA ET LABORA





9. VILLAGE





10. CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL
(12 Begeisterte)





Und wer bis hierhin durchgehalten hat, bekommt zum Schluss eine dritte Statistik geschenkt: Wo steht der aktuelle Jahrgang im Vergleich zum vorigen? Es folgen noch mal die Sortierungen nach Durchschnittsnote und nach Anzahl der Begeisterten, nun unter Einbeziehung von Spielen, die schon ein Jahr älter sind. Die wurden nämlich (vor allem in meinen öffentlichen Runden) eifrig weitergespielt und weiterbewertet, weshalb es durchaus noch ein paar Verschiebungen zum Vorjahres-Resultat gibt.

Sortierung nach Durchschnittsnote:
1. FREEZE
2. DIE BURGEN VON BURGUND
3. ESELSBRÜCKE
4. ORA ET LABORA
5. PICTOMANIA
6. CIVILIZATION - DAS BRETTSPIEL
7. 7 WONDERS
8. GEISTESBLITZ
9. TURMBAUER
10. TRAJAN

Sortierung nach Anzahl der Begeisterten:
1. 7 WONDERS
2. PICTOMANIA
3. KING OF TOKYO
4. KINGDOM BUILDER
5. ESELSBRÜCKE
6. GEISTESBLITZ
7. DIE BURGEN VON BURGUND
8. ULURU
9. FREEZE
10. DUNGEON FIGHTER

Samstag, 14. Juli 2012

Mage Knight - Das Brettspiel

„Uff! Ächz! Was für ein Brecher!“ (Das ist nicht etwa mein Held beim Kampf gegen einen gefährlichen Drachen. Sondern ich beim Erlernen der vielen Regeln.)
Ja, ich weiß, genau das habe ich neulich schon bei „Gern gespielt“ geschrieben. Deshalb lasse meinen verehrten Lesern die freie Wahl: Entweder a) sie akzeptieren es trotzdem als Einleitung oder b) sie akzeptieren es nicht als Einleitung. Wer b gewählt hat, muss diesmal leider ohne Einleitung auskommen. War dann eben ’ne Fehlentscheidung.

Wie geht MAGE KNIGHT? Wir rennen durch die Gegend, hauen Monster platt, werden stärker, finden tolle Gegenstände und werben Gefolgsleute an. MAGE KNIGHT ist wie ein Fantasy-Rollenspiel am Computer – bloß ohne Computer.
Enthalten ist Deckbuilding. Jeder beginnt mit beinahe denselben 16 Karten. Alle Zauber und Artefakte, die man erwirbt, aber auch alle Verletzungen, kommen als zusätzliche Karten in das Deck hinein. Sechs Mal wird es im Regelfall durchgespielt.
Ein Zug besteht aus Bewegung plus Aktion. Die Aktion ist oft Kämpfen, kann aber auch Anwerben oder anderes sein. Alles muss mit Karten bezahlt werden. Mit Mana lassen sich Karten aufwerten. Die Karte „Fußmarsch“ gibt beispielsweise zwei Bewegungspunkte; unter Zuzahlung von grünem Mana vier. „Wut“ zählt zwei Punkte auf Angriff oder Block; mit rotem Mana vier auf Angriff. Obendrein lässt sich jede Karte als Joker für eine andere Basis-Aktion spielen, dann aber nur mit dem Wert eins. „Fußmarsch“ könnte also auch als Angriff eins dienen.
Kommt es zum Kampf, besitzt der Held das Vorrecht, den Gegner mittels Fernkampf auszuschalten. Meistens gelingt dies nicht. Dann schlägt der Feind zu. Seine Angriffsstärke muss mit Block pariert werden, sonst kommen als Störkarten Verletzungen ins Deck oder Gefolgsleute sind außer Gefecht oder beides. Besitzt der Spieler jetzt noch die nötigen Angriffswerte, um den Bösewicht aus den Stiefeln zu hauen, gewinnt er Ruhmpunkte. In wachsenden Abständen bewirkt das einen Levelanstieg: Der Held darf fortan mehr Handkarten halten, nimmt weniger Schaden und bekommt stärkere Aktionskarten. Das Besiegen von Boss-Monstern wird zusätzlich belohnt: Der Held gewinnt Mana oder Zauber oder Artefakte.

Was passiert? Es stellt sich ein ähnlicher Spielreiz ein wie am Computer. Man genießt das Erstarken seines Helden. Anfangs müht er sich noch gegen einen mickrigen Ork, später nimmt er es mit drei durch Stadtmauern geschützten Ungeheuern auf.
Von den Spezial-Karten lernt man in einer Partie nur einen Bruchteil kennen. Obendrein gewinnt man die meisten erst spät und setzt sie demzufolge nur selten ein. Es entsteht der starke Wunsch, mehr zu entdecken. Man ist neugierig, was das Spiel noch alles beinhaltet und welche strategischen Möglichkeiten sich daraus ergeben.
Die Kehrseite sind langwierige Spielzüge. Beim kombinierten Einsatz von fünf, sechs, sieben oder noch mehr Handkarten und dem vorhandenen Mana-Steinen lässt sich viel herausholen. Wie man ein bestimmtes Monster plump killt, lässt sich meistens noch einigermaßen schnell ermitteln. Aber dann bricht der Perfektionsdrang durch. Man überlegt von vorn und versucht, es noch besser hinzukriegen. Mit weniger Verletzungen, mit weniger Mana, mit weniger Karteneinsatz. – Und das kann dauern. Und vielleicht geht es nicht mal besser.

Was taugt es? MAGE KNIGHT hat eine hohe Einstiegshürde. Das liegt nicht am Regeltext. Der ist sehr durchdacht aufgebaut. Vielmehr liegt es an den Details. Nach dem Regelstudium glaubt man, alles verstanden zu haben. Im Spiel tauchen dann lauter Fragen auf, die das Nachschlagen erfordern und den Spielfluss bremsen: Wird der Feind offen oder verdeckt gelegt? Was sind „Nachtregeln“? Wie wirkt Eis-Widerstand? Und was bedeutete noch mal Gift? – Wer MAGE KNIGHT erlernen will, muss sich darauf einstellen, dass dies mehr Arbeit macht als ein typisches Euro-Game.
Einen Zug zu planen, erfordert Konzentration. Okay, das gilt für fast jedes Spiel. Doch normalerweise habe ich es so im Griff, dass ich meinen eigenen Zug planen und nebenbei noch überblicken kann, was die anderen machen. Zum Beispiel um auf die Regeln zu achten, um nötigenfalls zu helfen und so weiter. Bei MAGE KNIGHT hat es diverse Partien gedauert, bis ich an diesen Punkt kam. Bis ich endlich genügend regelsicher und nicht nur mit mir selbst beschäftigt war.
Mehrfach hatte ich am Ende auch keine Lust mehr, die Punkte auszurechnen. Es war spät geworden und sollte nicht noch später werden. Und im Grunde waren mir die Punkte auch egal. Belohnt hat mich das Spiel durch die Erlebnisse meines Helden, durch siegreiche Kämpfe und Eroberungen. Dass in typischer Eurogame-Manier noch diverse Kategorien bewertet werden sollen, empfinde ich als überflüssig.
Nachdem ich MAGE KNIGHT zu viert erlernt habe, bin ich in der Mitspielerzahl immer weiter nach unten gegangen. Am besten gefällt es mir wegen der kürzeren Wartezeiten zu zweit. Und da MAGE KNIGHT ohnehin sehr solitär ist, lässt sich auch bestens allein spielen.
Alles in allem ist MAGE KNIGHT sehr faszinierend; ich würde es aber zu anstrengend finden, das Spiel weiteren Neulingen vorzulegen und sie in das System einzuarbeiten. Als geeignet sehe ich es deshalb vor allem für Menschen an, die einen regelmäßigen und zugleich hart gesottenen Spielpartner haben.

MAGE KNIGHT – DAS BRETTSPIEL von Vlaada Chvatil für einen bis vier Spieler, Pegasus Spiele.

Dienstag, 10. Juli 2012

Peter Spiel erklärt (6): Spielemesse

Ist ja bald wieder Spielemesse in Essen. Dora wird schon ganz nervös. Hat sie doch gesagt: Jetzt kommt die Zeit, woste dich mit Nachbar Heinz immer im Keller im Hobbyraum an die Theke verkriechst und über ellenlange Spielelisten brütest, seitenweise Spielregeln aus dem Internetz ausdruckst und fast stündlich den Kontostand von unsere Giro kontrollierst. Hat se ja irgendwie Recht, die Dora. Aber man muss ja gut informiert sein, was so an Neuheiten kommt und ob man sich die geschätzten 175 interessanteren Neuheiten auch leisten kann. Letzteres ist dann allerdings nur eine rhetorische Frage. Im Notfall heißt es: Muss ja! Das liegt einerseits daran, dass man viele Spiele einfach haben muss, auf der anderen Seite darf man auch nichts verpassen. Musste halt beides berücksichtigen. Geht nicht anders. Das muss Dora dann auch mal einsehen.

So geht es dann also mit seitenlanger Check-Liste frühmorgens los. Wir nehmen immer den alten Benz von Nachbar Heinz, der beim Anlassen so stottert. Also, das Auto meine ich. Ist immer ein gewisses Risiko, ob wir damit überhaupt ankommen. Da fängt der Kitzel schon an. Müssen wir aber nehmen, weil unser Familienauto keine Anhängerkupplung hat. Und wir nehmen ja immer den großen Anhänger vom Verleih. Da passt so schön viel rein.

In Essen angekommen gibt es immer einen genauen Ablaufplan, welche Halle zuerst und zu welchem Stand. Nicht einfach so Halle für Halle durchstöbern, nein, das funktioniert nicht! Zuerst muss man ja an die Stände mit die limitierten Kracher. Ob das wirklich die Kracher sind, stellt sich dann immer erst hinterher heraus (meist sind sie es nicht!), aber man muss sie halt haben. Weil sie limitiert sind. Ich wiederhole gern noch einmal das Zauberwort: limitiert! Das ist Kaufgrund Nr. 1. Man könnte ja was verpassen, wenn die schon ausverkauft sind. Danach werden alle Stände mit Give-Aways abgeklappert. Die sind besonders begehrt, weil sie nur hier zu haben sind. Meist kriegt man sie zudem auch noch umsonst. Oder auch mal gegen eine geringe Spende. Da ist man schon mal großzügig. Ist ja meist für einen guten Zweck. Welcher? Egal. Als nächstes sind alle Kleinverlage dran. Und wenn ich sage „alle“, dann meine ich „alle“. Da musste das kaufen, was später voraussichtlich nicht oder nur schwer im Handel zu bekommen ist. Und das ist voraussichtlich fast alles von diese Kleinverlage. Die Spiele von den großen Verlagen, die kriegste ja hinterher überall im Kaufhaus oder im Supermarkt. Aber die Kleinverlagsspiele, die nicht! Die musste also alle hier kaufen. Ob die besser sind als die von die großen Verlage, das ist so eine Frage. Aber erst einmal eine unerhebliche. Das brauchste halt, das von die Kleinverlage. Außerdem: Die großen Verlage, die verdienen doch sowieso genug, die Kapitalisten! Die brauchen nicht auch noch unbedingt mein Geld. Ich kaufe dann wirklich lieber bei die kleinen Verlage, auch wenn die großen Verlage zum Teil die besseren Spiele haben. Ich will ja nicht noch diesen Großkapitalismus unterstützen! Nein, das mach ich nicht! Inzwischen wundere ich mich ja jedes Mal neu, welcher Verlag sich so alles als Kleinverlag ausgibt! Haben se die halbe Messehalle gemietet, aber Kleinverlag!

Viele von die Besucher kommen ja mit so einem Gerüst von ihre Trolley. Das Kofferteil haben se abgenommen und sammeln darin im Hotel ihre Schmutzwäsche. Auf dem Trolley-Gerüst stapeln sie dann ihre gekauften Schätze. Soll ja auch jeder sehen, was für tolle Spiele die gekauft haben. Das sind die wahren Kenner, die kennen Perlen, die kennen andere gar nicht! Wir Wissenden sehen dann schon einmal die eine oder andere Graupe dazwischen. Darfste aber nicht sagen. Die sind schließlich so stolz auf ihre tolle Neuerwerbungen! Die unerfahrenen Besucher verlassen sich schon mal darauf, dass sie eine Tüte bekommen, wenn sie ein Spiel kaufen. Dann merken sie aber bald, dass die Kapazität so einer Tüte begrenzt ist. Höchstens drei große Spiele passen da rein. Und nur, wenn die Tüte groß ist. Habe ich früher auch so gemacht. Inzwischen benutze ich aber Hartschalenkoffer. Ist sozusagen der Mercedes-Benz unter den Trolleys. Rollt genauso gut, ist aber im Fall der Fälle robuster und hat mehr Durchschlagskraft. Außerdem klaut einem keiner die tollen Give-Aways. Weil se die gar nicht sehen! Schlau, was? Am besten trägt man dazu noch einen Wanderrucksack auf dem Rücken, passt auch noch was rein und es wird dann so was von ausgewichen! Die haben dann Angst um ihre falsche Zähne. Und du hast dann wirklich Platz in die Gänge! Auch wenn da noch so viel los ist. Sehr wirkungsvoll! Mit Kinderwagen ist auch eine wirkungsvolle Angelegenheit, kommt aber leider nicht so gut, wenn alle das süße Kleine anschauen möchten und sie dann ganz enttäuscht sind, wenn se im Wagen zwischen die Daunen und die Bierflaschen nur Spieleschachteln entdecken.

Schließlich sind alle Neuerwerbungen im Anhänger verstaut. Dann ist endlich Zeit für was Erholsames. Dann stellen Heinz und ich uns immer an die vollsten Stände und geben wichtige Kommentare ab. Am besten von ganz hinten aus der dritten Reihe, von wo man gar nichts mehr sieht. „Das ist der gleiche Mechanismus wie bei Spiel XY“, „Da hat uns der Prototyp schon nicht gefallen“, „Das ist eine ganz miese Grafik, die kann meine Tochter im Kindergarten schon besser“ oder „Der Autor, der hat ja sowieso nichts drauf“. Oder auch mal: „Das Spiel ist toll, das hab ich schon gespielt!“ Letzteres aber nur, wenn es eine Graupe ist. Die guten Spiele will man ja nur selbst erkannt haben und besitzen. So ist das immer bei de Spielemesse zusammen mit Nachbar Heinz. Feine Sache. Und sehr spaßig. Findet auch Heinz. Nur an seine Erstrundenniederlage beim SIEDLER-Turnier von vor zwölf Jahren darf man ihn nicht erinnern. Da ist er sehr eigen, der Heinz.


PETER SPIEL ERKLÄRT ist die Kolumne des Gastautors Peter Spiel auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN.

Zu Teil 5: Peter Spiel erklärt Komplexität

Freitag, 6. Juli 2012

Waka Waka

Schamanen sind in Afrika die Elite. Sie stellen den Spielern Aufgaben mit immer demselben Inhalt: Wir sollen Warenkombinationen sammeln und abliefern. Die Spieler schuften, die Schamanen kassieren. Die Elite in Afrika ist genauso raffiniert wie die Elite bei uns.

Wie geht WAKA WAKA? Es geht um Ansehen. Wer zuerst die fünfte Status-Stufe erreicht, gewinnt. Jede Stufe kostet bestimmte Waren. Im Grundspiel zwei bis vier, im höchsten Level vier bis sechs.
Das Geschehen steuern Karten. Wer dran ist, spielt bis zu drei. Spielt er weniger, darf er neue Karten ziehen oder Gold nehmen. Die wichtigste Karte heißt „Handel“. Sie lässt die Wahl: Der Spieler kauft gegen Gold das gesamte (und überwiegend verdeckte) Warenpaket eines der vier Schiffe. Oder er liefert eine geforderte Waren-Kombination ab. Oder er verkauft zwei gleiche Waren für zehn Gold.
Weil jeder nur sechs Waren lagern kann, führt blinde Anhäufung nicht allzu weit. Für zielgerichtete Aktionen sind die weiteren Karten da. Die „Sammlerin“ beispielsweise erlaubt, eine beliebige Ware vom Vorrat zu nehmen. Der „Schimpanse“ gewährt Einblick in verdeckte Bootsladungen. Manche dieser Aktionen dürfen von den anderen Spielern kopiert werden, sofern sie dem Kartenbesitzer ein Gold zahlen.
Und alternativ lässt sich Ansehen auch mit zwölf Gold kaufen. Das erfordert die Karte „Schamane“. Außerdem muss das Feuerplättchen auf dem Spielplan aufgedeckt sein. Mal ist es das, mal nicht – abhängig vom Auftauchen bestimmter Karten im Nachziehstapel.

Was passiert? WAKA WAKA marschiert zügig vorwärts. Destruktive Elemente kommen nicht vor. Aufgehalten wird ein Spieler erst dann, wenn sein Warenlager voll ist und sich nicht viel damit anfangen lässt. Gewiss kann man mit geschicktem Karteneinsatz Boden wieder gut machen. Noch besser aber ist es, auf den Schiffen einfach die passenden Waren vorzufinden.
Das spannendste Element ist die Option, mit Goldzahlungen nach oben zu klettern. Dies ist besonders in höheren Levels interessant, um die Abgabe von vier oder gar sechs Waren zu umgehen. Dass der Zufall entscheidet, ob das Feuer brennt oder nicht, finde ich in Ordnung. Etwas lahm wird es nur dann, wenn die drei Karten, die dies bestimmen, schon früh auftauchen und dann für den gesamten Rest des Kartenstapels Planungssicherheit herrscht.

Was taugt es? Die tollen Grafiken machen sehr neugierig auf WAKA WAKA, das Spiel selbst eckt nirgendwo an. Das ist für den Erstkontakt noch gut, doch ich vermisse ein „Versprechen auch mehr“. Der Reiz ist schnell erfasst und ausgekostet. Folgepartien verlaufen ohne viel Vertiefung ähnlich. WAKA WAKA fühlt sich lauwarm an.

WAKA WAKA von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Kosmos.