Samstag, 31. Oktober 2020

Gern gespielt im Oktober 2020

Es gibt eine kleine Neuerung, von der ich nicht weiß, ob ich sie nur einen Monat lang durchhalte oder mehrere oder sogar auf Dauer. Eins der üblicherweise sechs gern gespielten Spiele werde ich fortan als „am liebsten gespielt“ herausheben. Ein gebührenpflichtiges Logo ist natürlich auch längst in Arbeit, alles andere wäre ja unprofessionell.
Hintergrund: Bei meiner Million geht es nur stockend voran – offenbar ist es an der Zeit, neue Impulse zu setzen. Nicht dass sich der Irrglaube einschleicht, ich machte das hier alles zum Spaß!


THE CASTLES OF TUSCANY: Die Toskana habe ich immer mit Rotwein trinkenden Altsozis verbunden. Inzwischen war ich selber dort. Hm.

WASSERKRAFT: Die geeignete Strategie werde ich mit meinem Urologen besprechen.

SEBASTIAN FITZEK – KILLERCRUISE: Herrje, ein Killer an Bord. Seit Corona sind Kreuzfahrten ohnehin nicht mehr, was sie mal waren. Jetzt eskaliert die Lage endgültig.

HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS – DIE MONSTERBOX DER MONSTER-ERWEITERUNG: So viele fiese Ungetüme! Und dann noch dieser ungeheure Bandwurm. Im Titel.

KRAZY PIX: Und nächstes Mal fotografiere ich die lustigsten Bilder ab, werde Galerist, und ihr könnt eure läppischen Millionen an den Hut stecken! Möglichst bitte an meinen, denn als Galerist werde ich selbstverständlich einen tragen.

UND AM LIEBSTEN GESPIELT:

PALEO: Es ist kalt. Es schneit. Es gibt nichts zu essen. Einer ist verwundet, zwei schon gestorben. Wir sollen ein Raubtier erlegen und haben keine brauchbaren Waffen. Ach, ein Feuer wäre schön, aber unser Holzvorrat ist verschwunden.
PALEO erschafft mit vergleichsweise einfachen Mitteln nicht nur eine Welt, in der wir gemeinsam überleben wollen. Sondern eine Welt, die wir entdecken müssen und die uns immer wieder überraschend wird.
Schicksal ist im Spiel. Aber wir sind dem Schicksal nicht rettungslos ausgeliefert. Clever bindet das Spiel die Kartenrückseiten in das Erzählen ein. Mit Erfahrung lernen wir, Gefahren besser einzuschätzen und Konsequenzen unserer Handlungen vorherzusehen.


Donnerstag, 29. Oktober 2020

Monster Expedition

Juhu, darauf hat die Welt lange gewartet: Mein Oldschool-Blog bespricht eine richtige Messeneuheit! … Ähm, aber ist es denn wirklich eine? Gilt ein Spiel, das bereits vor der Messe erschienen ist, hinterher noch als neu? Oder ist es längst abgehakt und durch?

Wie geht MONSTER EXPEDITION? Wir würfeln um Monster und Käfige. Diverse Monster liegen im Angebot, Käfige gibt es einfach vom Stapel. Um etwas zu bekommen, muss eine bestimmte Mindestaugenzahl erreicht werden, Monster müssen obendrein mit der Farbe meines Regionswürfels übereinstimmen.
Wie viele Würfel ich würfeln darf, hängt von meinen Fähigkeiten ab. Ich wähle eine der drei Regionen, um mich dort auf die Jagd zu machen, und nehme den entsprechenden Regionswürfel. Hinzu kommen mindestens zwei schwarze Würfel. Falls ich in der Region schon Aufwertungen vornehmen konnte oder bestimmte Monster-Kombinationen gesammelt habe, können es bis zu acht schwarze Würfel sein.
Ich würfle und lege wie bei HECKMECK AM BRATWURMECK alle Würfel einer Augenzahl heraus. Den Rest würfele ich erneut und lege wieder alle Würfel einer Augenzahl heraus. Und so weiter. Wie bei HECKMECK AM BRATWURMECK darf ich keine Augenzahl herauslegen, die schon liegt. Kann ich das nicht, verliere ich meinen höchsten Würfel. Irgendwann beende ich das Würfeln freiwillig oder alle Würfel liegen, und jetzt kaufe ich für meine Augensumme ein.


Was passiert? MONSTER EXPEDITION fühlt sich trotz ähnlichem Mechanismus nicht an wie HECKMECK AM BRATWURMECK. Was daran liegt, dass es um den Würfelkern herum erheblich mehr Regeln hat.
Würfel mit niedriger Augenzahl, die ich normalerweise ungern herauslegen würde, lege ich hier durchaus gern, denn sie erhöhen für die Zukunft in den drei Regionen meine Würfelmenge. Zudem bringt jedes gefangene Monster nicht nur Punkte, sondern auch eine Bonusfähigkeit oder permanente Eigenschaft mit.
Und dann gibt es da noch die Käfige: Ihr Punktwert offenbart sich erst bei Spielende, ist also ein bisschen Glückssache. Sofern ich mindestens einen Käfig bekomme, wird nach meinem Zug die Auslage wieder aufgefüllt. Das klingt schlecht, weil sich der Konkurrenz jetzt wieder mehr Möglichkeiten bieten. Doch es ist auch gut, weil alle neu ausgelegten Karten meine Markierung bekommen. Und hat bis zum Schluss niemand diese Monster ergattern können, gewinne ich sie (wenn auch mit reduziertem Punktwert). Gerade gegen Spielende ist das Taktieren ums Auffüllen und somit um Käfige ein entscheidendes Element.


Was taugt es? Trotz vieler Möglichkeiten und Entscheidungen und der schönen Illustrationen hat MONSTER EXPEDITION meine Mitspieler*innen und mich weitgehend kalt gelassen.
Die Spannungskurve steigt nie sonderlich an. Am Anfang sind wir noch schwach und können mit unseren paar Würfelchen nicht viel beschicken. Kaum haben wir uns eine Maschinerie aufgebaut, ist das Spiel auch schon in seiner Schlussphase angekommen. Ich hatte dabei auch nie den Eindruck, dass ich mir planvoll oder individuell etwas aufbaue. Kartenauslage und Würfelergebnisse kanalisieren mich. Die vielen möglichen Effekte suggerieren mehr Freiheiten, als das Spiel bietet.
Würfle ich glücklich, wird auch irgendetwas Positives dabei herausspringen. Würfle ich unglücklich, falle ich zurück. Klar, das ist in anderen Würfelspielen genauso, allerdings benötigen sie nicht so viel Regelwerk dafür.
Nach meinem Empfinden ist MONSTER EXPEDITION nicht so richtig Zockerspiel. Dazu ist zu viel um das Zockerelement herumgebaut. Und es ist auch nicht so richtig Aufbauspiel. Dazu ergibt sich das eigene Vorankommen zu sehr aus unbeeinflussbaren Gegebenheiten.
Ich glaube, um ein Spiel häufiger wiederzuspielen, muss man in dem Spiel etwas (wieder-)finden wollen. Also – um im Beispiel zu bleiben – den Kitzel des Zockens oder die Zufriedenheit, etwas aufzubauen. Doch wenn, so wie hier, beide Reize nur ein bisschen da sind, entfalten sie gemeinschaftlich nicht dieselbe Anziehungskraft. Zwei Halbe sind nicht ein Ganzes.


*** mäßig

MONSTER EXPEDITION von Alexander Pfister für eine*n bis vier Spieler*innen, Amigo.

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Azul – Der Sommerpavillon

Ich habe tatsächlich eine ganze Weile überlegt, ob ich es einleitend irgendwie begründen sollte, dass ich ein Spiel bespreche, welches schon seit einem Jahr auf dem Markt ist. Oder mich gar dafür entschuldige. Aber … mmh, nö. Dann lieber gar keine Einleitung.

Wie geht AZUL – DER SOMMERPAVILLON? Genau wie bei AZUL nehmen wir reihum Fliesen aus Manufakturen. Die Regeln dabei sind sehr ähnlich. Ich sammle meine Fliesen jedoch einfach auf einem Haufen und kann unbesorgt so viele nehmen, wie ich möchte.
Anschließend wird gebaut, und während bei AZUL durch meine Vorsortierung bereits entschieden war, was wo landen wird, verläuft diese Phase jetzt spielerischer. Mein Tableau zeigt für jede Farbe sechs Baufelder. Die Kosten, um eine Fliese abzulegen, betragen eins, zwei, drei, vier, fünf oder sechs gleichfarbige Fliesen.
Mein Ziel ist es, Fliesen gleicher Farbe nebeneinander zu bauen und Farbflächen zu vervollständigen. Außerdem möchte ich bestimmte Freifelder auf dem Spielplan umschließen, weil ich dann bis zu drei Bonusfliesen erhalte.


Was passiert? Die erste Spielphase ist in DER SOMMERPAVILLON deutlich unbeschwerter als in AZUL. Zwar kann ich schlauer oder weniger schlau agieren, doch anders als in AZUL lauern hier keine Fallen, in die ich hineintappen könnte und deren Minuspunktlawinen mich aus dem Spiel katapultieren. DER SOMMERPAVILLON ist kein gemeines Spiel.
Allerdings ist diese Spielphase nun auch wesentlich weniger spannend. Viele Fliesen sind besser als wenige Fliesen, und bald ergibt sich obendrein recht klar, welche Farben man gerade benötigt und welche nicht. Aus der Spielphase, die AZUL so taktisch und besonders gemacht hat, ist hier ein unkompliziertes Raffen geworden.
Andererseits ist aus der zweiten Spielphase, die in AZUL nur die Auswertung der ersten war und deren Wertungsmodalitäten manche Spieler*innen überfordert hatten, nun ein Legespiel erwachsen. Die Reihenfolge, in der man seine Felder belegt, lohnt durchaus eine Überlegung. Timing spielt eine Rolle, um Bonusfliesen möglichst dann zu bekommen, wenn die passenden ausliegen. Und dass bis zu vier Fliesen straffrei mit in die nächste Runde genommen werden dürfen und die kommenden Jokerfarben im Voraus bekannt sind, lässt Raum für Taktierereien.


Was taugt es? AZUL – DER SOMMERPAVILLON besitzt neue Qualitäten. Dass das Spiel friedlicher ist, kommt Menschen entgegen, die nicht mehrere Züge im Voraus berechnen wollen, um möglichen Schaden tunlichst von sich abzuwenden.
Für mich ist aber genau das die Tücke, die AZUL bei aller Eleganz so reizvoll und spannend macht: Klar will ich viele Fliesen ergattern, doch wer im falschen Moment den Hals nicht voll genug kriegen kann, fällt rein. In Phase eins steckt in AZUL bereits so viel tiefes Spiel, dass ich keine ausgedehnte Legephase vermisse.
DER SOMMERPAVILLON spielt sich nach meinem Empfinden angenehm, aber eben unspektakulärer und konventioneller und verschenkt einen Teil der ursprünglichen AZUL-Qualitäten.


**** solide

AZUL – DER SOMMERPAVILLON von Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler*innen, Next Move.

Samstag, 17. Oktober 2020

Vor 20 Jahren (94): Carcassonne

Zur Geschichte vieler erfolgreicher Spiele wie etwa CATAN oder QWIXX gehört auch die Vorgeschichte, wie sie bei verschiedenen Verlagen abgeblitzt waren. Und wenn man so etwas erfährt, fasst man sich an dem Kopf und denkt: Unglaublich! Wie konnten diese Verlage nur so blind sein?

Zu CARCASSONNE gibt es eine solche Vorgeschichte meines Wissens nicht. Aber es gibt meine persönliche Geschichte, und die geht in eine ähnliche Richtung.

Ich lernte CARCASSONNE direkt bei Erscheinen in Essen kennen. Am Stand von Hans im Glück hatte ich Glück und durfte mich an einem der Spieletische dazusetzen. Mit zwei Fremden spielte ich meine allererste Partie CARCASSONNE.

Nach der Partie lautete unser gemeinsamer Tenor: Na ja … nicht schlecht ... aber auch nichts Umwerfendes. Einer meiner Mitspieler war – so erinnere ich mich – Ladenbesitzer und schätzte den Wert von CARCASSONNE für sein Sortiment skeptisch ein. Von Hans im Glück hätte er sich was für erfahrenere Spieler*innen erhofft. Ich genauso. Und ich fand auch den Titel sperrig: CARCA … was? Das konnte sich doch kein Mensch merken! Ich jedenfalls hatte noch nie von dieser angeblichen mittelalterlichen Stadt in einem unserer angeblichen Nachbarländer gehört.

Und jetzt dürfen sich alle an dem Kopf fassen und denken: Unglaublich! Wie kann man nur so blind sein? Okay, vom Bartsch hätte man kaum anderes erwartet – aber auch die anderen beiden!

Dass ich offenbar neben der Spur war, registrierte ich noch während der Messe. CARCASSONNE erreichte bei den Fairplay-Scouts einen traumhaften Notenschnitt von 1,96. Und ich so: Oh!

Was lerne ich daraus? Dass es wirklich gut wäre, wenn meine öffentlichen Spielerunden wieder stattfinden könnten! Zur Beurteilung eines Spiels, insbesondere eines Spiels mit breiter Zielgruppe, ist es wichtig, es an möglichst viele Menschen heranzutragen. Was CARCASSONNE auslösen kann, erkennt man nicht unbedingt, wenn man es – so wie wir damals – powergamermäßig runterzockt.

Und gewiss lässt man sich auch immer von Vorerfahrungen und Erwartungen leiten. Rund um das Jahr 2000 hatten mich einige Spiele von Hans im Glück enttäuscht. Neben Perlen waren gehäuft Spiele im Programm gewesen, die inzwischen berechtigterweise vergessen sind. Wer hätte noch aus dem Kopf gewusst, dass 1999 in Essen DOLCE VITA, WILLI und T-REX erschienen waren? Und 2000 gemeinsam mit CARCASSONNE STÖRTEBEKER und ATTILA?

Wie also hätte man als voreingenommener Spieleskeptiker ahnen sollen, dass inmitten dieser kurzlebigen ATTILAs und WILLIs und STÖRTEBEKERs ein Spiel für die Ewigkeit zu finden sein würde? Und dann auch noch ausgerechnet dieses CARCA…sagnochmalwiewardas, bei dem schon aufgrund seines Namens jegliches Klassikerpotenzial ausgeschlossen war.

Freitag, 16. Oktober 2020

Gegendarstellung: Quontchen


 

Leute, so peinlich ...! Wir lagen alle falsch. Korrekt heißt es

QuEntchen.




Dienstag, 13. Oktober 2020

The Magnificent

Der Zirkus ist in der Stadt und das ist ganz schön lustig! Nicht etwa wegen der tollen Clownsnummern. Sondern weil man beim Spielen von THE MAGNIFICENT nicht mal im Entferntesten an Zirkus erinnert wird.

Wie geht THE MAGNIFICENT? Der Zirkus ist in der Stadt! Lassen Sie sich verwirren von einzigartigen Verschwurbelungen! Bewundern Sie die tollkühnen Stars der Optimierung!
Wenn man die Sache mit dem Zirkus mal vergisst, geht es bei THE MAGNIFICENT darum: Jede*r besitzt eine Puzzlefläche, die mit verwinkelten Bauteilen möglichst lückenlos und möglichst raumgreifend bepuzzelt werden soll. Jede*r besitzt außerdem fünf Slots für Auftragskarten, von denen vier Slots allerdings erst noch freigeschaltet werden müssen. Aufträge können beispielsweise lauten: Besitze ein kleines und ein großes grünes sowie ein großes violettes Bauteil und zahle einen grünen Edelstein. Machst du das, bekommst du Geld und Punkte.
Ein Würfelpool ist der Motor des Spiels. Pro Durchgang viermal wähle ich einen dieser Würfel und führe eine von drei möglichen Hauptaktionen aus (Puzzleteile nehmen, Slot freischalten, Aufträge werten). Sowohl Augenzahl als auch Würfelfarbe definieren meine Möglichkeiten. Je mehr gleichfarbige Würfel ich in einem Durchgang nehme, desto stärker sind meine Aktionen – aber auch umso teurer.
Unter Einsatz von Edelsteinen und Trainerfiguren kann ich die Aktion noch aufwerten, modifizieren oder kleinere Nebenaktionen auslösen. Ich bin im gesamten Spiel nur zwölfmal an der Reihe; ein einzelner Zug kann relativ vielschichtig und komplex sein.


Was passiert? Die Häufigkeit, in der Spieler*innen die einzelnen Grundaktionen wählen, variiert gar nicht so sehr. Irgendwer verzichtet vielleicht auf einen oder zwei Slots und puzzelt dafür mehr. Aber im Großen und Ganzen machen wir dasselbe, wenn auch nicht in derselben Reihenfolge.
Timing ist sehr wichtig, Optimierung ist noch wichtiger. Wer alle möglichen Effekte bedenkt und einplant, jeden Edelstein ausnutzt, jedes Zehntel mitnimmt, wird sehr wahrscheinlich besser abschneiden als jemand, der lieber aus dem Bauch entscheidet. Ein*e Optimierer*in am Tisch genügt bereits, um die vorgesehene Spieldauer von angeblich 60 bis 90 Minuten utopisch werden zu lassen.


Was taugt es? Mechanisch lässt sich nichts gegen THE MAGNIFICENT sagen. Es hat Tiefe, es ist verwoben, trotzdem sind die Grundmechanismen erstaunlich eingängig und einfach. Man kann sehr viel bedenken, tüfteln und sich dabei von Partie zu Partie verbessern.
Bei allem Respekt vor der handwerklichen Autorenleistung finde ich THE MAGNIFICENT aber nicht sonderlich spannend. Einerseits weil es tatsächlich nur wenige Spannungsmomente gibt, etwa ob der angepeilte Würfel liegen bleibt oder weggenommen wird. Andererseits weil ich keine Beziehung zu dem entwickle, was ich tue. THE MAGNIFICENT ist emotionslos und kreiert keine Welt. Dass man viel berechnen kann, ist schön, aber kein Alleinstellungsmerkmal. Außer um zu beweisen, dass ich der beste Rechner bin, hat THE MAGNIFICENT nichts dauerhaft Motivierendes.
Auch Heavy Euros profitieren davon, wenn man das Thema zumindest erkennen kann. In THE MAGNIFICENT stört das Thema eher, weil die Anleitung mit aller Macht Begrifflichkeiten aus der Zirkuswelt verwendet und damit mehr Verwirrung stiftet als Story zu transportieren.
THE MAGNIFICENT ist für mich trotzdem besser als „mäßig“, denn es enthält schöne Mechanismen, die man nicht überall findet. Jeden meiner Würfel modifiziere ich noch mit einer „Direktorenkarte“. Zugleich definiert diese Karte ein Ziel, für das ich entweder zwischendurch oder bei Spielende Punkte erhalte. Pro Runde bekomme ich eine neue Karte hinzu und muss eine meiner vorhandenen werten. Das ist trickreich, weil ich dadurch auch deren Modifikationseigenschaft verliere. Aber vor allem bringen diese Karten von Beginn an Ziele ins Spiel, auf die ich fokussiert bin. Und weil Fortgeschrittene die Direktorenkarten zu Beginn draften, wähle ich meine Ziele sogar selbst. Clever konzipiert.


**** solide

THE MAGNIFICENT von Eilif Svensson und Kristian A. Østby für ein*n bis vier Spieler*innen, Pegasus Spiele.

Freitag, 9. Oktober 2020

Spielejahrgang 2019/20:
Was vom Jahrgang übrig bleibt (Teil 2: Anthrazit)

Mit den Spielen im Anthrazitbereich ist es immer so eine Sache. Ich behalte sie – und dann stauben viele von ihnen ein. Weil man sie nicht einfach mal so auf den Tisch legt, nach einiger Zeit die Regeln teilweise vergessen hat, die Feinheiten sowieso, und sich wieder einarbeiten muss. Tja, und wenn ich mich ohnehin einarbeiten muss, nehme ich doch lieber gleich eine Neuheit. Dann habe ich noch was davon.

Natürlich: Ich hätte auch ganz viel davon, das ältere Spiel wiederzuspielen. Nämlich ziemlich sicher Spaß, der bei der Neuheit alles andere als gesichert ist. Aber so funktioniert mein Leben leider nicht. Es wäre zu einfach.

Außer dem Neuheitenfluss, den ich nun mal abzuarbeiten habe, sehe ich mittlerweile aber noch einen zweiten Grund, der mich abhält, all die ganzen aufbewahrten Eurogame-Klassiker aus dem Regal zu ziehen: Viele davon sind sich ganz schön ähnlich. Man optimiert halt. Mal mit Karten, mal mit Würfelpool, mal mit Arbeiterfiguren. Aber in der Rückschau ist manches gar nicht mehr so originell, wie es damals schien.

Das könnte irgendwann auch auf PALADINE DES WESTFRANKENREICHS zutreffen, das ich in diesem Jahr besonders gern gespielt habe und das ich wegen seiner eleganten Struktur weiterhin sehr hoch einschätze. Natürlich muss ich es behalten, denn natürlich möchte ich es gerne wieder spielen. In drei Jahren können wir noch mal drüber reden, ob es tatsächlich dazu kam.

Mein Lieblingsspiel unter den komplexeren war aber in diesem Jahr ein anderes: MARCO POLO II. Ich weiß nicht, ob es sich für den Verlag ökonomisch gelohnt hat, das Spiel zu überarbeiten. Aus meiner Sicht als Fan von MARCO POLO hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Erst im Nachhinein fällt auf, dass Teil 1 teilweise einem unnötig starren System unterlag. Tatsächlich geht es noch besser. MARCO POLO II ersetzt Zwänge konsequent durch Möglichkeiten, ist abwechslungsreicher geworden und verlangt flexiblere Spielweisen.

Am Ende meiner Rückschau komme ich wieder da an, wo ich vor vier Tagen gestartet war: bei den kleinen Spiele, die sich so leicht behalten, so leicht einstecken und so leicht wiederspielen lassen. Zwei Kandidaten aus dem Kennersegment traue ich das in diesem Jahr besonders zu: dem so stimmigen und variablen DER KARTOGRAPH mit seiner wunderbar niedrigen Downtime, dem schönen Thema und dem nötigen Quentchen [korrigiert, U.B.] Quäntchen [noch mal korrigiert, U.B.] Quontchen Interaktion.

Und natürlich dem Spiel, an dem in diesem Jahr kein Weg vorbeiführt: DIE CREW. Was wir hier mit einfachen Regeln und Karten versuchen, erinnert mich vom Gruppengefühl und Grad der Intensität an HANABI. Und es kann vielleicht noch mehr Menschen abholen, denn Stichspiele sind einigermaßen vertraut. Ganz sicher wird die Reise auch noch weitergehen. Wenn es gelungen ist, allein schon ins Grundspiel 50 Missionen zu packen, bin ich, was Zugaben und neue Herausforderungen angeht, sehr zuversichtlich.

Montag, 5. Oktober 2020

Spielejahrgang 2019/20:
Was vom Jahrgang übrig bleibt (Teil 1: Rot)

Der Rückblick beginnt mit einem Rückblick: Im Vorjahr sind viele kleine Spiele übrig geblieben: Mit L.A.M.A., WERWÖRTER, JUST ONE und DIZZLE vier „rote“ Spiele für alle, dazu mit DOPPELT SO CLEVER eins für Kennerinnen und Kenner.
Wie ich mehr und mehr feststelle: Kleine Spiele zu behalten, fällt mir aus Platzgründen leichter. Kleine Spiele rutschen auch eher noch mal in die Tasche, wenn ich irgendwo zum Spielen gehe. Kleine Spiele haben eine größere Chance, wiedergespielt zu werden.

Somit würde es naheliegen, auch von diesem Jahrgang mehrere kleine rote Spiele zu behalten. Aber die Realität ist nicht so einfach gestrickt, wie wir es gerne hätten. Der Jahrgang war im Bereich der kleinen roten Spiele diesmal nicht ähnlich überragend.


Das von mir am häufigsten gespielte Spiel war MY CITY. Ich habe (fast) drei komplette Kampagnen absolviert, lediglich die dritte hängt seit Längerem zwischen Umschlag sieben und acht fest.
Auch wenn ich aus Spielersicht supertoll finde, welche zusätzlichen Möglichkeiten in Legacy-Spielen stecken: In meiner Kritikerarbeit bringt mich Legacy an den Rand des Möglichen. Ich erschrecke deshalb regelmäßig, wenn ich erfahre, dass weitere Legacy-Spiele erscheinen. Aber spielen möchte ich sie auch. Verdammt.
MY CITY wird dennoch nicht physisch, sondern nur als Erinnerung übrig bleiben. Zweifellos sind meine drei Metropolen städtebaulich ganz exzellent geworden. Sie auszustellen, scheint mir trotzdem übertrieben. Also muss ich die Spielkartons samt Inhalt nicht weiter aufbewahren. MY CITY hatte seine Zeit – und jetzt ist sie vorbei.

NOVA LUNA halte ich trotz seiner Nominierung für die Wahl zum Spiel des Jahres für eines der unterschätztesten Spiele des Jahrgangs (leider auch in vielen meiner Runden). Die Puzzleaufgabe könnte nicht eleganter sein, darüber hinaus hat sie eine schöne Tiefe. Die Konzeption als Wettrennen und die damit verbundene Spannung machen NOVA LUNA endgültig rund.

Für ebenfalls stark unterschätzt, trotz – und von einigen Querdenker*innen vielleicht sogar: wegen – seiner Wahl zum Spiel des Jahres, halte ich PICTURES. Unbestritten gibt es Kritikpunkte am Spiel. Aber wer PICTURES tatsächlich spielt, wird erfahren, dass sie praktisch kaum eine Rolle spielen. Material und Aufgabenstellung üben einen Sog aus; das Spielgefühl ist überaus positiv. Selbst Partyspiel-Muffel sind mit Eifer dabei. Ihnen kommt entgegen, dass wir in PICTURES permanent abstrahieren.

Man kann jetzt sagen: Heh, Herr Bartsch, da hast du ja einfach die drei Nominierten als die herausragenden Spiele genannt. Und dann sage ich: Stimmt!

Von den kleinen Spielen für alle wird in diesem Jahr nur eins bei mir übrig bleiben: SPICY. Tatsächlich ist auch das Design ein Grund für mich, das Spiel zu behalten. Heidelbär Games plant offenbar weitere Spiele in ähnlicher Aufmachung. Sollte sich das als der Beginn einer legendären Serie herausstellen, wäre es ja zu fahrlässig, ausgerechnet die Nummer eins nicht mehr zu haben.